„Ich wollte keinen Trends folgen, ich wollte Trends schaffen“

Kozva Rigaud ist CEO und Gründerin der Künstleragentur Shotview, die Bildgestalter verschiedener Disziplinen repräsentiert: von der Fotografie über Filmregie bis hin zu Styling, Make-up und Hair sowie Casting. Mit Büros in Berlin, Paris und Wien bietet die Agentur eigenständigen Kreativen ein wertvolles Netzwerk.

Frau Rigaud, wie kamen Sie auf die Idee, Shotview zu gründen?
Ich bin in Lima, Peru, aufgewachsen, dort fand ich schon als Teenager Kontakte zur aktuellen Modern-Dance-Szene; nach Abschluss der Schule habe ich eine klassische Ausbildung am Mozarteum in Salzburg gemacht und bin dann nach New York gegangen. Nach meiner Ausbildung habe ich mir die Frage „Ist das alles?“ gestellt. Ich liebte das Tanzen, wollte aber mehr. Gerade als ich in New York begann, für Kompanien zu tanzen, wurde mir sehr schnell klar, wie hart das Leben als Tänzerin oder Choreografin ist. In New York ist es ohne zig Nebenjobs extrem hart, als Krea­tiver seinen Lebensunterhalt zu ­verdienen; die meisten haben zwei oder drei Jobs und kommen kaum über die Runden. Daher beschloss ich, mich im Bereich Kunstmanagement weiterzubilden, mein Traum war es, Kreative zu unterstützen.

Es machte für mich einfach keinen Sinn, dass Künstler weniger verdienen als alle anderen. Warum? Was machen wir anders? Was können wir besser machen? Weil ich mich für Künstlermanagement interessierte, schrieb ich mich für ein Marketingstudium ein und beschäftigte mich intensiv mit der Frage, wie ich Kreativität und Management für mich sinnvoll verbinden kann. Von da an vertiefte ich mich mehr und mehr in die Idee, dass es Menschen gibt, die nicht nur kreativ sind, sondern gleichzeitig auch diese Kluft zwischen dem Kreativen und dem Geschäftlichen über­brücken wollen. Als ich nach Österreich zurückkam, hatte ich einiges an Erfahrung und war be­reit, meine Ideen und Träume zu verwirklichen. Ich war immer sehr stark mit Fotografie und Film verbunden, aber auch mit Kunst und Kommunikation – meine besondere Passion lag schon damals in der Modeindustrie. Ich habe einige Zeit sehr erfolgreich bei Getty Images (eine der weltweit größten Bilddatenbanken bzw. Produzent von Bildern, Anm.) gearbeitet, dies ermöglichte es mir, einen fundierten Einblick in die Prozesse des Foto-Business zu erlangen. Das waren extrem spannende und lehrreiche Jahre. Danach habe ich am Beginn des Internetzeitalters einige Zeit im Bereich Marketing und Verkauf gearbeitet – dies war für mich eine wunderbare und wertvolle Erfahrung. Sie half mir, Selbstsicherheit zu gewinnen und meine Vision meiner Selbstständigkeit zu verwirklichen. Mit Fotografie, Kunst und Ausstellungen habe ich mich schon immer beschäftigt, und so habe ich schließlich meine Agentur gegründet. Für mich war ganz klar, dass visuelle Bildsprache in Zukunft mehr und mehr an Relevanz gewinnt, also mussten wir Platz für kreative Menschen schaffen, und das wollte ich aktiv gestalten. Ich wollte eine Brücke zwischen ­Fotografen und der Editorial-, Werbe- und Modewelt aufbauen. Ich sehe mich als Vermittlerin zwischen Künstlern und Kunden sowohl in der analogen wie auch der digitalen visuellen Welt.

Was sind die besonderen ­Herausforderungen und Freuden, die mit Ihrer Arbeit verbunden sind?
Wir vertreten Kreative aus den verschiedenen Gebieten der Fotografie, Filmemacher, Stylisten, Haar- und Make-up-Teams und auch Castingagenten. Wir bauen eine Beziehung zwischen Kreativen und Kunden auf. Hier ist es wichtig, dass jeder Künstler seine eigene visuelle Sprache entwickelt und ausbaut. Dabei helfen wir den Künstlern von Anfang an, eine für sie richtige und stimmige visuelle Sprache zu finden. Wie in jeder Beziehung müssen wir uns alle auch in der Arbeitsbeziehung immer und immer wieder hinterfragen, die Beziehung gegenseitig fordern und Ziele definieren und weiter­entwickeln. Besagtes Finden einer eigenen Sprache jedes Kreativen ist mir dabei sehr wichtig. Aus diesem Grund ist es mir persönlich ein großes Anliegen, dass jeder Künstler seinen ganz persönlichen visuellen Arbeitsstil entwickelt. Ich versuche, Überschneidungen zu vermeiden und zu ermöglichen, eine Mentorin zu sein, sodass jeder seinen eigenen Weg findet. Die Herausforderung ist genau das: den eigenen Weg zu definieren und das gemeinsam zu tun. Wenn dies gelingt, ist die Zusammenarbeit eine große Freude. Ich halte meinen Künstlern den Rücken frei, sodass sich alle möglichst um die kreative Umsetzung kümmern können.

