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Mit 27 Jahren hat Michael Kowatschew bereits mehrere Unternehmen aufgebaut. Sein aktuelles Projekt, Heizma, soll den Umstieg auf Wärmepumpen erleichtern und damit eine umweltfreundliche Energiequelle stärken. Kowatschew ist Netzwerker, Pragmatiker und Optimist – auch dann, wenn Märkte kippen und Entscheidungen wehtun. Parallel dazu investiert er in Start-ups, die ähnlich Grosses vorhaben wie er.
Freud und Leid liegen in der Gründerwelt nah beieinander. Michael Kowatschew, Gründer des Wärmepumpen-Start-ups Heizma, hat diese Erfahrung erst im vergangenen Sommer gemacht: An einem Freitag führte er seine Freundin zum Traualtar – den Sonntag verbrachte er bis weit in die Nacht mit seinen Mitgründern Alexander Valtingojer und Valentin Perkonigg in ihrem Büro, um Restrukturierungsmassnahmen vorzunehmen.
Nach einem erfolgreichen Gründungsjahr 2024 hatte der Markt für Wärmepumpen – die das Kernprodukt von Heizma darstellen – mit rückläufigen Absatzzahlen zu kämpfen. Kowatschews Strategie inmitten der Turbulenzen: „Ich bin grundsätzlich sehr optimistisch.“
Heizma ist ein Wiener Start-up, das sich auf die Installation und Wartung von Wärmepumpen spezialisiert hat. Wer nach umweltfreundlichen Wegen sucht, um seine Wohnung oder sein Haus zu heizen, stösst schnell auf die kastenförmigen Geräte. Sie wandeln Wärme aus Wasser, Luft oder Erde in Heizwärme um, indem sie ein Kältemittel verdampfen, verdichten und in erhitzter Form abgeben.
Im europäischen Vergleich lag Österreich im Jahr 2024 mit 13,2 verkauften Wärmepumpen pro 1.000 Haushalten im Mittelfeld – doch zwischen 2014 und 2024 hat sich der Energieeinsatz mit Wärmepumpen mehr als verdreifacht, Tendenz steigend.
Lokale Hersteller und internationale Marken dominieren die Branche: Das Verzeichnis des Verbands Wärmepumpe Austria enthält aktuell 69 Produzenten und Importeure, an Installationspartnern mangelt es also nicht. Heizma möchte sich differenzieren, indem das Unternehmen einen End-to-End-Service mit Fokus auf das Kundenerlebnis und gute Finanzierungsmöglichkeiten bietet. Um mehr Kontrolle über die Qualität zu besitzen, übernahm das als Vermittlungsplattform gegründete Start-up bereits im Juni 2024 den ersten Installationsbetrieb.
Rund 500 Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen hat Heizma 2025 installiert, laut eigenen Angaben fährt das Unternehmen konstant siebenstellige Monatsumsätze ein. Es arbeitet mit einem deutschen Finanzierer zusammen, damit Kunden die zwischen 22.000 und 37.000 € teuren Wärmepumpen auch ohne Anzahlung erwerben können.
Das Büro des Start-ups liegt in einem gelb gestrichenen 70er-Jahre-Wohnhaus unweit des Wiener Donaukanals. Aus den Fenstern sieht man auf die umliegenden Dächer hinunter – innen dominieren Beige- und Grüntöne, wenige Tage vor dem Gespräch mit Forbes sind die Räumlichkeiten neu eingerichtet worden.
Sales-Mitarbeiter sprechen in ihre Headsets. Die Stimmung ist gelöst, Kowatschew und sein Mitgründer Valtingojer albern herum, es wird viel gelacht. „Wir haben sehr viel Spaß in der Arbeit“, sagt Kowatschew, der die Bereiche Business Development, Finance und People verantwortet.
Das Konzept Work-Life-Balance sieht er kritisch: „Natürlich sind die Tage oft lang“, sagt er – „das braucht es aber auch, um ambitionierte Ziele zu erreichen.“
Natürlich sind die Tage oft lang. Das braucht es aber auch, um ambitionierte Ziele zu erreichen.
Michael Kowatschew
Der Leistungsgedanke, der Kowatschew antreibt, hat familiäre Wurzeln. Sein Vater flüchtete in den 80er-Jahren aus dem kommunistischen Bulgarien, in Wien baute er sich ein neues Leben auf. Kowatschews Mutter zog einige Jahre später für ihr Studium nach Wien. Kowatschew selbst entdeckte zuerst den Kampfsport für sich, er war mehrfacher österreichischer Karatemeister (Junioren und U21); mit der Wirtschaftswelt hatte er keine Berührungspunkte. „Unternehmertum als Karriereoption kannte ich so gar nicht“, sagt Kowatschew.
Das änderte sich, als seine Grossmutter ihm im Alter von 18 Jahren ein Buch über den selbst erklärten „Ja-Sager“ und Virgin-Group-Gründer Richard Branson (Nettovermögen 2025: 2,8 Mrd. US-$; umgerechnet 2,4 Mrd. €) schenkte – ein Unternehmer, der ihn nicht nur beruflich prägen sollte, sondern auch in seinem Privatleben noch eine Rolle spielen würde.
