Kunst für alle

Space X und Blue Origin wollen das Weltall für jedermann zugänglich machen, Robinhood und Bitpanda wollen den Aktienmarkt für jedermann zugänglich machen – Amir Akta will dasselbe für den Kunstmarkt tun: Mit seiner 2019 gegründeten Plattform Return on Art will er die Liquidität von Kunstwerken im Preissegment unter 10.000 € erhöhen und damit eine Einkommensquelle für Künstler schaffen.

Das Gemälde „Salvator mundi“, das Leonardo da Vinci zugeschrieben wird, wurde 2017 zum teuersten Kunstwerk aller Zeiten, als es um satte 450 Mio. US-$ verkauft wurde. Wenn über den Kunstmarkt berichtet wird, dann geht es meistens um solche Transaktionen, welche in den Auk­tionshallen geschichts­reicher Kunsthäuser wie etwa Christie’s oder Sotheby’s stattfinden. Für die meisten heute lebenden Künstler bleiben solche ­Kaufpreise natürlich ein Traum – denn 92 % der ­Werke von lebenden Künstlern, die verkauft werden, haben ­Preise niedriger als 50.000 US-$; 68 % werden um 5.000 US-$ oder weniger verkauft. Genau diese Tatsache will Amir Akta ausnutzen und dieses Segment modernisieren, indem er lebenden Künstlern eine Möglichkeit anbietet, Kunst online zu verkaufen. 2019 gründete er deshalb
die Plattform Return on Art.

Die Plattform sieht auf den ­ersten Blick aus wie ein gewöhnlicher Onlineshop – doch statt Schuhen, Büchern oder sonstigen Alltags­gegenständen wird hier Kunst verkauft. Die Preise liegen in der Regel unter 10.000 €. Mit der Digitali­sierung des Verkaufs will Akta mehr Transparenz und damit auch Liquidi­tät am Kunstmarkt schaffen: „Es ist unser Ziel, dass du bei uns ein Gemälde kaufen kannst, immer einen Überblick über den Wert hast und es dann auch jederzeit weiter­verkaufen kannst“, erklärt der 24-Jährige.

Derzeit ist Return on Art ausschließlich im sogenannten Primär­markt tätig, das heißt, es findet nur der Verkauf von Künstlern an Kunden statt. Damit ist der Käufer stets der allererste Besitzer des Kunstwerks. Als Sekundärmarkt wird ­dagegen jener Sektor bezeichnet, wo die Werke von den Be­sitzern weiter­verkauft werden – somit sind Auktions­häuser wie Christie’s, ­Sotheby’s oder das Dorotheum in Wien im Sekundärmarkt aktiv.

2020 erreichte der welt­weite Umsatz mit Kunst und Anti­quitäten 50,1 Mrd. US-$, was einen Rückgang von 22 % gegenüber 2019 und von 27 % gegenüber 2018 dar­stellte. Dabei wuchs das Online­segment aber auf ein Rekordhoch von 12,4 Mrd. US-$ – eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr. Die Pandemie scheint das Interesse der Kunstsammler nicht gedämpft zu haben: In einer von Arts Economics und UBS Investor Watch durchgeführten Studie in zehn Märkten gaben zwei Drittel der Befragten an, dass sie seit der Pandemie mehr Inte­resse daran haben, Kunst zu sammeln. Akta hat also keinen schlechten Zeitpunkt gewählt, um eine digitale Plattform für Kunst zu gründen. 2021 verzeichnete Return on Art mit nur neun Angestellten ­einen siebenstelligen Umsatz im zweiten Geschäftsjahr.

Amir Akta
...studierte Business Studies an der Bayes Business School in London und gründete 2019 den digitalen Kunstmarktplatz Return on Art.

Die kleine Mitarbeiterzahl ist vor allem deswegen möglich, weil Return on Art die Kunstwerke nie berühren muss. Beim Kauf eines Werks wird der Künstler von Return on Art benachrichtigt und das Werk wird direkt vom Künstler an den Kunden verschickt.

Derzeit arbeitet die Plattform mit fast 100 Künstlern zusammen (durchschnittlich kommen jede Woche zwei neue hinzu). Im Vergleich zu traditionellen Galerien ist das rela­tiv viel, denn im primären Sektor ar­beitet man im Durchschnitt mit rund 25 Künstlern zusammen. Return on Art macht sich auch mit seiner niedrigeren Provisions­rate für Künstler attraktiv: Während traditio­nelle Galerien rund 50 % des Verkaufs­preises (oder sogar mehr) einnehmen, ist die Rate bei Return an Art nur halb so hoch. Damit ermöglicht die Plattform den Künstlern, von ihrer Kunst zu leben. Laut Akta verdient das Top-Viertel der Künstler rund 3.000 € im Monat – allein durch den Verkauf via Return on Art. Zum Vergleich: In Öster­reich lag das Median-Nettoeinkommen 2020 bei nur 2.182 € im Monat.

