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Seit August 2023 ist Petra Öberg Gustafsson Geschäftsführerin von Fristads. Das sich in Familienhand befindliche Unternehmen aus Schweden produziert seit genau 100 Jahren Arbeitskleidung. Ein Rückblick auf ein Jahrhundert Innovationsgeist – und ein Ausblick auf eine nachhaltige Zukunft.
Petra Öberg Gustafsson ist nur für einen kurzen Besuch in Wien. Sie wird einen Zug der ÖBB einweihen; einen, auf dem das Logo ihres Unternehmens Fristads auf die gesamte Länge eines Wagons aufgebracht sein wird – für die CEO ein emotionaler Moment. Fristads stellt seit 1925 Arbeitsbekleidung her und Öberg Gustafsson ist anlässlich dieses 100-Jahre-Jubiläums immer wieder auf Promotour durch Europa.
Fristads ist als Unternehmen eine fixe Größe im Kollektivbewusstsein der nordischen Europäer (und vor allem der Schweden) bezüglich der bekanntesten Betriebe der Region. In anderen Ländern hat man die Arbeitsbekleidung bestimmt schon irgendwo einmal gesehen: auf Baustellen aller Art, an Arbeitern, die an Hochspannungsleitungen werken, in Industriebetrieben oder Serviceunternehmen. Fristads vertreibt seine Workwear in 22 Ländern Europas und zählt dort laut eigenen Angaben mehr als 5.000 Händler und Vertriebspartner. Das Unternehmen gehört zur Hultafors Group, einer globalen Company, die 17 Marken – darunter CLC Europa, Emma Safety Footwear oder Hellberg Safety – unter ihrem Dach vereint, die alle dem Feld der Arbeits- und Schutzbekleidung zuzuordnen sind. Anders Hülse, CEO der Hultafors Group, war davor Geschäftsführer bei Fristads, bevor er 2023 an Petra Öberg Gustafsson übergab.
Den Grundstein für Fristads legte sein Gründer John Magnuson, der vor über 100 Jahren als 15-Jähriger und nach nur sechs Jahren in der Schule den elterlichen Bauernhof in Westschweden verließ, um die Welt zu entdecken. Er arbeitete für Unternehmen, die Maschinen für die Textilindustrie bauten – zunächst in Boras in Südschweden, später in England, bevor er sich einige Zeit danach als Textilhändler im Baltikum verdingte.
So kam er erstmals mit Denim in Kontakt und war von der Strapazierfähigkeit und Versatilität des Stoffs aus US-Produktion begeistert. Die Industrialisierung prosperierte in dieser Zeit; in Häfen und Fabriken, überall war praktische Arbeitskleidung gefragt. Und so kam es, dass John Magnuson in den 1920er-Jahren der Erste war, der Denim nach Schweden importierte. Allerdings war das Material teuer, und aufgrund der Nachwehen des Ersten Weltkriegs kamen die Lieferungen häufig nicht wie geplant an. Magnuson beschloss daraufhin, seine eigene Arbeitskleidung direkt in Schweden zu produzieren – und zwar in der kleinen Stadt Fristads.
Sein Unternehmen, das er 1925 gründete und dessen Produktion er in einer verlassenen Fabrik mit anfangs acht Näherinnen betrieb, nannte er AB Skyddskläder, in Anlehnung an das schwedische Wort für „Schutzbekleidung“; geblieben ist aber Fristads. Magnuson, dem ein ausgeprägter Geschäftssinn nachgesagt wurde, stellte (anders als seine Konkurrenten in der damaligen Zeit) seine Arbeitsbekleidung in vielen unterschiedlichen Größen her; man musste sie also nicht nachschneidern wie viele andere Kleidungsstücke dieser Zeit. Und er achtete stets auf die Qualität seiner Produkte – sodass Magnuson selbst bei höheren Preisen für Fristads’ Produkte aufgrund der Convenience, die sich durch mehr Auswahl bei den Größen und längere Haltbarkeit beim Material ergab, mehr verkaufte als sein Mitbewerb. Bald musste die Produktion aufgrund der laufend steigenden Nachfrage umgesiedelt werden – bis in die 1970er-Jahre wurde die Textilfabrik viermal vergrößert. Heute zählt das Unternehmen mehr als 600 Mitarbeiter, produziert hauptsächlich in Asien, Madagaskar und in der Ukraine und erwirtschaftete 2024 einen Nettoumsatz von 130 Mio. €.

