Hart am Wind

Jan Eckert, CEO des Immobilienberatungsunternehmens Jones Lang LaSalle, segelt neben seinem Brotjob auch noch auf Profiniveau.

Als Teilnehmer des am Genfer See ausgetragenen Segelwettbewerbs „D-35" will Eckert mit seinem Team gegen Profi-Rennställe wie Alinghi und Co. reüssieren. Doch im Job wie im Sport braucht es dazu die richtige Dosis Risiko, ein eingespieltes Team und viel Passion. Wir haben den Deutschschweizer rund um den prestigeträchtigen Bol d'Or Mirabaud beim Trainig besucht:

Letztendlich spielt der Wind nicht so ganz mit. Denn als die „Racing Django“ mit Steuermann Jan Eckert und seinem fünfköpfigen Team auf dem Genfer See ihr Training absolvieren will, weht kaum ein Lüftchen. Was einerseits zu einer gewissen Frustration beim Segelteam – aber insbesondere unserem Fotografen – führt, ist andererseits auf eine verquere Art romantisch. Denn die Windstille ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass das Segeln trotz all jener Bereiche, die der Mensch heutzutage technologisch steuern kann, den Gnaden der Natur immer noch hoffnungslos ausgeliefert ist. Was für viele natürlich auch den Reiz des Sports ausmacht.

Doch auch in der Windstille herrscht keine Langeweile, denn es gibt genug zu besprechen. Zuallererst: das Boot. Denn Eckert segelt mit seinem Team auf einem der anspruchsvollsten Segelboote überhaupt – einem Mehrrumpfkatamaran. Um das Gefährt richtig zu beherrschen, braucht es nicht nur Erfahrung und Wissen, sondern auch die richtigen Abläufe innerhalb des Teams. Und so wird im Verlauf des Gesprächs immer wieder deutlich, dass Eckerts Antworten auch auf sein Unternehmen bezogen sein könnten. Denn da fallen Sätze wie: „Wir müssen wissen, wie viel Risiko wir in Kauf nehmen. Wie viel Risiko braucht es, für den ersten Platz?“ Der Steuermann der Racing Django sagt aber auch: „Da ist viel Adrenalin drinnen. Daher wird es auch mal laut, denn es steht wirklich viel auf dem Spiel.“ Oder auch: „Wir wollen uns weiterentwickeln, da muss jeder Kritik einstecken können.“

Und in gewisser Weise begleiten die Lehren, die Eckert aus dem Segeln zieht, ihn wohl auch im Berufsleben. Denn Eckert ist CEO der Schweizer Niederlassung von Jones Lang LaSalle, einem global tätigen Unternehmen für Beratung, Dienstleistung und Investmentmanagement im Immobilienbereich. Dennoch widmet er insgesamt rund 50 Tage im Jahr seiner Leidenschaft, nimmt zum fünften Mal in Folge am prestigeträchtigen Segelwettbewerb „D-35“ teil.

Als wir ihn im Mai treffen, steht gerade das große Highlight an. Denn wenige Tage nach unserem Interview nimmt die Racing Django am Bol d’Or Mirabaud teil, einer der bekanntesten Binnensegelregatten der Welt. Eingebettet ist der Bol d’Or als prestigeträchtigste Regatta in den Wettbewerb „Décision 35“. Vergleichen lässt sich das wohl mit dem Grand Prix von Monaco im Rahmen des Formel-1-Zirkus. Seit 1939 wird der Bol d’Or ausgetragen, geht über 125 Kilometer und muss mindestens innerhalb der maximal vorgeschriebenen Zeit von 31 Stunden abgeschlossen werden. Doch die schnellsten Boote sind deutlich schneller, benötigen rund sieben bis acht Stunden für die Fahrt. Zu den (mehrfachen) Titelträgern gehört etwa Milliardär Ernesto Bertarelli oder der ehemalige Präsident von Patek Philippe, Philippe Stern.

Obwohl die Regatta seit 80 Jahren stattfindet, gab es vor einigen Jahren eine nachhaltige Änderung, die sie in ihrer heutigen Form stark prägte. Denn 2003 wurde beim Bol d’Or ein Großteil der damals bestehenden Flotte durch ein Unwetter zerstört. Um zugleich den unaufhaltsam steigenden Kosten dieser Art des Segelns am Genfer See entgegenzuwirken, entwickelte die Design­agentur Sébastien Schmidt ein ganz neues Bootskonzept. Das als „D-35“ (Décision 35) bekannte Boot besteht aus drei Rümpfen, wovon jedoch nur zwei „schweben“, also bei Kurven in die Luft gehen. Die Boote gelten als schnell und leicht, aber auch als wahnsinnig anspruchsvoll.