Noch während Kowatschew das Buch las, bewarb er sich beim ersten Accelerator-Programm. „Unternehmertum ist die Flucht aus dem System“, fasst Kowatschew seine Faszination zusammen. Zu gründen bedeutet, eine Lösung ausserhalb des Bestehenden zu finden – er denkt lieber neu.
Im Rahmen der „Forming Impact“-Initiative begegneten sich der junge Gründer und der erfahrene Unternehmer mit globaler Bekanntheit schliesslich in Person; Jahre später trat Branson in dem Video auf, mit dem Kowatschew um die Hand seiner Freundin anhielt. „Say Yes“, das Credo, das die Gründer eint, gewinnt dadurch noch eine andere Bedeutung. Für Branson und Kowatschew scheinen diese Worte zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung zu werden. Die beiden verbindet die Leidenschaft zur Problemlösung, ein starkes Netzwerk – und jene Prise Naivität, die Durchbrüche vielleicht erst möglich macht.
Kowatschew hat aus Erfolgen und Niederlagen gelernt. Wer sein Profil auf LinkedIn aufruft, entdeckt einen humorvollen Verweis darauf, dass er bei seinem ersten Start-up Friendzone – einer Kontaktbörse für Uni-Freundschaften – reihenweise Fehler begangen hat: „Learned how not to build a company“ („Gelernt, wie man ein Unternehmen nicht baut“) steht dort.
Seine erste Bewerbung beim „First Accelerator“-Programm wurde abgelehnt, ein Jahr später probierte er es erneut. „Die Jury fand die Idee immer noch schlecht, aber mein Durchhaltevermögen hat sie überzeugt“, lacht Kowatschew – Durchhaltevermögen betrachtet er als seine grosse Stärke.
Er studierte zu dieser Zeit Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Entrepreneurship und Innovation an der Wirtschaftsuniversität Wien. Auf die Frage, ob er darin die Vorbereitung auf seine unternehmerische Tätigkeit sah, schüttelt er den Kopf: „Ich habe das eher für meine Familie zu Ende gemacht“, sagt Kowatschew. Das Hauptaugenmerk lag immer auf seinen unternehmerischen Ambitionen.
Im ersten Jahr haben wir uns ein bisschen selbst belogen, weil der Markt einfach genial war.
Michael Kowatschew
Wenige Tage nach Beginn des Corona-Lockdowns gründete Kowatschew das gemeinnützige Start-up Novid 20, das – inspiriert von ähnlichen Massnahmen in Südkorea – eine Contact-Tracing-App entwickelte.
In Österreich setzte sich das Rote Kreuz mit einer eigenen App durch, also sahen sich die Entwickler anderweitig um: 35 Tage nachdem die Idee zur App aufgekommen war, launchte Novid 20 eine App mit der georgischen Regierung. Rund 80 Menschen hatten dafür unbezahlte 16-Stunden-Tage geschoben, erzählt Kowatschew – einer von ihnen war sein späterer Heizma-Mitgründer Perkonigg.
Im selben Jahr macht Kowatschew einen Unternehmer und Politiker auf sich aufmerksam, den er für seinen Geschäftssinn bewundert: Matthias Strolz. Nachdem Kowatschew ein Dutzend E-Mail-Variationen ausprobiert hat, dringt er zu Strolz durch. Dieser erklärt sich einverstanden, als Mentor zu fungieren. Gemeinsam gründen sie im Jänner 2021 Thepixelbeat, einen Venture Builder mit Fokus auf digitalen Kompetenzen für Kinder. Etwas über ein Jahr später verkaufen sie das Unternehmen an eine Berliner Agentur.
Im März 2024 gründeten Kowatschew, Valtingojer und Perkonigg dann Heizma. „Wir hatten keine Lust auf die nächste Venture-Capital-Story, wo es nur darum geht, möglichst viel Risikokapital aufzunehmen“, so Kowatschew. Er wollte ein Unternehmen aufbauen, das zur Lösung eines Problems beiträgt und stark skalierbar ist – ohne eine völlig neue Technologie erfinden zu müssen.
Der entscheidende Tipp kam schliesslich von seiner Mutter, die ihn beim Abendessen auf die Förderung für Wärmepumpen verwies. Kowatschews Interesse war geweckt. Valtingojer und er brachten zwar kein technisches Know-how mit, aber alle drei Heizma-Gründer waren bereits unternehmerisch tätig gewesen: Valtingojer hatte das Krypto-Start-up Coinpanion initiiert, das nur wenige Monate zuvor in der Investment-Plattform Altify aufgegangen war. Perkonigg, ausgebildeter Elektrotechniker, hatte Brickwise mitgegründet, eine digitale Handelsplattform, über die Nutzer anteilig in Wohn- und Gewerbeimmobilien investieren können.
Beide landeten mit ihren damaligen Unternehmen bereits 2022 auf der österreichischen Forbes 30 Under 30-Liste. „Ich freue mich sehr, jetzt auch Teil der Liste zu sein“, sagt Kowatschew, der es 2025 auf die Under 30-Liste schaffte.
