KULTURTECHNIK AM TELLER

Heinz Reitbauer zählt zu den besten Köchen der Welt. Mit Forbes sprach er über Landwirtschaft, Vielfalt, den Wert von Sternen und Hauben und darüber, wie man in der Gastronomie ein Restaurant – oder auch drei – profitabel führt.

Auf der „World’s 50 Best Restaurants“-Liste standen Sie zuletzt auf Platz 17. Wie viel bringt so ein ­Ranking fürs Geschäft?

Wir machen – wie viele ­andere Kollegen auch – Gastronomie für die Menschen. Wie das medial gesehen und bewertet wird, entzieht sich unserem Zugriff. Wir haben auch Zeiten erlebt, in denen nationale wie internationale Erfolge im Rahmen solcher Rankings ausgeblieben sind. In diesen Zeiten war es natürlich so, dass diese Kritik jenen Gast, der uns nicht ­kannte, auch nicht unbedingt zu uns geführt hat. Auf der anderen Seite gab es aber Gäste, die davon unbeeinflusst ­waren; Besucher, die schon viele ­Jahre von meinen Eltern bewirtet und betreut worden waren. Damals wurde uns erst richtig bewusst, was es heißt, einen Stammgast zu haben, der dir auch dabei hilft, über schwierigere Zeiten zu kommen. Diese Wertschätzung ist tief in ­unserem Bewusstsein verankert.

Sterne und Hauben – Sie haben zwei respektive fünf – sind ein Grad­messer für Qualität. Haben Sie nicht auch den Ehrgeiz, dieses Level zu halten?

Auf der einen Seite sind diese Bewertungen für unsere Branche ein Segen, weil dadurch auch Betriebe vor den Vorhang geholt werden. Auf der anderen Seite finde ich es ganz schwierig, nach diesen ­Bewertungen zu streben. Letztendlich geht es um die Verantwortung, die damit einhergeht. Ich glaube, dass so eine Bewertung – egal, ob in der Automobil-, Skibranche oder in der Gastro­nomie – einen Menschen wohin bringen kann; in ein Restaurant oder zu einem Produkt. Ich glaube aber auch, dass die meisten Menschen sich einfach ihre eigene Meinung ­bilden ­können. Menschen fühlen sich aus unter­schiedlichen Gründen an ­gewissen Plätzen einfach wohl – und vielen ist egal, ob dieses Restaurant nun auf Platz 125 eines Rankings steht oder unter den ersten zehn der Welt.

Heinz Reitbauer betreibt das Steirereck in zweiter Generation. Neben den beiden Standorten in Wien betreiben die Reitbauers auch ein Wirtshaus am Pogusch in der Steiermark.

Es heißt, dass es umso ­schwieriger ist, ein Restaurant profitabel zu führen, je höher dekoriert es ist. Wie machen Sie das?

Gastronomie ist allgemein eine Herausforderung, speziell die Gastronomie, die sich auf die Zubereitung von frischen Lebensmitteln spezialisiert. Bei uns ist es die Mischung, vielleicht das Konglomerat aus verschiedenen Bereichen, die uns in Summe wirtschaftlich erfolgreich macht.

Ist die Marge in einem Ihrer Häuser höher als in den anderen?

Die Marge in der Gastronomie ist allgemein eine sehr bescheidene und bewegt sich im einstelligen Bereich.

Kommen wir zu Ihrer Karte im ­Wiener Steirereck. Wie oft wird die ­gewechselt?

Die ganze Karte ändern wir nie. Meistens gibt es zu Beginn einer Unternehmung eine Phase, in der man denkt, man müsse das tun. Das führt aber eigentlich nur zu einem ziemlich unrunden System und einer Fehlervermehrung. Wir wechseln ständig, aber nie alles. Als wir vor 15 Jahren gestartet sind, haben wir kleine ­nummerierte Kärtchen zu unseren Gerichten gelegt – davon haben wir heute fast 1.200. Im ­ersten Jahr hatten wir 100 neue Gerichte, in letzter Zeit sind es zwischen 70 und 80 im Jahr. Das hat auch damit zu tun, dass wir immer wieder auf ­Gerichte zurückgreifen, die wir schon serviert ­haben und saisonab­hängig weiterentwickeln. Diese Gerichte bekommen aber keine neue Nummer, sondern nur eine weiterführende.

