Kostenlos, aber unbezahlbar

Rosa Bergmann wollte weder Pädagogin noch Unter­nehmerin werden – und ist heute beides. Mit Hobby Lobby hat die 29-Jährige ein Unternehmen aufgebaut, das Kindern kostenlose Freizeitkurse ermöglicht. Über 6.000 Kinder wurden an 14 Standorten bereits betreut. Soziale Wirkung und unternehmerisches Denken gehen für Bergmann Hand in Hand.

Es gab einen Moment, der Rosa Bergmann gezeigt hat, wo es Veränderung braucht: Während ihrer Zeit als Fellow bei ­Teach for Austria, einer Organisation für Bildungsgerechtigkeit, unterrichtete Bergmann an einer Mittelschule in Wien-Liesing. Die Uni-Absolventin war für das freiwillige Nachmittagsprogramm zuständig – und traf dort auf ein Mädchen, das nicht angemeldet war, aber um jeden Preis teilnehmen wollte. Ob sie nicht lieber einem Hobby nachgehen möchte, habe Bergmann gefragt. „Das Mädchen hat mich mit großen Augen angesehen und gefragt: ,Wissen Sie denn nicht, was das kostet?‘“, erzählt Bergmann. Es war eine Offenbarung für sie: „Da habe ich verstanden, wie viel diese Angebote mittlerweile kosten“, sagt Bergmann.

Es dauerte kein halbes Jahr, um Kollegen aus dem Teach-for-Austria-Team von der Idee zu überzeugen, kostenlose Freizeitangebote für Kinder zu organisieren. Bergmann ging als Schülerin selbst jahrelang ins Tanzstudio – „dort habe ich Kreativität und Selbst­bewusstsein entwickelt“, sagt die Gründerin und ergänzt: „Es hat mich stärker geprägt als meine Schulzeit.“ Heute hilft Hobby Lobby Kindern und Jugendlichen zwischen zehn und 17 Jahren, diese und andere Fähigkeiten in Form informeller Bildung zu erwerben. 808 Kurse hat der Verein mittlerweile organisiert, darunter Kampfsport, Schmuckdesign und Schach. Ein Schulsemester lang gehen die jungen Teilnehmer der Freizeitbeschäftigung einmal wöchentlich nach und werden dabei von einem ehrenamtlichen Kursleiter betreut.

Hinter dem gesellschaftlichen Nutzen verbergen sich anspruchsvolle unternehmerische Entscheidungen. Von außen würden Sozialunternehmen häufig belächelt – „ich werde oft gefragt, ob ich von meinem Job leben kann“, so Bergmann. Dass Unternehmen mit gemeinnützigem Charakter anders beurteilt werden, ärgert sie. „Ich sehe mich absolut als Unternehmerin, weil ich überzeugt davon bin, dass meine unternehmerische Leistung gleichzusetzen ist mit der eines CEOs im For-Profit-Bereich“, sagt Bergmann. Das Team hat lange mit dem Gedanken gespielt, zusätzlich zur Kerntätigkeit ein klassisches Geschäftsmodell aufzubauen – etwa das Angebot um kostenpflichtige Kurse zu erweitern, die das kostenlose Programm querfinanzieren. Aber Bergmann möchte lieber auf das setzen, was Hobby Lobby ausmacht. „Nachhaltiges Wachstum muss gut begleitet werden“, sagt sie. Laut der Gründerin ­stehen über 1.000 Kinder auf der Warteliste. Die größte Heraus­forderung dürfte, wie so oft, die Finanzierung sein. Bisher sei der Verein personell und budgetär stark von Jahr zu Jahr gewachsen. „Dieses Jahr dauert alles ein bisschen länger, weil wir die Regierungsbildung abgewartet haben und die wirtschaftliche Lage angespannt ist“, so Bergmann. Das für 2026 geplante Budget wird rund zwei Mio. € betragen. Der Großteil stammt von staatlichen Förderungen und Stiftungsgeldern.

Eine 2024 publizierte Studie der Wirtschafts­universität Wien, der Alma Mater Bergmanns, hat die Kapitalrentabilität einer Investition in Hobby Lobby untersucht. Demzufolge schafft ein Euro, der in den ­Verein investiert wird, einen Wert von 21,27 €, etwa weil die Kinder Sprach- und Sozialkompetenzen erwerben. „Kinder, die keinen Zugang zu Freizeitangeboten haben, verbringen mehr Zeit am Handy, knüpfen weniger Freundschaften und können ihre Sozialkompetenzen weniger ausbauen“, sagt Bergmann. Die Ergebnisse
der Wirkungsanalysen lassen sie hoffen, dass ihr Unter­­nehmen weitere Kooperationen knüpfen wird. „Wir haben zum Beispiel eine tolle Partnerschaft mit dem Sozial­ministerium, also bin ich zuversichtlich“, so die CEO. Dem Verein kommt auch zugute, dass er seit seiner Gründung 2019 viel mediale Aufmerksamkeit ­erfahren hat – aktuell ist Bergmann als „Österreicherin des Jahres“ im Bereich humanitäres Engagement von der Tageszeitung Die Presse nominiert. Bergmanns Team hat das Rampenlicht aber auch strategisch gesucht: „Durch die Fernsehausstrahlung der ‚MEGA-­Bildungsmillion‘ ist der heutige Gründer unseres Salzburg-Standorts auf uns aufmerksam geworden“, sagt Bergmann.

Einfache Ideen sind oft die erfolgreichsten, ist die Gründerin überzeugt. Im Accelerator-Programm der Stiftung Bildung Tomorrow habe sie 2021 zum ersten Mal darüber nachgedacht, wie sich das Projekt skalieren ließe. „Wir haben erkannt, dass wir mit der richtigen Struktur und engagierten Partnern rasch neue Standorte aufbauen können“, so Bergmann. Im Kern ist das eine Person, die den Standort leitet und vom Verein begleitet wird, sagt sie. Im gleichen Jahr eröffnete Hobby Lobby einen zweiten Standort in Wien. Es war kurz nach dem Corona-Lockdown, einer Ausnahmesituation, die das öffentliche Bewusstsein für informelle Bildung Bergmanns Empfinden nach zusätzlich gestärkt hat. Mittlerweile hat das Social-Franchise-Konzept des Vereins 14 Standorte hervorgebracht. Wer einen eröffnen möchte, wird streng geprüft: „Die Person muss einerseits pädagogische Fähigkeiten haben und Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mitbringen“, sagt Bergmann; „andererseits muss sie organisatorische und finanzielle Kompetenzen besitzen.“

Zuletzt hat das in der rumänischen Stadt Timisoara geklappt. Nach eigener Aussage betreut Hobby Lobby aktuell über 6.000 Kinder, im Herbst sollen weitere Standorte in Graz-Umgebung und in Dornbirn er­öffnen. Nebenbei hat Bergmann nicht nur einen Master in Sozialer Arbeit und Sozialwirtschaft abgeschlossen, sondern ist auch Mutter von zwei Kindern ­geworden. Ihre eigene Mutter war selbstständig, ihr Vater als Lehrer tätig. „Beides wollte ich ursprünglich auf keinen Fall machen“, schmunzelt die Hobby-Lobby-CEO. ­Teach for ­Austria hat das verändert. „Es war das beste Leadership-­Programm, das ich je gemacht habe“, sagt ­Bergmann.

Foto: Hobby Lobby

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