KNOTEN KNÜPFEN UND BINDEN

Equbot-CEO Chidananda Khatua erkannte das Potenzial künstlicher Intelligenz und erschuf einen von einer KI gesteuerten Indexfonds. Das Ziel: mehr Geld zu verdienen, als es durch menschliche Hand möglich wäre.

Ein Computer kann eine ­Katze erkennen – aber kann er auch eine Schnäppchenaktie erkennen? Als Chidananda Khatua vor vier ­Jahren eine Vorlesung über Hedgefonds ­besuchte, wurde er inspiriert, ­diese Frage zu beantworten. ­Khatua, ein erfahrener Intel-Ingenieur, der Abend- und Wochenendkurse an der UC Berkeley besuchte, stellte sich vor, dass durch die Verbindung präziser Daten aus der Finanzwelt mit ungenaueren Informationen aus Jahresberichten und News-Artikeln etwas Mächtiges entstehen könnte.

An der Wall Street haben Computer in der Vergangenheit ­Preise größtenteils streng quantitativ unterteilt, zum Beispiel nach Verdienst, und die Ergebnisse dann in eine Rangfolge gebracht. Doch das soll sich ändern, denn das Potenzial ist groß: Bereits 2011 hat ein IBM-System namens Watson zwei menschliche Champions bei „Jeopardy“ (Fernsehquizshow aus den USA) besiegt. Um dieses Kunststück zu vollbringen, musste der ­Computer nicht nur Zahlen, sondern auch ­genealogische Beziehungen, Zeit, Nähe, Kausalität, Taxonomie und viele andere Zusammenhänge erfassen. Wenn man diese Art von künstlicher Intelligenz einsetzt, ­könnte sie weitaus mehr tun, als bloß Quizshows zu gewinnen: KI könnte in Zukunft als Assistenz ­eines Arztes eingesetzt werden, sie könnte Konsumenten Produkte empfehlen oder Kreditkartenbetrug erkennen – und vielleicht könnte KI auch Portfolios verwalten.

Khatua, heute 44, hat seine Mitstudenten Arthur Amador und Christopher Natividad für sein Unternehmen gewonnen. Amador, 35, hatte den Großteil seiner Karriere bei Fidelity Investments verbracht und vermögende Familien beraten, ­Natividad, 37, war zuvor Vermögensverwalter für diverse Unternehmer gewesen. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass ein Computer ein Verständnis für menschliches Verhalten entwickeln könnte, wohl aber Wissen. Ein Computer kann Unmengen von Fakten sammeln und nach Mustern und Trends in den Aktienmärkten suchen. Vielleicht könnte auch seine im Gegensatz zum Menschen fehlende Intuition durch brutale Genauig­keit ausgeglichen werden. Khatua, Amador und Natividad haben ihre Ersparnisse zusammengelegt und zusätzlich noch 735.000 US-$ von Business Angels eingeholt, um Equbot, einen Berater für börsengehandelte Fonds, zu gründen. IT-Riese IBM gab den Unternehmern einen Kredit von 120.000 US-$ für etwaige Software- und Hardwarekosten.

Vor drei Jahren eröffnete Equbot den AI Powered Equity ETF, der ein Portfolio beinhaltet, das sich täglich auf Anweisung von Computern aktualisiert. Im Jahr 2018 kam AI Powered International Equity dazu. CEO Khatua beschäftigt ein kleines Team in San Francisco sowie 17 Programmierer und Statistiker in Bangalore, Indien. Das Equbot-­System verschlingt 1,3 Millionen Texte pro Tag: Nachrichten, Blogs, ­Social ­Media, SEC Filings. Das Watson-System von IBM verarbeitet die jeweiligen Texte und nimmt daraus Fakten auf, die dann über ein Netz mit ­einer Million Knotenpunkten in einen Graphen fließen. Jeder einzelne dieser Knoten könnte ein Unternehmen, ein Keyword oder ein wirtschaftlicher Faktor sein. Es gibt eine Billion Möglichkeiten, die Knoten zu verlinken. Der Computer zieht alle Knotenpunkte durch ein neuronales Netzwerk, gleich den neuronalen Verbindungen eines Gehirns, um danach die wenigen Verlinkungen, auf die es ankommt, in der Analyse zu gewichten. Auf diese Weise tastet sich das System heran, um herauszufinden, welche Auswirkungen in den Eingabedaten eine Woche, ­einen Monat oder ein Jahr später in den Aktienkursen zu spüren sind.

