KÖNIG DER GALERISTEN

Visuelle Kunst begleitet Johann König seit Kindheitstagen – dass er ein erfolgreicher Akteur in der Szene werden sollte, war daher nicht abwegig. Dass König erblindet ist, erschwerte den Weg zum Galeristen aber doch.

Im Backoffice der Galerie König herrscht reges Treiben. Eine Ebene über den Köpfen der Mit­arbeiter werden Installationen verrichtet, die neue Ausstellung der Kunstgalerie ist gerade in Arbeit. Es werden Telefonate geführt, Leinwände besprüht, T-Shirts gefaltet, und es wird vor iMacs getippt. Dass das alles in einer Kirche passiert, scheint hier für niemanden außergewöhnlich zu sein: 2015 pachtete Johann König die ­St.-Agnes-Kirche in Berlin – für 99 Jahre.

Der massive graue Betonklotz war einst Heimat der katholischen Gemeinde, bis er wegen stetig sinkender Mitgliederzahlen zur Pachtung freigegeben wurde. „Natürlich wurde ich von so mancher Person, die meine Begeisterung für St. Agnes nicht teilte, für verrückt erklärt“, erzählt König. Drei Millionen € an Sanierungs­aufwand später zählt die Kirche jedoch zu den beliebtesten Galerien des Landes. Ein Merkmal: die erlebnis- und objektgetriebenen Ausstellungen. Zu sehen sind hier zeitgenössische Künstler wie der in Berlin lebende dänische Bildhauer Jeppe Hein, die Schweizerin Claudia Comte, der Österreicher Erwin Wurm oder die aus Polen stammende Alicja Kwade.

Johann König, Kunst, Galerie König, Deutschland 2

Im Alter von zwölf Jahren verlor Johann König bei einem Unfall sein Augenlicht. „Kunst ist mehr als nur Sehen“, sagt der Galerist heute.

Kunstaffine Familie

Königs Kontakt mit bildender Kunst war unvermeidbar. Vater Kasper König, ehemaliger Rektor der Frankfurter Kunstakademie Städelschule sowie später Direktor des Kölner Museums Ludwig, zählt zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der Kunstbranche. Mutter Edda Köchl-König war Illustratorin für das britische Magazin Times, Bruder Leo betreibt eine Galerie in New York. Zudem geht auf Onkel Walther der Walther König Verlag zurück, dessen Buchhandlungen mit dem Schwerpunkt Kunst sich von Amsterdam über Wien und Paris bis nach Mailand erstrecken. „Klar ist meine Berufswahl mi­lieubedingt. In meiner Teenagerzeit habe ich mich gegen den ständigen Kontakt mit der Kunst aufgelehnt – aber dann habe ich erkannt, welch privilegierten Einblick ich in diese Welt habe. Die nötige Begeisterung kam mit der Zeit von selbst.“

Dass es schlussendlich zu einer erfolg­reichen Karriere im Kunsthandel kam, im ­Laufe derer König mit seinen Deals die Millionen­grenze knackte, wie etwa beim Verkauf eines ­Jeppe-Hein-Projekts an die damalige Privatbank Sal. Oppenheim, stand lange Zeit nicht in Königs Sternen. Denn beim unbeaufsichtigten Spielen mit einer Startschusspistole verlor der Galerist im Alter von zwölf Jahren sein Augenlicht. In diesem Moment – für König „der Urknall“ – spürte er keinerlei Schmerzen, wie er in seiner kürzlich erschienen Autobiografie „Blinder Galerist“ beschreibt. Die Hände, der Oberkörper, das Gesicht zerschossen, brauchte die Genesung zwei volle Jahre und mehr als 30 Operationen. Auch ein psychisches Trauma und Gewichtszunahme durch Cortison waren die Folgen.

Den Aufstieg von der vollständigen Erblindung zur – wie König schreibt – „verschwommenen Welt der Sehbehinderten mit 16 Dioptrien“ ermöglichte vor allem eine Hornhauttransplantation im Jahr 2009 sowie der Besuch einer Blindenschule in Marburg. Auch heute schwankt die Sehkraft des Galeristen stark und hängt von Faktoren wie dem Wetter oder der Ernährung ab.

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König im Showroom seiner Galerie mit einer Skulptur von Erwin Wurm links („Tall Bag G“, 2019) und einer Arbeit von Katharina Grosse rechts (o. T., 2014).
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König vor einer Arbeit von Kathryn Andrews („Wheel of Foot in Mouth No. 2 – Rubik’s Early Work“)
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König vor einer Arbeit von Anselm Reyle („Untitled“, 2019).
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Königs Reflexion in einer Arbeit von Jeppe Hein („Geometric Mirrors“, 2012)

Über die Grenzen Deutschlands bekannt

Seinen Erfolg, trotz der Einschränkungen, kann König selbstbewusst begründen: „Kunst ist mehr als nur Sehen. Das eigentliche Bild und die Emotionen dazu entstehen im Kopf. Ich habe in meinem Leben viel ausprobiert, bin – besonders am Anfang – immer wieder gescheitert. Aber ohne die Bereitschaft zum Scheitern kann man im Leben niemals Dinge aus eigener Kraft heraus erschaffen. Mein Geschäft ist zudem ein Peoples’ Business. Das Vertrauen in die richtigen Ideen und Narrative der Künstler ist wichtig.“

Heute ist der blinde Galerist über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt, neben der Galerie in Kreuzberg mit 40 Mitarbeitern existiert eine weitere, kleinere in London: „Die Präsenz in London dient uns auch als Drehscheibe nach Asien und in die arabische Welt.“ So ist etwa in Zusammenarbeit mit der Münchner Modemarke MCM ab November 2019 eine Ausstellung von Juergen Teller im MCM-Flagship-Store in Tokio zu sehen. „König Tokio“ gehört mit 300 Quadratmetern Fläche zu den größten Galerie­räumen der Stadt. Der Fokus liegt auf einflussreichen Künstlern aus dem deutschsprachigen Raum. Neben dem Verkauf von Kunstwerken betreibt König auch einen Onlineshop: In „König Souvenir“ bietet er Kleidungsstücke mit Prints von Künstlern, das hauseigene Magazin König oder Objekte wie eine Körperseife in Gurkenform von Erwin Wurm an. 2018 erzielte der Galerist einen Jahresumsatz von 20 Millionen €. König: „Ich will Kunst zugänglich und begreifbar machen. Meiner Meinung nach wird künftig sowieso die breite Masse den Ton in der Kunstwelt angeben, nicht mehr einzelne Individuen. Denn so kompliziert ist das mit der Kunst gar nicht – vor allem die junge Generation fühlt sich zu ihr hingezogen.“

Text: Chloé Lau
Fotos: Jörg Klaus

Der Artikel ist in unserer Oktober-Ausgabe 2019 „Handel“ erschienen.

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