James Webbs teure Suche nach Antworten

Millionen Zuschauer warteten am 25. Dezember 2021 gespannt vor ihren Bildschirmen, um den Start der europäischen Trägerrakete Ariana-5 mitzuverfolgen. Sie transportiert eines der teuersten und wichtigsten Weltraumprojekte seit den Apollo Missionen: das James Webb Teleskop. Mit 344 Punkten, an denen die gesamte Mission scheitern könnte, lässt der Start die Stream-Zuschauer und die NASA-Mitarbeiter angestrengt mitfiebern. Denn jenes Weltraumteleskop soll zukünftig die großen Fragen des Universums beantworten können.

Das große Teleskop mit dem charakteristischen goldenen Primärspiegel hat seine Reise und seinen langen Flug von über 1,5 Millionen Kilometer mit Ende Jänner gut überstanden. Über einen Liveticker konnten Fans des James Webb Teleskops (kurz JWST) alle wichtigen Schritte zu dessen Aufbau mitverfolgen. Vom Ausklappen des Sonnensegels bis zur Fertigstellung des Primär- und Sekundärspiegels. Diverse Computeranimationen hielten den Astronomie-Begeisterten stets auf dem Laufenden. Wann kann man also auf die ersten Bilder hoffen? Einsatzbereit soll das JWST erst im Juni 2022 sein. Ungefähr sechs Monate braucht es für das Ausklappen von dem  Equipment und zum Kalibrieren der elektronischen Komponenten. Doch welche Bilder und Informationen erhoffen sich die Wissenschaftler überhaupt?

Viele Menschen erwarten vom JWST, dass es neue bewohnbare und erdähnliche Planeten findet. Seine Hauptaufgabe besteht aber darin, die ersten Sterne, welche kurz nach dem Urknall entstanden sind, zu entdecken. Diese sollen im sogenannten dunklen Zeitalter des Universums entstanden sein (vor ungefähr 13,5 Milliarden Jahren). Darüber hinaus erwarten sich die Wissenschaftler neue Informationen zu der Strukturbildung unseres Universums. Bis jetzt weiß man, dass sich Sonnensysteme in Galaxien befinden und unser Universum aus vielen Galaxien besteht; doch wie schaut es dahinter aus? Ist das Universums der größtmögliche Überbegriff oder gibt es eventuell mehrere davon? Und wie genau sind die einzelnen Galaxien angeordnet?

Das James Webb Teleskop soll diese Fragen vor allem durch seine verbesserte Empfindlichkeit für elektromagnetische Wellen beantworten. In der Astronomie ist es nämlich wichtig, die Rotverschiebung von Himmelskörpern zu bestimmen. Die Rotverschiebung entsteht, wenn sich das absorbierte Licht eines leuchtenden Körpers weiter von der Beobachtungs-Quelle entfernt. Vereinfacht  gesagt: Bewegt sich ein Stern weg von uns, so ist das Licht, welches er ausstrahlt, ins Rote verschoben. Dies bedeutet, dass das sichtbare Licht  näher an jenen Spektralbereich rückt, der von Menschen als rotes Licht wahrgenommen wird. Das JWST ist 100-mal empfindlicher für diese Wellenlängen als das Hubble Teleskop und untersucht dabei hauptsächlich Wellenlängen von 0,6 bis 28 µm, also genau den roten und Infraroten Bereich. Außerdem kann das Infrarote Licht, viel einfacher große kosmische Staubwolken durchdringen als zum Beispiel, das Ultraviolette Licht. So ist es für das JWST um einiges einfacher hinter den astronomischen Nebel zu blicken.

Große und vor allem neue technologische Entwicklungen bringen meistens einige „points of failure” mit sich, also Punkte an denen die gesamte Mission scheitern könnte. Das James Webb Teleskop hat 344 solcher „points of failure”. Das ist eine Menge. Zum Vergleich: Die Galileo-Sonde, die in den 1980er Jahren mit der NASA zum Jupiter geschickt wurde, hatte etwa 30 und eine Landung am Mars hat ungefähr 100 points of failure. Thomas Zurbuchen, stellvertretender NASA-Administrator für das „Science Mission Directorate” äußert sich dazu in einem Blog Post:  „Diejenigen, die darüber nicht besorgt oder sogar entsetzt sind, verstehen nicht, was wir versuchen zu tun.” Einer der größten Schwierigkeiten in der Entwicklung des JWST und ein Ort mit besonders vielen points of failure, ist das Sonnensegel. Dieses ist knapp 280 Quadratmeter groß und soll das Teleskop von der gefährlichen Infrarotstrahlung der Sonne schützen. Seine fünf dünnen Schichten aus Kapton, einem silbrig-leichten Material mit besonderen thermischen Eigenschaften, werden einen Temperaturunterschied von etwa 316 °C zwischen der warmen Seite, die der Erde zugewandt ist, und der kalten Seite, die dem Teleskop zugewandt ist, erzeugen. Hätte sich das dünne Segel nicht korrekt ausgeklappt, so wäre es zu einer Vielzahl an anderen Problemen gekommen.

Eine Aufnahme vom Hubbel Teleskop. Eindeutig zu sehen: eine Art Nebel, hinter dem sich Sterne verbergen.

Vielleicht wurde genau deshalb das JWST über 30 Jahre lang entwickelt und sein Start ins All mehrfach verschoben. Ursprünglich war dieser 2007 geplant, doch aus diversen technischen und finanziellen Gründen, konnte der Start damals nicht stattfinden. Letztendlich ist Ariana 2021, 14 Jahre nach dem ursprünglichen Startdatum, abgehoben. Gekostet hat das ganze satte 10 Mrd US-$. Die ursprünglich geplanten 3 Milliarden US-$ wurden 2011 schon überschritten und stiegen ab dann, 10 Jahre lang kontinuierlich an. Das JWST ist damit das teuerste wissenschaftliche Projekt in der unbemannten Raumfahrt. Insgesamt soll es 10-15 Jahre operieren, bevor dem Teleskop der Treibstoff ausgeht.

Ob sich die jahrelange Entwicklung ausgezahlt hat, wird sich noch zeigen. Im Moment werden die einzelnen hexagonalen Platten des Primärspiegel ausgerichtet, um später eine optimale Bildqualität zu erhalten. „Die ersten Bilder werden auf jeden Fall nicht schön werden!”, so die NASA. Ob diese dennoch veröffentlicht werden, ist noch unklar. Nach fast 30 Jahren Entwicklung und 10 Milliarden US-$ machen ein paar Monate warten aber keinen Unterschied mehr.

Text: Lela Thun
Fotos: NASA

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Redakteurin

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