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Während Wework die Coronakrise vielleicht nicht überlebt, hat sich sein größter Konkurrent besser aufgestellt: Der in der Schweiz ansässige Büroflächenvermieter IWG könnte die Pandemie nicht nur überleben, sondern danach voll durchstarten. Kein Wunder, denn Gründer und CEO Mark Dixon kennt sich mit Krisen aus.

Mark Dixon führt durch trendige Büroräumlichkeiten im Londoner Financial District – und hält inne, um eine schief stehende Holzwand geradezurücken. Kurz danach biegen wir in einen Meetingraum mit grandioser Aussicht auf die britische Hauptstadt ein. „Das ist unser neues Brookfield-Gebäude“, sagt Dixon, während er auf Wolkenkratzer blickt. Er zeigt auf drei verschiedene Hochhäuser und sagt: „Wir sind in allen dreien vertreten.“ Für jemanden, dessen Name nicht jedermann geläufig ist, ist Dixon omnipräsent. Seine in der Schweiz ansässige International Workplace Group (IWG), die früher unter dem Namen Regus bekannt war, mietet, entwickelt und vermietet flexible Büroräumlichkeiten. Mittlerweile tut das Unternehmen dies in 1.200 Städten in 110 Ländern der Welt. Die globale Reichweite macht Dixon zum größten Anbieter flexibler Arbeitsräume weltweit – viel größer und bekannter als Konkurrent Wework mit seinen 739 Räumlichkeiten in 140 Städten. Die Krise bei Wework rückte nun auch den Gründer, CEO und größten Aktionär von IWG – Mark Dixon – ins Scheinwerferlicht.

Mark Dixon
... brach die Schule mit 16 ab und fing seine unternehmerische Karriere mit einem Sandwich­lieferdienst an. 1989 eröffnete er seinen ersten flexiblen Büroraum – heute erzielt sein Unternehmen IWG mit diesem Geschäft 3,5 Milliarden US-$ Umsatz pro Jahr.

In der Coronakrise verlor IWG fast 75 % seines Aktienwerts. Als Forbes die World’s Billionaires List 2020 abschloss, schaffte Dixon mit 800 Millionen US-$ die Hürde nicht – nachdem er binnen einem Monat rund eine Milliarde US-$ verloren hatte. „Das ist eine Ausnahme­situation“, sagt Dixon. Denn unternehmensweite Homeoffice-Regelungen und Regierungen, die Sperrmaßnahmen verhängen, dämpfen die Nach­frage nach Büroflächen massiv.

Dixon bot seinen Vermietern veränderte Bedingungen an, verkündete die Aussetzung von Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufen. All diese Schritte sind Teil eines Plans, mit dem Dixon sicherstellen will, dass seine konservativ geführte Firma der Pandemie nicht nur standhält, sondern gestärkt aus ihr hervorgeht. Das kann aus zwei einfachen Gründen funktionieren. Erstens: Dixon kennt sich mit Krisen aus, nachdem er den Dotcom-Crash überlebt hat, der sein Unternehmen an den Rand der Insolvenz brachte. Seither führt er - und das ist der zweite Grund - ein strenges Regiment. Während Wework Wachstum um jeden Preis wollte und in den ersten neun Monaten des Jahres 2019 2,2 Milliarden US-$ Verlust schrieb, setzte der 60-jährige Dixon auf konservatives Wirtschaften. 2019 erwirtschaftete IWG einen Umsatz von 3,5 Milliarden US-$ und 180 Millionen US-$ operativen Gewinn. Das Unternehmen pumpte Kapital in Höhe von 515 Millionen US-$ in neue Standorte, kaufte Aktien im Wert von 65 Millionen US-$ zurück und zahlte den Aktionären Divi­denden in Höhe von 20 Millionen US-$ aus. Das Unternehmen hat etwa 90 Millionen US-$ an Cashreserven und nur wenig Verschuldung, was jedes Jahr zu einem starken Cashflow führt. Das stellt Dixon in einer Zeit, in der er es dringend braucht, auf eine starke Basis. „Ich bin ein para­noider Mensch“, sagt er. „Ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, ein Unternehmen zu führen. Man muss Chancen nutzen, aber paranoid sein, wenn alles schiefgeht.“

