Jenseits der Komfortzone zu hause

Der Sprung ins Unbekannte ist für Maeve Metelka Teil ihres Berufs. Aktuell ist die Schauspielerin fester Bestandteil des Berliner Ensembles, einer der bekanntesten Bühnen der deutschen Hauptstadt. Zwischen Wien und Berlin legt sie den Grundstein für eine Karriere, die gerade erst an Fahrt gewinnt.

Maeve Metelkas Lieblingsort, um Menschen zu beobachten, ist die Berliner S-Bahn – allerdings so ­unauffällig wie möglich und ohne zu werten. So sollte sie es in einem ­ihrer Kurse an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch tun. „Man sieht hier so viel. Berlin ist einfach riesig, und die S-Bahn verbindet alles miteinander“, sagt Metelka.

2019 ist die Wienerin in die deutsche Hauptstadt gezogen, wo sie seit September festes Mitglied des Berliner Ensembles ist. An bis zu 15 Abenden im Monat steht
Metelka auf der Bühne, aktuell spielt sie in fünf Produktionen mit. Wer den Theaterbetrieb kennt, weiß ­allerdings: Es kann jederzeit anders kommen. So wie unlängst, als die Schauspielerin kurzfristig für eine Kollegin eingesprungen ist – und für sie auf der Bühne stand, während ihr über einen Knopf im Ohr der Text souffliert wurde. Eine ­Herausforderung, aber: „Mit diesen kleinen Erfolgen lernt man: Es zahlt sich aus, sich auf Sachen einzu­lassen, die Mut erfordern“, so Metelka. Trotz ihres festen Engagements am Berliner Ensemble ist der Sprung ins kalte Wasser Teil ihres (Berufs-)­Alltags – mit jeder neuen Rolle ist die Schauspielerin mit dem Unbekannten konfrontiert. Und das findet Metelka auch gut so: „Ich glaube, es wird langweilig, wenn man das nicht mehr so sieht.“

Zumindest das Wirkungsfeld Theater ist Metelka vertraut. Sie stammt aus einer Theater- und Künstlerfamilie: Die Groß­eltern standen als Opernsänger auf der Bühne, Metelkas Eltern sind als Schauspieler erfolgreich. Sie ist sehr dankbar dafür, von den Erfahrungen ihrer Eltern zu profitieren und sie an andere weitergeben zu können, sagt sie, manches möchte sie aber anders machen. Dazu gehöre der Umzug nach Berlin. „Ich wollte wissen, wie es ist, woanders zu ­leben“, erklärt Metelka, „und auch einmal auf mich allein gestellt sein.“ Die deutsche Bundeshauptstadt ­erschien ihr wie der logische Ort ­dafür: Viele Darsteller ziehen von Berlin nach Wien und umgekehrt, erzählt die Schauspielerin. Außerdem genieße die Ernst-Busch-Hochschule den Ruf, eine handwerklich sehr gute Ausbildung zu bieten. „Wien ist eine wunderschöne Stadt“, sagt Metelka, „trotzdem habe ich das Gefühl, es tut jedem gut, einmal rauszukommen.“

An Theaterprojekten mit­gewirkt hat sie schon in der Schule. So richtig gezündet habe der Entschluss, Schauspielerin zu ­werden, aber erst mit 16, 17 Jahren, so ­Metelka. Ein Jahr nach dem Schul­abschluss hat sie sich um Aus­bildungsplätze an Schauspiel­schulen im deutschsprachigen Raum beworben, auch in Wien.
„Ich habe dann aber gemerkt, dass es ganz gut für mich ist, wenn ich nach Deutschland gehe“, sagt sie.

Für ihre Rollen schlüpft Maeve Metelka in verschiedenste Charaktere. Aktuell ist sie in der Bühnenfassung von Ingeborg Bachmanns „Malina“ zu sehen.

