Im Aufbruch

2014 gründete Maha Shirah einen Coworking Space in Riad, Sheworks, nur für Frauen. Die 39-Jährige war dabei maßgeblich an der Erstellung von Standards für Start-up-Gründungen in Saudi-Arabien beteiligt.

Ein Platz, wo Ideen entstehen, Unternehmen gegründet werden und Menschen sich vernetzen: Die Zahl der Coworking Spaces weltweit steigt rapide. Laut dem Datenanbieter Statista waren es im Jahr 2013 weltweit mehr als 3.400 an der Zahl – zwei Jahre zuvor waren es nur halb so viele gewesen. Vier Jahre später, im Jahr 2017, liegt die Zahl bereits bei 15.500. Die Schätzungen für das Jahr 2018 erreichen fast die 19.000er-Marke.

Mittendrin: Maha Shirah mit ihrem Start-up Sheworks, einem Coworking Space nur für Frauen und mitten in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad. Durch die „­Vision 2030“, ein milliardenschweres Wirtschaftsprogramm der ­saudischen Regierung, befördert, soll sich das Königreich zu einem modernen Technologiestandort entwickeln. Maha Shirahs Coworking Space trifft also den Nerv der Zeit und spiegelt die Dynamik einer sozioökonomischen Aufbruchsstimmung wider.

Bislang, erzählt Shirah aus ihrer Heimat, wurden im Königreich Saudi-Arabien nahezu ausschließlich Coworking Spaces internationaler Unternehmen betrieben; es gab nur wenige saudische Gründungen in diesem Bereich, vor allem ­keine, die sich ausschließlich den Bedürfnissen saudischer Frauen ­widmeten.

Das Ziel von Sheworks sei es, so Shirah, Frauen neue Möglichkeiten zu eröffnen, selbstbestimmt über ihre Karriere oder die Gründung eines eigenen ­Unternehmens zu entscheiden. Shirah hat es sich dort zur Aufgabe gemacht, poten­zielle Gründerinnen zu coachen und diese auf das Unternehmertum vorzubereiten sowie sie dabei zu ­begleiten. Die durch den wirtschaftlichen Umbruch ­beförderte Gründerwelle in der jungen Bevölkerung – das Durchschnittsalter in Saudi-Arabien beträgt 27 Jahre – benötige, so Shirah weiter, intensive Beratungsleistung, um eine nachhaltige junge Wirtschaftsszene im Land zu fördern.

Maha Shirahs erste Frage als Beraterin gilt deshalb immer der Geschäftsidee – die zweite stets der Leidenschaft: „Ich ermutige ­Frauen, in dem, was sie tun, auch ihre Leiden­schaft zu finden. Ansonsten werden ihre Unternehmen nur wie andere Jobs, die auf lange Frist einfach langweilen.“

Maha Shirah
…ist Gründerin von Sheworks, einem Coworking Space in Riad, Saudi-Arabien. Nach einigen Jahren im Bankensektor und Erfahrungen als freiberufliche Fotografin setzte die zweifache Mutter im Dezember 2014 ihre Idee eines auf Frauen zugeschnittenen Coworking Spaces um.

Ein kurzer Rückblick: Noch bevor Maha Shirah als Start-up-Gründerin ­durchstartete, war sie in unterschiedlichen Funktionen im Bankensektor tätig. Zwischen den Geburten ihrer beiden Söhne nahm sie sich eine Auszeit und absolvierte einen MBA an der Prince-Sultan-Privatuniversität in Riad. In den Folgejahren zog sie wegen eines Physikstipendiums ihres Mannes Mostafa nach Kanada und machte ihr Diplom in digitaler Fotografie am Center of Arts and Technology, heute da Vinci College, in Halifax und probierte sich als freiberufliche Fotografin aus.