Seit August 2023 hält Petra Öberg Gustafsson die Geschicke des Workwear-Produzenten in den Händen. In der Branche schien sie aber keine Unbekannte zu sein: Gekommen ist Öberg Gustafsson nämlich vom Werkzeugausrüster Teng Tools, davor war sie beim schwedischen Kugellagerhersteller SKF tätig gewesen. „Immer im Vertrieb“, sagt sie. Der große Vorteil, in einem Betrieb zu arbeiten, der Kugellager herstellt, sei nämlich, so Öberg Gustafsson, dass man mit vielen Industrien in Berührung kommt, die diese Kugellager nutzen. „Man lernt die Papierindustrie, die Stahlindustrie, die lebensmittelverarbeitende Industrie oder die Komponentenindustrie kennen – und kann so eine Menge lernen. Das war also ein überaus guter Start für mich“, sagt sie. Sie habe viele Bereiche kennengelernt, für deren Arbeiter Fristads entsprechende Schutz- und Arbeitskleidung produzierte bzw. gemeinsam mit den Kunden für deren Einsätze entwickelte.
In letzter Zeit sei vor allem der Einsatz umweltfreundlicher Materialien zentral, so die Geschäftsführerin weiter. „Unser deklariertes Ziel ist es, die CO2-Emissionen bis 2030 um 50 % zu reduzieren“, sagt Öberg Gustafsson. Seit 1997 sind die Fasern der Arbeitstextilien Oeko-Tex-zertifiziert und werden zum Teil auch wiederverwendet, wenn sie nicht mehr repariert werden können; oder sie werden als Füllmaterial für etwa Polsterungen in der Kleidung recycelt. „Fristads ist tatsächlich das erste und bislang einzige Unternehmen im Bereich Arbeitskleidung, das eine vollständige Rückverfolgbarkeit von CO2-Emissionen und Wasserverbrauch mittels einer Environmental Product Declaration (EPD, Anm.) bietet“, erklärt Öberg Gustafsson. „Wir waren weltweit die Ersten, die diesen Standard im Textilsektor eingeführt haben.“
In Zusammenarbeit mit dem schwedischen Forschungsinstitut RISE entwickelte Fristads ein Verfahren zur Messung der gesamten Umweltauswirkungen eines Kleidungsstücks über seinen vollständigen Lebenszyklus – von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung. „Das Ergebnis ist – für alle einsehbar – Transparenz und Nachvollziehbarkeit“, so die CEO.
Wichtig sei das auch, um die Kunden dabei zu unterstützen, nachhaltig einzukaufen, sagt sie. „Durch diese strukturierte und zertifizierte Nachverfolgung und die Lebenszyklusbewertung lernen wir wirklich, wie und wo wir reduzieren müssen. Und wir arbeiten aktiv damit“, so die Fristads-Chefin, die dann auf ihren Anzug hinweist: „Der ist auch aus unserem nachhaltig produzierten Multinorm-Material“, sagt sie. „Das ist das Praktischste, das Sie sich vorstellen können: Ich packe den Anzug auf Reisen in meinen Koffer, er kommt knitterfrei raus und kann bei 60 Grad gewaschen werden.“ Sie lacht: „Das ist meine Fristads-Arbeitskleidung!“
Petra Öberg Gustafsson ist seit 2023 Geschäftsführerin von Fristads. Davor war sie CEO beim Werkzeugausrüster Teng Tools sowie beim Kugellagerproduzenten SKF im Vertrieb tätig. Öberg Gustafsson ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne.
Fotos: Gianmaria Gava