Auch Jan Eckert hatte zu Beginn seine liebe Mühe mit dem neuen Untersatz. „Ich musste zu Beginn quasi das Segeln neu lernen. Das ist ein Unterschied, der sich mit dem Umstieg von einem Auto auf ein Motorrad vergleichen lässt. Dieser Katamaran ist groß und hat viel Power, wird gleichzeitig aber sehr eng gesegelt.“ Dabei ist Eckert keineswegs ein Neuling, segelt seit seiner Kindheit und holte bei den Olympischen Spielen 1992 ein Diplom für die Schweiz (Endplatzierung unter den ersten acht, Anm.). Um das Boot ideal zu kennen, ist Konstanz im Team unabkömmlich. In den fünf Jahren, seit die Racing Django am Bewerb teilnimmt, gab es nur einen einzigen – beruflich bedingten – Personalwechsel. „Das Team funktioniert nicht nach dem Prinzip ‚Hire and Fire‘. Unsere Leute sind sehr gut ausgewählt, wir haben Weltrekordhalter (Hochgeschwindigkeitssegler), Juniorenweltmeister, Olympioniken. Da kann jeder seinen Teil beitragen.“

Für diese Saison gibt Eckert eine für einen Schweizer wenig überraschende Formel aus: „Wir sind sehr gut im Risikomanagement, weniger darin, wirklich radikal nach vorne zu segeln. Das müssen wir dieses Jahr ändern, wenn wir auf dem Podium landen wollen.“ Das Feld ist dicht, laut Eckert kann jeder Fehler aufgrund der Geschwindigkeit fatal sein. So geschehen leider auch beim diesjährigen Bol d’Or Mirabaud. Denn Eckerts Racing Django landete völlig überraschend auf dem letzten, zwölften Platz. Erklärung? „Wir sind nach über zwölf Stunden im Rennen etwa 100 Meter vor dem Ziel an fünfter Stelle in der „Flaute“ hängen geblieben und mussten sieben Boote, die zum Teil nur zehn Meter an uns vorbeirauschten, ziehen lassen. Das schmerzt dann schon, entsprechend war die Stimmung im Keller. Bei diesen leichten Winden kann das passieren.“ Wie gesagt: Gnaden der Natur.

Wie lange Eckert selbst noch auf diesem Niveau segeln will, ist unklar. Für ihn sei der Sport Entspannung. Und: Ihn scheint die Herausforderung zu reizen: „Mit 50 Jahren seglerisch nochmal so viel lernen zu müssen und mit einer großen Mannschaft zu segeln, ist ein ganz anderes Level. Es macht aber auch wahnsinnig viel Spaß.“ Doch die Luft im Segelsport wird für Amateure dünner, wie auch Eckert zugibt: „1992 war ich noch einer der letzten Amateure bei den Olympischen Spielen. Heute segeln die jungen Athleten drei Wochen pro Monat – ohne Pause.“ Doch auch abseits von Olympia sieht Eckert eine Professionalisierung: „Die nächste Stufe wird sein, dass sich Rennställe ausbilden. Die Segler sind dann das ganze Jahr angestellt. Das sind dann Profis. Für jene Segler, die montags im Büro sein müssen, wird es schwieriger.“ Gleichzeitig gäbe es aber auch im Amateursport mehr Dynamik: „Es gibt in kleineren Bootsklassen Gegenbewegungen, die viel Zulauf haben. Da kommt es zu einer Zweiteilung – immer professioneller auf der einen Seite und auf der anderen der Massenmarkt.“

Auch für Entwicklungen wie Assistenzsysteme sieht Eckert durchaus Platz im Sport. Die Datenanalyse würde eine immer wichtigere Rolle spielen, sagt er. Dennoch findet Eckert auch Reiz an völlig traditionellen Arten des Segelns: „Es ist spannend, den Sport mit Technologie an die Grenzen zu führen. Doch ich segle auch gerne völlig traditionell, etwa in einem Finn – ohne Bildschirme, nur mit Gefühl und Körperspannung.“

Dieser Artikel ist in unserer Juli-Ausgabe 2018 „Wettbewerb“ erschienen.

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Chefredakteur

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