Kopf an Kopf

Die Kopfhörer für Fashionistas sollen vor allem eines sein: smart.

Die Stimmung im Hauptsitz von Muzik in West Hollywood – jenem Unternehmen, das hinter dem oft als „Smartphone unter den Kopfhörern“ bezeichneten Produkt steht – ist, wie man es in einem Start-up erwartet: Die einzige Sicherheitsvorkehrung scheint eine Horde kleiner Kläffer zu sein, die durch das Open Office jagen. Auf der Terrasse des Büros sitzt der 41-jährige CEO Jason Hardi, beide bis zu den Fingern tätowierten Arme vor seiner Brust verschränkt, in einem Korbsessel. Einzig sein T-Shirt dient als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Akteuren der „Tech-Community“: Kering. Der europäische Luxuskonzern steht hinter Marken wie Gucci, Saint Laurent und Balenciaga.

Hardis Mode-Statement beschreibt ein neues Kapitel seines sechs Jahre alten Unternehmens: François-Henri Pinault, Milliarden­erbe und Vorsitzender von Kering, stellte dieses Frühjahr rund die Hälfte der insgesamt mehr als 70 Millionen US-$ an Finanzierung für Muzik zur Verfügung. Sein Name ist ohne Zweifel der wichtigste, wenn auch nicht der schillerndste unter Muziks Investoren, die aus dem Sport (Michael Jordan, Ndamukong Suh) oder der Unterhaltungsbranche (Drake, Kevin Hart) kommen und auch Motivationsredner umfassen (Tony Robbins). Die Idee: Hardis „Connected Headphones“ – sie erlauben dem Nutzer, Musik via Twitter und Spotify zu teilen – sollen mit der Schlagkraft des Kering-Imperiums vereint werden, um so einen besseren Kopfhörer als Dr. Dres „Beats“ anbieten zu können.

„Wir wollten nicht einfach nur smart sein, sondern auch sexy“, so Hardi. „Smart sein ist für uns sexy. Und wir wollten nicht, dass die Menschen länger ihren Kopf gesenkt halten, weil sie auf ihr Smartphone schauen. Sie sollen ihre Köpfe hochhalten – Kopf hoch anstatt Kopf hinunter!“ Hardis Kreativität war für die Investoren ein großer Anziehungspunkt. Er hält mehr als 30 Patente und besitzt 16 Marken in den USA – von Ohr­hörern bis zu Haustier-Trackern. Weitere rund 50 Erfindungen stehen noch zur Patentprüfung an. Es war auch Hardi persönlich, der seinen ersten Kopfhörer, den 300 US-$ teuren „Muzik One“ designte. Das auf 10.000 Stück limitierte Gerät räumte nicht nur etliche Designpreise ab, es war auch nach kürzester Zeit ausverkauft. Hardis letzte Geldinfusion sollte Muzik so weit mit Kapital ausstatten, dass sich das Unternehmen in den Mainstream katapultieren kann. Unter anderem soll das mit einer Reihe ambitionierter Kollaborationen geschehen. Zunächst steht eine für dieses Jahr geplante Zusammenarbeit mit Gucci sowie weiteren Kering-Marken an. „Ich habe beschlossen, in Muzik zu investieren, weil Jason und ich die Vision teilen, dass Konnektivität und Technologie zu mehr Kreativität führen“, so Pinault. „Die Produkte und Software haben das Potenzial, das Beste aus Musik, Sprachkontrolle, Video und Design zu kombinieren.“