Kann man sagen, dass die ­Ermöglichung dieser absoluten Freiheit Ihr Alleinstellungs merkmal als Agentur ist?
Für mich ist immer sehr wichtig, dass jedes Teammitglied seine eigene Stimme hat. So verstehe ich Kooperation in der Arbeitswelt – als absolute Freiheit in der individuellen Entwicklung. Ich selbst wollte keinen Trends folgen, ich wollte Trends schaffen. Ganz essenziell ist es, das beste Netzwerk an Kreativen aufzubauen, das ist meiner Meinung nach die allerwichtigste und auch eine sehr herausfordernde Aufgabe. Wir müssen gegenseitig wachsen und unsere Zusammenarbeit von Zeit zu Zeit hinterfragen, um auch wirklich Einzigartiges und Neues zu schaffen – und auf der anderen Seite auch die richtigen Aufträge für jeden einzelnen Künstler zu finden. Dieses Jahr durften wir die weltweite Kampagne von Balenciaga mit unserem Fotografen Daniel Roche fotografieren, das war natürlich für uns alle eine große Freude und die Abwicklung war eine wunder­schöne Erfahrung. Als wir dann für Kunden wie etwa Balenciaga, Louis Vuitton, Hermès sowie für Kunden aus der Wirtschaft wie die Deutsche Bank, Lufthansa oder Siemens gearbeitet haben, haben wir alle die Bedeutung der unterschiedlichen Stimmen stärker erkannt und sie auch zu schätzen gelernt. Ich möchte die Notwendigkeit hervorheben, das höchste Maß an Kreativität auf die richtige Art und Weise zu kanalisieren.

An diesem Punkt weist die Arbeit Ihrer Agentur eine Verbindung zu anthroposo­phischen Werten auf, richtig?
Genau. Wir identifizieren uns mit anthroposophischen Werten, die sich mit der Weiterentwicklung von Mensch und Geist beschäftigen. Wir verstehen, dass wir uns selbst mit genau diesem Drang verändern müssen.

Was war entscheidend für den Erfolg von Shotview?
Ich habe ein fantastisches Team. Die Teammitglieder sehen, dass das Schöne an der visuellen Sprache und deren Vokabeln ist, dass sie universal verständlich ist beziehungsweise sind. Wie schon zuvor erwähnt: Es ist ganz wichtig, immer neue Stimmen in unseren Chor von Shotview aufzunehmen – dies ist ein permanentes Wachsen und Lernen.

Wie können Bilder dieses Ziel im Vergleich zum geschriebenen Wort erreichen?
Wir haben uns von Anfang an als visueller Storyteller verstanden, denn es war von Anfang an klar, dass die visuelle Welt beziehungsweise Sprache immer wichtiger wird und mehr und mehr zur vorherrschenden Art der Kommunikation wird. Das sieht man in allen Medien, nicht nur in den klassischen Medien wie Print-Zeitschriften und Filmen, sondern auch in neuen Kommuni­kationsformen wie Social Media; Tiktok, Instagram, Facebook. So sehen wir immer wieder eine neue Sprache, neue Wörter, neue Kommunikationswege, die diese Platt­formen geschaffen haben.

Was ist für Sie Kunst?
Kunst ist für mich etwas, das aus dem Innersten eines Menschen heraus entsteht – von keinem Auftraggeber. Sie ist keine Auftragsarbeit, sondern etwas, das aus einem inneren Drang entsteht und uns als Betrachtern einen neuen Kosmos präsentiert und eröffnet. Um die Begrifflichkeiten gut und sauber getrennt zu halten: Für die Vermittlung von Künstlern zu Sammlern oder Museen gibt es Galeristen und Kunsthändler als Vermittler; wir als Shotview sehen uns als Vermittler von Kreativen im angewandten Kunstbereich – will heißen: Unsere Künstler erschaffen hochgradig kreative Arbeiten für die Auftrag­geber. In Produktionen für Edi­torial-Arbeiten oder Zeitschriften, analog wie digital, ist die Freiheit für die Fotografen eine sehr große und wir als Agentur fördern und fordern dies sehr stark.

Wie haben sich die kreativen visuellen Medien in den ver­gangenen Jahren verändert?
Wir haben gesehen, dass die Digitalisierung in der Fotografie in vielerlei Hinsicht eine revolutionäre Entwicklung ist. Man kann heute gut erkennen, dass alle Medien in Bewegung geraten sind, durch Tiktok, Instagram, Facebook. Analoge Zeitschriften haben nicht mehr die Reichweite der vergan­genen Jahre. Wir nehmen diese Entwicklung mit großer Freude auf – das heißt, wir sind auch Teil des Aufbruchs und Umbruchs. Die Digitalisierung ist ein riesiges Thema und vor allem eine riesige Chance, und ich denke, dass die ­Kreativität durch diese Entwicklung stark profitiert. Eine starke Demokratisierung ist zu beobachten: Jeder kann Content entwickeln, die finanziellen Eintrittshürden sind nicht mehr so hoch wie noch vor einigen Jahren. Das sehe ich als riesige Chance und kreative Weiterentwicklung. Das Produzieren von Visual Content ist auf der einen Seite viel einfacher geworden –
auf der anderen Seite hat sich die Distribution der Inhalte total auf den Kopf gestellt.

Kozva Rigaud ist die ­Gründerin und Geschäftsführerin von Shotview, einer Agentur, die Kreative aus den verschiedensten Bereichen unterstützt. Sie ist ehemalige Tänzerin, absolvierte eine klassische Ausbildung am Mozarteum in Salzburg und verbrachte dann einige Zeit in New York, bevor sie ihre Agentur gründete.

Fotos: Peter Rigaud

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Redakteurin

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