Ist KI die bessere Führungskraft?

Chat GPT, das Tool des US-Unternehmens Open AI, an dem unter anderem Microsoft beteiligt ist, macht die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz mittlerweile auch schon für Nicht-­Digitalexperten greifbar – und lässt am Horizont erkennen, wohin die KI-Reise gehen könnte. Ein Aspekt wurde in der öffentlichen Diskussion bisher aber eher ausgeklammert: Führungs­aufgaben sind auf den ersten Blick kaum vom Vormarsch maschineller Intelligenz bedroht. Aber ist das wirklich so?

Wie könnte der Einsatz von KI konkret aussehen? Künstliche Intelligenz ist ein Tool – nicht mehr und nicht weniger. Im Bereich Finanzen bietet der Einsatz von KI viele Möglich­keiten, weil oftmals sperrige Datensätze aus­gewertet werden müssen. Dennoch ist Erfahrung, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, unersetzlich. Maschinen helfen im Bereich HR – sie lesen Lebensläufe und Motivationsschreiben; sie sind weniger voreingenommen als Menschen. Am Ende braucht es in diesem Bereich aber menschliche Entscheidungen; auch, weil die „Chemie“ passen muss.

KI kann bei jeglicher Kommunikation helfen. Zumindest die Vor- und Aufbereitung der Grundlagen kann eine KI übernehmen, etwa die Analyse von Kundendaten. Doch die Kom­munikation selbst muss von Führungskräften aus­gehen. Über­all dort, wo es um zwischen­menschliche Beziehungen, Vertrauen oder Wertschätzung geht, werden Menschen unersetzlich bleiben – denken Sie etwa an Mitarbeiter- oder Verkaufsgespräche.

Pandemie, Wirtschaftskrise oder Krieg: Auch in Krisenlagen wird die KI ein Tool bleiben, das unter anderem früh vor etwaigen Gefahren war­nen kann. Doch welche Schlüsse daraus gezogen werden und wie die Krisenkommunikation abläuft, das bleibt Führungskräften aus Fleisch und Blut vorbehalten. Manchmal braucht es eine paradoxe Inter­vention, also eine Entscheidung, die genau das Gegenteil von dem ist, was normalerweise in einer derartigen Situation zur Anwendung kommt – einfach, um die Scheuklappen des täglichen Lebens abzulegen und wieder bereit für Neues zu sein. Da bin ich gespannt, wie das eine KI bewerkstelligen soll.

Furcht vor KI ist jedenfalls nicht angebracht. Schon bei der Einführung der Computer war es ähnlich – es gibt keinen Weg zurück, nun geht es um den sinnvollen Einsatz und die Gestaltung nach eigenen (menschlichen) Wünschen. Wir haben als Menschen so viele Aspekte, die uns gegenüber Maschinen überlegen machen.

Der zukünftige Einsatz von KI spielt vor allem für uns Europäer eine große Rolle. Europa könnte in diesem Feld einen differenzierten Zugang finden und sich dabei von den USA und China abheben – nicht die „The winner takes it all“-Mentalität und nicht den völligen Über­wachungsstaat, sondern die Mitarbeiter ins Zentrum stellen; für eine Technologie, die dem Menschen dient und nicht umgekehrt. Mit dem Stichwort Corporate Digital Responsibility geht es darum, neue Techno­logien zu nutzen und zugleich den eigenen Werten zu folgen. Und genau hier kommt menschlichen Führungs­kräften eine ­zen­trale Rolle zu.

Barbara Stöttinger ist Dekanin der WU Executive Academy und Professorin am Institut für International Marketing Management der WU. Vor ihrer Zeit an der Universität war sie im Marketing eines internationalen Konsumgüterherstellers (Consumer Electronics) und in der Beratung tätig.

Illustration: Valentin Berger

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