Dass die drei Mitgründer bereits erfolgreich gegründet hatten, erleichterte den Start auch finanziell. Sie investierten Ersparnisse und stemmten einen Grossteil der Finanzierung selbst. 85 % der Unternehmensanteile liegen, ähnlich aufgeteilt, bei ihnen.
Um die Expansion in Österreich zu beschleunigen und ein eigenes Finanzierungssystem für seine Kunden aufzustellen, führte das Start-up im April 2025 die erste und bisher einzige Finanzierungsrunde durch – das Resultat waren 2,5 Mio. €, gesammelt von Investoren wie Philipp Pausder (Gründer von Thermondo), Bernhard Niesner (Busuu-Gründer), Felix Porsche und Ignaz Forstmeier (Mitgründer von Personio). Auch die Risikokapitalgeber Flyer One Ventures und Angel Invest gingen an Bord.
Geht es nach Kowatschew, bleibt es vermutlich bei dieser Finanzierungsrunde: „Lieber beteiligen wir unser Team, als Anteile an Investoren abzugeben“, sagt er.
Alleine 2024 wuchs das Heizma-Team von den unter dem Dach der Heizma Group installierten sie vier regionale GmbHs.
Doch es folgten zwei Umstände, die das junge Unternehmen vor Schwierigkeiten stellen sollten: Die „Raus aus Öl und Gas“-Initiative der Bundesregierung, die Privathaushalte grosszügig beim Umstieg auf nachhaltige Energieträger wie die Wärmepumpe unterstützte, wurde Ende 2024 unerwartet früh eingestellt. Die Budgetmittel waren ausgeschöpft.
Gleichzeitig stand der Wärmepumpen-Markt unter Druck: Hohe Inflation, sich stabilisierende Gaspreise, fehlende Installationskapazitäten und politische Unsicherheit durch Änderungen der Förderbedingungen liessen den branchenweiten Absatz um rund 20 % einbrechen.
„Im ersten Jahr haben wir uns ein bisschen selbst belogen, weil der Markt einfach genial war“, so Kowatschew. „Wir haben einen monatlichen Umsatz von einer Million gemacht, alles hat auf Anhieb funktioniert.“
Das änderte sich mit den neuen Marktbedingungen – Anfang 2025 verzeichnete auch Heizma einen starken Umsatzeinbruch. Es war Zeit, zu handeln: Das Start-up fasste seine regionalen Tochterbetriebe unter dem Dach der Heizma Installations GmbH wieder zusammen, startete das Geschäft mit Photovoltaik-Anlagen – und trennte sich von 30 % seiner Mitarbeiter.
Die Massnahmen dürften gefruchtet haben: Innerhalb von zwei Monaten spülte allein die Photovoltaik-Sparte nach Angaben von Heizma rund zwei Mio. € in die Kassen.
Während all das passierte, war Kowatschew bereits Teil der Sigma Squared Society, eines internationalen Vereins für Gründer unter 26 Jahren. Von Februar 2022 bis April 2024 fungierte er als Präsident des Vereins, seit Mai 2024 ist er Mitglied des Aufsichtsrats. 1,8 Mrd. € an Investorengeldern haben die rund 800 Mitglieder nach Angaben der Sigma Squared Society bisher gesammelt.
Auf dem Weg aus seinem Büro begegnen wir einer jungen Gründerin, die ebenfalls in der Hollandstrasse arbeitet; die beiden unterhalten sich. Es ist offensichtlich, dass Kowatschew viel daran liegt, junge Menschen zu unterstützen: Im September 2023 gründete er zusammen mit Valtingojer die Investmentfirma Morgen Ventures, um selbst in Start-ups zu investieren.
Nach eigenen Angaben schliessen sie vierteljährlich ein bis drei Deals mit Ticketgrössen zwischen 100.000 und 300.000 € ab. Beyond Aero, Entwickler eines Wasserstoff-Flugzeugs, und der Softwareentwickler Codesphere haben davon profitiert. Viele der Gründer, die Valtingojer und Kowatschew unterstützen, sind ähnlich jung wie sie selbst. „Es wird nie eine einfachere Zeit geben, ein Risiko einzugehen, als wenn man jung ist“, so Kowatschew. Die Geschichte von Heizma gibt ihm bisher recht.
Doch sie umfasst nur zwei Jahre, und noch dazu solche, in denen die Wärmepumpen-Branche grosse Ausschläge nach oben und unten erlebt hat. Künftig soll Heizma daher nicht mehr von einem Produkt abhängig sein: Photovoltaikanlagen, Stromspeicher und Klimaanlagen zählen bereits zum Sortiment.
Ende 2024 übernahm das Start-up ausserdem das Energiemanagement-Unternehmen Meo Energy (heute Optima), um sein Portfolio um intelligente Software zu erweitern. „Wir haben eine Struktur aufgebaut, mit der wir stark skalieren können“, sagt Kowatschew – „jetzt ist Execution Time.“
Fotos: Gianmaria Gava