Den Bezug zur guten Küche haben Sie auch von Ihrer Familie mitbekommen, die selbst tief in der österreichischen Gastro­nomie verwurzelt ist. Als Sie 1996 das Steirereck am Pogusch aufbauten, hat Ihr Vater das Steirereck in Wien geführt. 2005 haben Sie beide die Restaurants ­gewechselt. Wie kam es dazu?

Eigentlich haben meine Eltern 1993 – im Familienverbund – das Anwesen in Turnau erworben, um daraus à la longue ihren Alterssitz zu machen. Damals entstand die Idee, ein zweites Standbein neben dem Steirereck in der Rasumofskygasse aufzubauen. Für das Steirer­eck am Pogusch war ursprünglich ein Mitarbeiter vorgesehen, der das Gasthaus führen sollte, bis sich meine Eltern aus dem Geschäft zurückziehen wollten. Der ist aber sehr kurzfristig abgesprungen.

Also hieß es, ich solle es ein Jahr lang im Übergang führen. Ich war damit einverstanden, zumal ich schon bei der Planung, dem Entwurf und der Entwicklung des Hauses gemeinsam mit einem Baumeister und Zimmermann involviert war. Das war neben dem Kochen immer schon meine große Leidenschaft: das Bauen. Aus diesem einen Jahr sind dann viele geworden – und es hat sich auch ganz anders ent­wickelt, als wir das ursprünglich geglaubt ­hatten.

Heinz Reitbauer (47)
... machte seine Lehre im elterlichen Restaurant Steirereck in Wien. 1996 eröffnete er das Steirereck am Pogusch und wechselte 2005 ins Steirereck nach Wien. Das dritte Outlet der „Reitbauer-Gruppe“ ist die Meierei.

Besser oder schlechter?

Wir haben wirklich geglaubt, dass es ein ganz normales Wirtshaus wird. Und ich kann mich daran erinnern, dass mein Vater zu mir gesagt hat: „Ich garantiere dir, du machst ­keine 5.000 Schilling (nach damaligem Wechselkurs rund 360 €, Anm.) Umsatz pro Tag.“ Und das, weil ich dachte, zwei Mitarbeiter im Service und zwei ­weitere in der Küche zu brauchen – und er meinte, diese Größenordnung sei gar nicht notwendig.

In kürzester Zeit hatten wir dann mehr als 40 Mitarbeiter. Das war eine sehr schwierige Zeit mit hoher Fluktuation. Wir sind damals binnen kürzester Zeit in eine Maschinerie gekommen, die uns alle übermannt hat. Und wir haben zwei Jahre gebraucht, um dieses Unternehmen halbwegs in eine Situation zu führen, die für alle Menschen bewältigbar war. Danach haben wir zugebaut und das Haus weiterent­wickelt. Später standen dann die Veränderungen in Wien an, sodass wir diesen internen Wechsel vollzogen haben, weil diese Veränderung auch die Handschrift der nächsten Generation tragen sollte.

Was sagen Sie zu In-vitro-Fleisch? Werden wir uns darauf einstellen müssen?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses In-vitro-Fleisch auf jeden Fall kommen wird, weil es ­einfach die logische Antwort auf die Massentierhaltung ist. Über den Geschmack könnte man sicher diskutieren; der ist ­aber möglicherweise bei Weitem nicht so schlimm, wie wir uns das vorstellen. In anderen Kultur­landschaften gibt es keine so starke Ablehnung gegenüber diesem Produkt wie bei uns. Diese Entwicklung ist sicher nicht aufzuhalten. Was mich aber überrascht, ist, dass die Landwirtschaft noch nicht reagiert, noch keine Alternativstrategien entwickelt hat. Fleisch ist ja kein Randprodukt. Was wir gelernt haben, ist, dass die Industrie überall dort, wo es um kein Randprodukt und wirklich viel Geld geht, rasend schnell handelt.

Wenn man Köche nach ihren Lieblingsgerichten fragt, sind es oft recht einfache Speisen. Welches ­Essen macht Sie glücklich?

Ich bin ein großer Liebhaber von geschmacksintensiven ­Dingen. Bei Grundnahrungsmitteln könnte man ­sagen: Innereien und Wild. Und ich mag sehr feine Dinge – Gemüse –, aber nicht im selben Gericht. Beides allerdings reizt meinen Gaumen – das eine da, das andere dort. Und so ver­suchen wir, das auch in unserer Küche zu leben.

Text: Heidi Aichinger
Fotos: Florian Rainer

Dieser Artikel erschien in unserer Forbes Daily "Wiener Wirtschaft".

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