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Kunststoffe sind hochwertige Werkstoffe, meistens die nachhaltigere Variante. Die Lösung für eine nachhaltigere Zukunft liegt in der Kreislaufwirtschaft. Ein Gastkommentar von Alfred Stern, CEO Borealis.
Die Weltbevölkerung wächst kontinuierlich. Prognosen der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass die Zahl der Menschen bis 2050 auf neun Milliarden steigen wird: Das sind beinahe zwei Milliarden mehr als heute. Erfreulicherweise steigen auch die verfügbaren Einkommen, und viele Menschen in Schwellenländern werden in die weltweite Mittelschicht aufsteigen. Gegen Mitte des Jahrhunderts wird der Großteil der Menschen in Städten leben, womit der Druck auf die Nahrungsmittel-, Wasser- und Energieressourcen steigt. Der Bedarf an Werkstoffen im Allgemeinen und an Kunststoffen im Speziellen wird weiter steigen. Soviel zum Zukunftsszenario – aber wie packen wir das an?
Zuallererst: Kunststoffe sind entgegen aller Einwände und dem berechtigt kritischen Blick auf das „Einweg-Plastiksackerl“ ein ökoeffizienter Werkstoff. Der Einfluss von Kunststoffen in Form innovativer Produktlösungen ist überaus positiv.
Keine Energiewende ohne Kunststoffe
Unser gesamtes Energienetz ist angewiesen auf sehr langlebiges, witterungsbeständiges Kunststoffmaterial, das höchste Sicherheitsstandards erfüllt. Ohne Kunststoffe sind weder Wind- noch Photovoltaik-Anlagen, die wettbewerbsfähig Strom produzieren, denkbar. In beiden Anwendungen sparen Kunststoffe das Hundertfache der Emissionen ein, die zu ihrer Fertigung produziert wurden. Rotorblätter werden heute vollständig aus faserverstärkten Kunststoffen, die der mechanischen Dauerbelastung eines Rotors dieser Größe standhalten können, gefertigt. Die nachhaltig erzeugte elektrische Energie wird durch Kunststoff-isolierte Kabel in Form von Hoch- und Höchstspannungs-Gleichstromübertragung transportiert. Anschließend wird sie in Batterien und Kondensatoren, die zu wesentlichen Teilen aus Kunststoffen bestehen, gespeichert.
Alfred Stern
... ist seit Juli 2018 Vorstandsvorsitzender des österreichischen Chemie- u. Kunststoffkonzerns Borealis. Seit 2012 war er Vorstandsmitglied für den Bereich Polyolefine und Innovation & Technologie. Er hat einen PhD in Material Science und einen Master in Polymer Engineering und Science, beide von der Montanuniversität in Leoben.
Funktional und bedeutsam für die moderne Welt
Auch in anderen Bereichen des täglichen Lebens vertrauen wir auf hochwertige Kunststoffe. Im medizinischen Bereich sind Kunststoffe im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtig, denn: Alle 90 Sekunden wird in Österreich laut dem Roten Kreuz eine Blutkonserve benötigt –pro Tag sind das etwa 1.000, pro Jahr insgesamt 350.000 Konserven. Zu Blutkonserven und Infusionsbeuteln aus sterilem Kunststoff gibt es kaum sinnvolle Alternativen. Das wichtigste Lebensmittel von allen – Trinkwasser – steht heute auch dank Kunststoff-Rohrleitungen immer mehr Menschen sauber, zuverlässig und bezahlbar zur Verfügung. Verpackungen aus Kunststoff sorgen für längere Lebensmittelhaltbarkeit, stellen den Zugang zu hygienisch einwandfreien Nahrungsmitteln sicher und reduzieren das Aufkommen von Lebensmittelabfällen. Leichtbau und die damit verbundene Treibstoffreduktion ist im Automobilbereich ein brandaktuelles Thema. Insbesondere in Zeiten des menschgemachten Klimawandels, in denen unsere Aufmerksamkeit der Einsparung von CO2-Emissionen gelten muss, ist Leichtbau durch innovative Kunststofflösungen ein entscheidendes Mittel.
Von linear zu zirkulär: Die Kreislaufwirtschaft
Die negativen Aspekte von Kunststoff, die vor allem mit der unzureichenden, falschen oder gar nicht durchgeführten Entsorgung von Kunststoffprodukten zusammenhängen, lassen sich am besten durch einen raschen und umfassenden Wandel hin zur Kreislaufwirtschaft lösen. Wenn das aktuelle lineare Wirtschaftsmodell („Produktion – Nutzung – Entsorgung“) bestehen bleibt, werden die Müllberge wachsen – unabhängig vom Werkstoff, der eingesetzt wird. Die Kreislaufwirtschaft hingegen ermöglicht die Verbrauchsreduktion von Primär-Rohstoffen und damit einhergehend die Senkung der CO2-Emissionen.