Dixon lernte seine Lektion auf die harte Tour. Als Sohn eines Ford-Ingenieurs im englischen Essex brach Dixon die Schule mit 16 Jahren ab, um einen Sandwich-Lieferservice zu gründen. Danach arbeitete er als Lexikonverkäufer und Holzfäller, bevor er 1989 – kurz vor seinem 30. Geburtstag – seinen ersten Shared Workspace in Brüssel schuf. „Man konnte Leute sehen, die an unterschiedlichsten Orten arbeiteten, aber ineffizient waren“, sagt Dixon heute. Seine Wette, dass Unternehmen Geld zahlen würden, um Zugang zu Arbeitsräumen auf der ganzen Welt zu erhalten, während ihnen jemand anderes den ganzen Aufwand abnimmt, zahlte sich aus. Doch das Unternehmen bleibt besonders anfällig für globale Schocks. „9/11, das SARS-Virus, die Schweinegrippe, ausbrechende Vulkane, Erdbeben, Zyklone, Schießereien: Was auch immer es ist, irgendwo haben wir es schon erlebt“, sagt der 60-Jährige. Doch der größte Schock war sicher der Dotcom-Crash. Dixon hatte IWG gerade in London an die Börse gebracht und begann eine Expansion in die USA, als die Technologieblase im Jahr 2000 zu platzen begann und die Nachfrage nach Büroflächen abstürzte. IWG verlor monatlich vier Millionen US-$, da Kunden scharenweise das Unternehmen verließen. Die Aktien rasselten in den Keller, die Marktkapitalisierung des Unternehmens fiel von 3,1 Milliarden US-$ auf 55 Mil­lionen US-$. „Wir starrten in den Abgrund“, erinnert sich der Unternehmer.

Dixon schickte sein US-Geschäft in die Insolvenz, um die Mietvertragsbedingungen mit seinen Vermietern neu verhandeln zu können, und verkaufte eine Mehrheitsbeteiligung an seinem Unternehmen an eine Private-Equity-Firma, um eine Umstrukturierung zu finanzieren. Im Jahr 2004, als die Bilanz wieder in Ordnung war, kaufte Dixon seinen größten Konkurrenten, Headquarter Global, auf, nachdem das Unternehmen selbst eine Insolvenz hinter sich hatte. Bald darauf kaufte Dixon auch seine Unternehmensanteile zurück. „Wir haben uns aus dem damaligen Loch herauskatapultiert“, sagt er heute. „Aber von da an hatten wir eine vorsichtige Einstellung zu Wachstum.“

Ich bin ein paranoider Mensch. Ich glaube, das ist die einzige Art, so ein Unternehmen zu führen.

In der Expansion machte er seine Vermieter zu Geschäftspartnern statt zu Lieferanten. In einigen Fällen erhalten sie von IWG einen Anteil an den Einnahmen oder Gewinnen einer Immobilie – im Austausch gegen günstigere Bedingungen. Mehr als ein Viertel der Pachtverträge von IWG sind somit variabel, was das Risiko mindert, indem die Vermieter von den Vorteilen profitieren, aber auch die Nachteile mittragen. Jüngst hat sich Dixon auch zum Franchising orientiert: Das System erlaubt es IWG, die globale Präsenz bis 2030 auf bis zu 50.000 Standorte auszuweiten – mit weniger Kapital und Risiko als bei einem Alleingang. 2019 schloss Dixon Deals ab, um seine Geschäfte in Japan, Taiwan und der Schweiz für rund 560 Millionen US-$ an Lizenznehmer zu verkaufen, und er hat 28 weitere Franchising­partner unter Vertrag genommen, um etwa in Deutschland oder Guyana zu expandieren.

Die meisten dieser Pläne sind aktuell aber auf Eis gelegt, da das Coronavirus die Weltwirtschaft und den Aktienkurs von IWG hart getroffen hat. Dixons große Kunden sind in der Regel jedoch große Konzerne wie die britische Bank HSBC sowie mittelständische Unternehmen, die Zugang zu Arbeitsplätzen auf der ganzen Welt suchen und langfristige Verträge abschließen.

Da Investitionen in neue Standorte, Renovierungen, Dividenden und Rückkäufe nun gestoppt sind, wird das vorhandene Geld dazu beitragen, das Unternehmen über Wasser zu halten, bis der Sturm sich legt. Die Größe und die Erfolgsbilanz von IWG werden es Dixon erleichtern, seine Mietverträge neu zu verhandeln und die Kosten weiter zu senken. „IWG ist ein sehr gut geführtes Unter­nehmen“, sagt Calum Battersby, ein britischer Analyst der deutschen Berenberg Bank. Das wird von entscheidender Bedeutung sein, da sich das Coronavirus am Ende als Segen erweisen könnte – zumindest für all jene, die lange genug überleben, um zu profitieren. Eine Studie von Zion Market Research prognostiziert, dass sich der Wert der Branche bis 2027 vervier­fachen wird. Laut Dixon passiert der Wandel bereits – „die aktuellen Ereignisse beschleunigen ihn nur noch weiter. Doch erst mal müssen wir diese Krise überstehen.“

Text: Chase Peterson-Withorn / Forbes US
Fotos: Levon Bliss / Forbes US

Der Artikel ist in unserer Mai-Ausgabe 2020 „Geld“ erschienen.

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