Chidananda Khatua
... absolvierte einen MBA an der UC Berkeley und einen Master in Elektrotechnik in Stanford. Er ist CEO und Mitgründer des KI-Fonds Equbot und war zuletzt 18 Jahre lang als Director of Engineering beim US-Technologiekonzern Intel tätig.

An einem geschäftigen Tag führt Equbot eine halbe ­Billiarde Berechnungen durch. Hier ­kommen Nvidias Grafikchips zum Einsatz: Diese Siliziumbauteile werden für ­Videospiele verwendet und wurden entwickelt, um Spieler bei Laune zu halten. Sie erwiesen sich als ideal für die intensiven parallelen Rechenströme neuronaler ­Netze und versorgen die Computer­zentren, die Amazon an Equbot und ­andere KI-Forscher vermietet.

Letztes Jahr hat die Software von Equbot durch ­Amarin Corp., ein irisches Arzneimittelunternehmen, das rezept­pflichtige Nahrungsergänzungsmittel verkauft, Aufsehen erregt: Der inter­nationale ETF stieg bei unter drei US-$ ein, lange vor der behördlichen Bewilligung, der die Aktie auf 15 US-$ brachte. Ein weiterer Schritt bestand darin, Visa zum inländischen Fonds hinzuzufügen, nachdem das System Signale gemessen hatte, die von der Ankündigung von Filialschließungen zu einem höheren Kreditkarten­volumen führten. Doch auch der Computer hat so seine Schwächen: Das System verliebte sich in die amerikanischen Daten- und Softwareunternehmen NetApp und New Relic – vielleicht als Reaktion zu der Aufmerksamkeit, die Cloud Computing auf sich zog –, doch die Aktien sanken. Das sei aber kein Grund zur Sorge, meint Khatua: Neuronale Netzwerke würden aus Fehlern lernen.

Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob Equbot, das nur 120 Millio­nen US-$ verwaltet, Erfolg haben wird. Bisher liegt sein US-Fonds annualisiert um drei ­Prozentpunkte hinter dem S&P 500 zurück, während der internationale Fonds sechs Punkte vor dem Index liegt. ­Zudem wird Equbot, nach eigenen Angaben der einzige aktiv ­gemanagte ETF mit AI, diesen Bereich nicht mehr lange für sich alleine ­haben: Donna Dillenberger etwa, eine IBM-Wissenschaftlerin in Yorktown Heights, New York, arbeitet an einem Börsenmodell mit Millionen der sogenannten Knoten. Laut ihr sind Systeme mit Milliarden Knoten schon bald Realität.

Eine ebenso große Bedrohung – die Khatua aus dem Weg schaffen will – sind ­menschliche Analysten. Sie können etwa Arzneimitteltests verfolgen oder erkennen, dass Amazon kein Bargeld ­annimmt. Doch für Equbot spricht die Explosion der ­digitalisierten Daten und ein vergleichbares Wachstum der Chipleistung – ­Dinge, die nur bei ­einer Software ­möglich sind; Menschen können mit all diesen Verbindungen nicht mithalten. „90 % der vorhandenen Daten wurden in den letzten zwei Jahren erstellt“, sagt Arthur Amador, Equbots COO. „Diese Aussage wird in zwei Jahren auch noch stimmen.“

Text: William Baldwin / Forbes US
Foto: beigestellt / Canva / Forbes US

Der Artikel ist in unserer Januar-Ausgabe 2020 „Radical Change“ erschienen.

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