Ian Bertolucci ist einer der Künstler, die mit Return on Art zusammenarbeiten. (Er identifiziert sich als non-binär; weil es im Deutschen kein geschlechtsneutrales Pro­nomen gibt, nutzen wir in diesem Text den Genderstern.) Bertolucci schloss sein* Kunststudium an der ­Academy of Fine Arts in Carrara ab, doch von seiner* Kunst konnte er* noch nicht leben: „Der Verkauf meiner Kunstwerke erfolgte nur gelegentlich und war hauptsächlich mit kleinen Aufträgen verbunden“, sagt Berto­lucci. Im Oktober 2020 bewarb er* sich als Künstler bei Return on Art und bekam schon am nächsten Tag eine Antwort – die Plattform sei an einer Zusammen­arbeit interessiert. Derzeit lebt Bertolucci in Viareggio, ­einer italienischen Kleinstadt mit rund 62.000 Einwohnern – Kunst ist derzeit ­seine* einzige Einkommensquelle.

Der durchschnittliche Wa­ren­korb, also der Wert des durchschnittlichen Gesamteinkaufs pro Kunde, ist um das Dreifache gestiegen. Insgesamt habe Return on Art rund 2.500 Gemälde in 53 Ländern an 1.400 Sammler verkauft, so Akta. Im letzten Jahr ist die Anzahl der im Monat verkauften Werke auf etwas weniger als 200 gesunken.

Die meisten Sammler von ­Return on Art kommen aus Amerika, und zwar 40 %. Danach folgt der DACH-Raum mit 20 %, 15 % der Kunden kommen aus England, die restlichen aus Asien. Das ergibt Sinn: 2020 wurden 82 % der Kunstumsätze in den USA, im Vereinigten Königreich und im Großraum China verzeichnet. Dabei sind die USA bei Weitem der größte Markt – mit einem Wert von 21,3 Mrd. US-$, also 42 % des globalen Markts.

Return on Art – im Namen steckt beides: Kunst und ­Rendite. Wenn es nach Akta geht, wiegt die Kunst aber schwerer: „Ich würde nie im Leben sagen, dass wir eine Tradingplattform sind.“ Stattdessen liege seine Intention viel eher da­rin, den Leuten zu ermöglichen, Ge­mälde zu kaufen, die sie tatsächlich genießen können.

Akta wuchs in Österreich auf und studierte in London Business Studies an der Bayes Business School, wo er seine Abschlussarbeit zum Thema Digitalisierung am Kunstmarkt schrieb. Bald nach seinem Abschluss kehrte er nach Öster­reich zurück und gründete ­Return on Art; zuerst als Insta­gram-Account, danach kam die Website hinzu. Doch am Anfang stieß er mit seiner Idee auf Gleichgültigkeit seitens der Künstler. Akta: „Sie dachten nicht, dass irgend­wer ein Gemälde um 2.000 € online kaufen würde.“ Erst als er angeboten hatte, auf eigene Kosten 50 Prints von den Werken zu produzieren, sagten ein paar Künstler zu. So ließ er Druck­grafiken auf Basis der Original­gemälde anfertigen und stellte die Kollektion, bestehend aus Drucken und den Gemälden, online. „In den ersten drei Monaten haben wir nichts verkaufen können“, erinnert er sich.

Für 2022 hat Akta Großes vor: Eine weltweite Community an Kura­toren und Kunstexperten aufbauen, in den Sekundärmarkt einsteigen sowie physische Events veran­stalten – wie etwa Pop-ups. Schon heute wird ein Drittel des Umsatzes ­mithilfe von Instagram generiert, denn mittler­weile hat Return on Art ein Publikum von 230.000 Followern auf der Plattform schaffen können. Während es am Anfang viele Skep­tiker gab, hat Akta zwei Jahre nach der Gründung ein solides Businessmodell auf die Beine stellen können. Der Erfolgsfall Bertolucci zeigt, dass auch die Kunst von der Digi­tali­sierung profitieren kann: „Ich ­denke, dass das Internet ein außer­gewöhnliches Werkzeug ist, das die Distanz zwischen dem Künstler und seinem Publikum verkürzen kann – insbesondere für Künstler, die wie ich nicht in Großstädten arbeiten und leben“, so Berto­lucci.

Text: Sophie Spiegelberger
Fotos: Gianmaria Gava

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 1–22 zum Thema „Ressourcen“.

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Redakteurin & Head of Digital

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