Der Übergang zu einer globalen Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe ist möglich. Je früher wir uns auf eine echte Kreislaufwirtschaft einstellen, desto positiver wird sich das auf unser wirtschaftliches Wachstum, auf die Umwelt und auf die gesamte Gesellschaft auswirken.
Die Weltwirtschaft funktioniert laut einer aktuellen Studie der holländischen Plattform „Circle Economy" zu 9,1 % zirkulär. Der Grad der Kreislaufwirtschaft für Österreich beläuft sich branchenübergreifend auf 9,7 % – also nur geringfügig mehr. Das Potential wird trotz des heimischen Know-hows bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Der Übergang von einer linearen zu einer Kreislaufwirtschaft erfordert die Zusammenarbeit vieler verschiedener Partner – nicht nur innerhalb der Branche.
Probleme werden in der Regel nicht durch Verbote gelöst, sondern durch smarte Lösungen. Verbote tragen nicht zu einer nachhaltigen Lösung bei, sie sind – im Gegenteil – eher hinderlich für neue Ideen. Besser ist es, die langfristigen Ziele konkret vorzugeben, den Weg zu diesen Zielen aber offen zu lassen, um die volle Wirksamkeit des Wettbewerbs und der Innovation zu gewährleisten. Auch nationale Alleingänge bringen uns keinen Schritt weiter. Es braucht eine vereinheitlichte, konstruktive Gesetzgebung auf europäischer und internationaler Ebene und einen Schulterschluss, bei dem die gesamte Kunststoff-Wertschöpfungskette partnerschaftlich zusammenarbeitet.
Gemeinsam in eine nachhaltige Zukunft
Es liegt an jedem Unternehmen selbst, Innovation zuzulassen und Kooperationen einzugehen. Borealis setzt sich aus Überzeugung für die Kreislaufwirtschaft in der Branche ein, indem wir Initiativen wie „ A Line in the Sand“ der Ellen MacArthur Foundation unterstützen und Plattformen für Recycling-Lösungen wie „EverMinds™“ schaffen. Mithilfe dieser Kommunikationsplattform – der ersten ihrer Art in der Branche – können wir gemeinsam mit unseren Kunden und unseren Partnern entlang der Wertschöpfungskette konkrete Maßnahmen setzen, um die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in größerem Maßstab in der Industrie zu implementieren. Das Problem der Meeresverschmutzung muss direkt an der Quelle angegangen werden. Aus diesem Grund haben wir das Projekt STOP mitgegründet, das mit Stadtregierungen in Indonesien zusammenarbeitet, um effektive Kreislaufsysteme vor Ort zu etablieren.
Die spezifischen Herausforderungen, denen sich verschiedene Regionen auf der ganzen Welt gegenübersehen, mögen sich unterscheiden. Letztendlich ist das Ziel jedoch dasselbe: das System kreisförmiger und weniger verschwenderisch zu gestalten, um zu verhindern, dass Abfall überhaupt entsteht. Die Kreislaufwirtschaft verfügt über das Potential, verkrustete Strukturen in der Branche aufzubrechen. Alles, was wir heute tun, ist darauf ausgerichtet, die Kreislaufwirtschaft der Kunststoffe von morgen zu etablieren. Das ist nicht nur – altruistisch gesehen – der richtige Weg in Richtung Nachhaltigkeit, sondern auch eine konkrete Chance für Unternehmen zu wachsen.
Gastkommentar: Alfred Stern
Opinions expressed by Forbes Contributors are their own.
Über Borealis
Borealis begann als europäischer Hersteller von Polyolefinen mit einem kleinen Joint Venture in Abu Dhabi. Heute ist das Unternehmen ein global agierender Anbieter innovativer Lösungen in den Bereichen Polyolefine, Basischemikalien und Pflanzennährstoffe. Die Konzernzentrale befindet sich in Wien, das Innovation Headquarters in Linz. Das Werk in Schwechat ist eine der modernsten Kunststoffproduktionsstätten Europas. Das Unternehmen betreibt Produktionsstätten in Belgien, Brasilien, Frankreich, Finnland, Deutschland, Italien, Schweden, den Niederlanden, USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten, und ist weiter auf Wachstumskurs. Im Jahr 2018 erwirtschaftete Borealis Umsatzerlöse von EUR 8,3 Milliarden.
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