Schon in frühen Jahren bastelte Hardi an Wearable-Technologie. In Los Angeles als Sohn eines Buchhalters und einer Hausfrau geboren, zog Hardis Familie in die New Yorker Upper East Side um, als Hardi zehn Jahre alt war. Um seinen damals aufkommenden Knieproblemen zu kontern, entwickelte er eine Art Gurtzeug, um zu üben, seine Beine zu strecken. Nachdem er dann im College aus der Tennismannschaft geflogen war, konzentrierte er sich auf die Fächer Finance und Marketing und blieb auch nach seinem Abschluss in North Carolinas Hauptstadt Raleigh wohnen. In den 2000ern launchte Hardi diverse ­Produkte, etwa OurWorldMusic.com – eine Plattform, auf der man Musik hochladen und teilen kann –, Novadine, ein Online-Food-Delivery-Service, oder Worldwide Pet Products, ein Unternehmen, das Tracking- und Trainingsgeräte für Haustiere herstellte. Den großen Durchbruch hatte Hardi dann 2010, als der Rapper 50 Cent ihn einlud, gemeinsam an seiner kabellosen Kopfhörer-Serie SMS Audio („Studio Mastered Sound“) zu arbeiten. Das Duo trennte sich 2012 freundschaftlich; Hardi verkaufte seine Anteile an der Firma. Den genauen Preis nennt er nicht: „Es war damals nicht die erste selbst verdiente Million.“

Begierig, seine eigenen Kopfhörer zu kreieren, nutzte Hardi die unerwarteten Einkünfte, um ein Monat später Muzik ins Leben zu rufen. Er designte eine auf Kundenwünsche anpassbare Benutzeroberfläche mit programmierbaren Kurzbefehlen, um Musik mit einmal Wischen teilen zu können. Die ersten Prototypen des Kopfhörers formte er aus Ton; dazu flexible Kopfbänder hinter jedem Hörerteil, um sicherzustellen, dass jede Einheit auch perfekt auf jeden Kopf passt. Sogar das Firmenlogo stammt aus Hardis Hand – der Buchstabe „M“, geformt wie Kopfhörer; das Motiv ließ er sich später tätowieren.

„Muzik war die Anhäufung all meiner Erfahrungen aus der Vergangenheit, ob es die Hardware-Kreation war oder aber auch die Plattformen“, sagt Hardi. „Ich habe nie verstanden, warum ein Kopfhörer nicht mehr sein sollte als ein dummes Gerät.“ Hardi wollte quasi ein Smartphone für den Kopf kreieren. Nachdem Beats 2014 für drei Milliarden US-$ an Apple verkauft wurde, waren Investoren auf der Suche nach dem nächsten großen Ding in Sachen Wearable-Tech – und fanden Muzik: Als Erster investierte der NBA-Star Chris Paul 2015, gefolgt von Twitters Venture-Arm und Microsoft-­Manager Steve Guggenheimer im Jahr 2016. Michael Jordan schloss sich im Herbst 2017 an, bevor Pinault, Robbins und Suh Anfang 2018 Geld lockermachten. „Technologie wird einen Wendepunkt in der Mode darstellen“, sagt etwa Robbins, der fest an Muzik glaubt, „und wir werden bald mehr davon sehen.“

Muzik ist allerdings nicht der erste Kopfhörer, der Mode mit Audio kombiniert. Beats kooperierte etwa mit Balmain, Fendi und Alexander Wang. Diese Zusammenarbeit glich aber eher einer On-Off-Beziehung und war von einer permanenten Kollaboration wie jener zwischen Muzik und Kering weit entfernt. Hardi glaubt, dass Muziks Reise weiter gehen wird, als nur Musik wiederzugeben. Heutzutage sei es nicht nur akzeptiert, sondern auch trendy, Kopfhörer zu tragen. Hardi und seine Investoren sehen die Zeit gekommen, diese nun mit zusätzlichen technologischen Features auszustatten. „Dieses Device wird alle Anwendungen miteinander verbinden. Es wird Tools für Entwickler bereitstellen, um alles aus der Technologie herauszuholen.“ Das erste „neue“ Produkt wird im Sommer erwartet. Forbes schätzt die aktuellen Umsätze von Muzik auf rund zwei Millionen US-$, und Muzik geht künftig von Umsätzen aus, die sich laut eigenen Angaben im achtstelligen Bereich bewegen sollen. Für den Anfang jedenfalls klingen die 70 Millionen US-$ an „Smart Money“ schon mal nicht schlecht.

Text: Zack O'Malley Greenburg

Dieser Artikel ist in unserer Juli-Ausgabe 2018 „Wettbewerb“ erschienen.

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