Zurück in Riad arbeitete Shirah weiter im Bereich Fotografie. Immer wieder traf sie auf ­andere Mütter, die ebenfalls als Freelancer tätig waren und Schwierigkeiten hatten, einen Ort zu finden, um Treffen mit ihren Kunden und Partnern zu organisieren. „Die üblichen Coworking Spaces waren ‚Men’s Clubs‘. Dort entstanden die ­besten Deals“, so Shirah über die Idee, ­etwas ebenso Formales und Pro­fessionelles für Frauen auf die ­Beine zu stellen.

Über die Anfänge von Sheworks erzählt die ­Unternehmerin enthusiastisch, dass die Gründung vor allem wegen des positiven Zuspruchs ihrer Familie und ihrer laut eigenen Angaben „überdurchschnittlichen Durchsetzungsfähigkeit“ – dabei lacht sie – so gut funktioniert habe: „Ich war motiviert, finanziell und emotional bereit, so ein großes Projekt anzugehen.“

Nach Marktanalysen und Durchführbarkeitsstudien, ob die Idee in Riad überhaupt ­umsetzbar wäre, stieß Shirah auf ein ­neues Problem. Die Richtlinien für ­einen Coworking Space für Frauen ­waren nämlich zur Zeit der Gründung von Sheworks im Dezember 2014 sehr vage, so die Gründerin. Denn die Neuartigkeit des Projekts warf in Saudi-Arabien neue Fragen auf. Durch viele Prozesse wurden so Richtlinien und Standards für Gründungen von Coworking Spaces entwickelt.

Die 39-jährige Sheworks-Gründerin Maha Shirah sieht neben der vernünftigen Geschäftsidee vor allem die Leidenschaft als Erfolgsfaktor für Unternehmerinnen.

Vier Jahre sind seither vergangen, und das Start-up ­konnte sich gut behaupten: Seit der Gründung 2014 konnte Shirah, so sagt sie, 56 Start-ups gut auf den Weg bringen. „Mehr als 600 Frauen habe ich dafür persönlich beraten“, so Shirah; auf Nachfrage zur Höhe der Investitionssumme in Sheworks hält sich die 39-Jährige bedeckt. Das Büro von Sheworks besteht aus mehreren ­Arbeitsplätzen und ­Meetingräumen. Die ­Arbeitsplätze ­werden nur an Frauen ­vermietet, die Meetingräume stehen ­beiden Geschlechtern zur Verfügung, um neue Geschäftskontakte und Ideen zu ­ermöglichen. Ein besonders wichtiger Aspekt für Shirah war, dass Frauen, die Arbeitsplätze bei Sheworks mieten, sich wohlfühlen sollen und ihren Schleier ablegen können. Ein weiterer Aspekt war der ­Standort im Viertel Ar Rabi in Riad, der durch die nahe gelegene Kindertagesstätte Mütter entlasten und im Zeitmanagement unterstützen soll. Eine gesunde Balance zwischen ­Berufs- und Privatleben legt sie all ihren Kundinnen aus eigener Erfahrung persönlich nahe: „Ich habe Kinder, die ihre Mutter abends zu Hause haben möchten, damit sie sie ins Bett legen kann.“

Das Familienleben sehe sie ebenfalls als ihre Aufgabe, sagt sie, und es stehe ganz und gar nicht im Widerspruch dazu, als Frau neue Wege zu beschreiten. „Ich bin in ­einer traditionellen Familie mit vielen Buben aufgewachsen und habe mir niemals sagen lassen, dass ich etwas nicht kann, weil ich ein Mädchen bin.“

Die Zukunft ihres eigenen ­Unternehmens sieht Shirah im ­Digitalen. Eine virtuelle Plattform zum Austausch von Ideen, und um neue Partner zu akquirieren, wäre für sie ein nächster guter Schritt. Ein weiterer Standort für das Unternehmen sei bereits in Planung: „Um Sheworks an anderen Orten umzusetzen, suche ich aktuell Partner, die aus diesen Regionen stammen und die Kulturen dort auch verstehen. Denn die kulturellen Unterschiede sind innerhalb Saudi-Arabiens viel größer, als man vermuten würde.“

Text: Mona Saidi

Dieser Artikel ist in unserer November-Ausgabe 2018 „Europa“ erschienen.

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