Mit dem Start der Ausbildung sei ihr klar gewesen, dass sie sich erst einmal vollends der Schauspielerei verschreibt. „Ich bewundere Schauspieler, die sich auch ein zweites Standbein suchen“, sagt sie. Am Anfang der Karriere sieht sie aber viele Vorteile darin, sich auf das Schauspiel zu fokussieren. Maria ­Stuart, Lady Milford: Metelka kann vor ­allem Frauenrollen in der Literatur viel abgewinnen – und findet, dass die Vielfalt der Probleme und Themen, die es auf die Bühne schaffen, noch größer sein könnte. „In unserer Gesellschaft denken Menschen so unterschiedlich und sprechen es dann trotzdem gleichförmig aus“, so Metelka. Das Theater sei viel ­archaischer: Der direkte Konflikt stehe im Vordergrund, jede Aktion auf der Bühne sei auch eine Reaktion auf die Mitspielenden.

Am besten gefällt Metelka aber, dass sie als Schauspielerin Stück für Stück den Inhalten der Bühnenstücke auf den Grund geht. Während man beim ersten Durchlesen der Texte noch neu in der Materie sei, verstehe man den Stoff wenige Probewochen später von Grund auf. Metelka empfindet das als großes Geschenk, sagt sie. Oft werde sie gefragt, wie sie sich die Unmengen an Text einprägt. Dass sie immer und immer wieder über den Inhalt gehe, sei dahin gehend das eine; das andere sei das Körpergedächtnis: Mit jeder Bewegung speichert auch ihr Körper die Abläufe neu ab, erklärt die Schauspielerin.

Metelka steht aber nicht nur auf der Bühne – die ­Wienerin hat auch schon Hörbücher vertont und ihre Stimme einer skandi­navischen Fernsehserie geliehen. Ein Höhe­punkt in ihrer bisherigen ­Karriere sei ihr Engagement für den Amazon-­Prime-Film „Sachertorte“ unter der Regie von Christine ­Rogoll gewesen. Ob angesichts all ­dieser Projekte Platz für Alltag ist, sei schwer zu sagen. „Einer meiner Freunde hat meinen Kalender einen ‚Albtraumkalender‘ genannt“, lacht Metelka. Das heißt: viele No­tizen, noch mehr Termine. Ein Alltag, meint Metelka, bei dem jeder Tag eben etwas anders aussieht.

Wer den Instagram-Kanal der Schauspielerin besucht, findet ­humorvolle Videos und Fotos, die sie mit Freunden zeigen. Zu viel ­Bedeutung messe sie den sozialen Medien aber nicht bei. Der Vorteil einer festen Anstellung beim Theater: Vermarktung überlasse sie gerne den Marketingteams der Produktionen, an denen sie abseits ihres fixen Engagements noch beteiligt ist.
„Ich möchte keine Marke aus mir machen“, sagt Metelka. Man sei auch so individuell genug unterwegs. Ohnehin inspirieren sie ­Schauspieler am meisten, die auch mal einen Schritt zurücktreten und ihr Talent für sich sprechen lassen. Cate Blanchett fällt für sie zum Beispiel da­runter, oder Kate Winslet – Frauen, die durch ihre Persönlichkeit statt durch Schlagzeilen punkten.

Vor dem Umzug nach Berlin vor sechs Jahren studierte Metelka ein Semester lang Geschichte an der Universität Wien. Aber ihr habe ­dabei der Bezug zur Praxis gefehlt. „Mir ist der Kontakt zu Menschen wichtig. Und wenn ich schon ­etwas auswendig lerne, dann möchte ich damit auch etwas machen – und nicht nur einen Text schreiben, den dann keiner liest“, sagt sie. Dazu­gelernt habe sie in dieser Zeit ­dennoch viel.

Bei der Frage nach Hobbys, die nichts mit der Schauspielerei zu tun haben, muss Metelka erst einmal nachdenken. Singen zählt nicht? Tanzen auch nicht? Sie geht irr­sinnig gerne ins Kino und besitzt eine Jahreskarte dafür, so die Schauspielerin. ­Außerdem lese sie viel, um ihre ­Fantasie zu schulen. Und beobachtet gerne, sagt sie – am liebsten in der Berliner S-Bahn.

Maeve Metelka ist Schauspielerin und Hörspielsprecherin. Neben ihrem Engagement als festes Mitglied des Berliner Ensembles wirkt Metelka auch in Film und Fernsehen mit. Von 2019 bis 2024 studierte sie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch.

Fotos: Just Loomis

Ines Erker

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