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Vanessa Romano ist seit Juli CEO von Jmes World, einer Berliner Plattform, die Kunst demokratisieren will: Statt ganze Werke zu kaufen, können Sammler Anteile erwerben. Im Gespräch mit Forbes erzählt die Amerikanerin, wie sie von North Carolina nach Berlin kam – und warum sie glaubt, dass Fractional Ownership die Zukunft des Kunstmarkts sein könnte.
„Viele Menschen wollen in die Kunstwelt eintauchen, aber wissen nicht, wie. Sie haben Angst, weil Kunst dieses Stigma hat: Sie sei zu teuer, zu schick“, beschreibt Vanessa Romano die Mission ihres Start-ups Jmes World, während sie in der Bar des Park Hyatt in Wien an einem Achterl Weißwein nippt. „Wir wollen zeigen, dass Kunst für jeden ist.“
Die Amerikanerin mit italienischen und singapurischen Wurzeln ist seit Juli CEO von Jmes World, einer Berliner Plattform, die Kunst demokratisieren möchte: Statt ein ganzes Kunstwerk zu kaufen, können Sammler Anteile erwerben. Die Künstler bestimmen, wie viel eines Gemäldes sie verkaufen wollen, und setzen den Preis fest; Jmes World behält 2 % des Transaktionsvolumens. Das Start-up wurde bereits vor einigen Jahren von Julie Schloemer und ihrem Partner Pablo Correa Villalonga gegründet. Dass sie junge Künstler, die es in der ohnehin harten Branche oft am schwierigsten haben, unterstützen wollten, war von Anfang an klar; doch die genaue Herangehensweise veränderte sich über die Jahre. „Es gab viele Wege, die wir gehen wollten. Das Timing hat bisher nie ganz gepasst – aber jetzt sind wir auf dem richtigen Weg“, so die heutige CEO Vanessa Romano.
Ein Künstler ist ein wandelndes Unternehmen: Er ist sein eigener Vermarkter, der eigene Rechtsexperte, sein eigenes HR-Department.
Vanessa Romano
Die Plattform steht also noch in den Startlöchern – zurzeit sind rund 30 Künstler darauf vertreten, sagt Romano – und ist noch nicht profitabel. Wie möchte Romano die Plattform aufbauen und warum glaubt sie, dass Fractional Ownership eine Zukunftsalternative für den Kunstmarkt sein könnte?
Romano wuchs in einer kunstaffinen Familie in North Carolina auf. Ihr Vater war Chairman des Boards der North Carolina Opera Company, die Eltern nahmen ihre drei Kinder regelmäßig in die Oper, ins Ballett und in Museen mit, erzählt Romano am Vorabend des Women’s Summit (siehe auch S. 26). Romano nahm Klavier- und Geigenunterricht; als sie 14 war, organisierten ihre Eltern für sie eine Reise nach Florenz, damit sie einen Zeichenkurs besuchen kann. In den Florentiner Museen entdeckte sie die Geschichten hinter den Kunstwerken, die Bedeutungen der Renaissance-Gemälde. Sie erinnert sich: „Es war überwältigend zu sehen, was die Kunstszene alles bietet. Und ich dachte mir: ‚Ich muss auf jeden Fall Teil dieser Welt werden!‘“
Nach dem Schulabschluss reiste sie durch Südostasien, wo sie unter anderem in einem Waisenhaus in Laos arbeitete. Drei Monate lang lebte sie dort und half bei der Arbeit – „wir sind durch das Land gezogen und haben Eltern dafür bezahlt, ihre Töchter in unsere Schule zu schicken“, so Romano –, bevor sie mit einer neuen Perspektive auf die Welt in die USA zurückkehrte. Zurück in den USA studierte sie Business Administration mit Schwerpunkt Marketing. Nach zwei Jahren in Chicago, in denen sie für Immobilien- und Fitnessunternehmen arbeitete, landete sie 2018 bei Meltwater – beim norwegischen Softwareunternehmen managte sie Verkaufsteams und millionenschwere Kundenportfolios. Im September 2024 kündigte Romano ihren Job: „Ich hatte das Gefühl, dort ausgedient zu haben. Am Tag nach meiner Kündigung habe ich meinen Partner getroffen“, sagt sie. Er verlängerte seinen Aufenthalt, aber nach drei Monaten lief sein Touristenvisum ab und er musste zurück in seine Heimat Deutschland. Romano packte ihre Sachen und zog mit ihm nach Berlin, wo sie über mehrere Ecken auf Julie Schloemer traf – und so zur Jmes-World-CEO wurde.
Romano möchte verhindern, dass Jmes eine Plattform für die Spekulation mit Kunst wird, wie es mit ähnlichen Plattformen der Fall sei. Noch können Anteile an Gemälden nicht weiterverkauft werden und sie ist sich unsicher, ob sich das überhaupt verwirklichen lässt – auch, weil das die Plattform in regulatorische Grauzonen führt, die sie vermeiden möchte. (Künstler sollen aber die Möglichkeit haben, ihre Werke zurückzukaufen, sagt sie später im Gespräch.) Es gehe nicht um finanziellen Gewinn, betont Romano, sondern um die Unterstützung von Künstlern und die emotionale Verbindung zur Kunst.
Käufer eines Gemäldes bekommen eine digitale Kopie. In Zukunft möchte Romano auch digitale Bilderrahmen verschicken, in denen ein Käufer alle Bilder ausstellen kann, die er über die Plattform erwirbt. Außerdem möchte Jmes World regelmäßig Veranstaltungen organisieren, zu denen nur Mitglieder der Jmes-Community Zugang haben.
Fractional Ownership ermöglicht es Menschen, sich ein Kunstwerk zu teilen. „Meine Schwester und ich können Anteile am selben Gemälde besitzen. Jedes Mal, wenn ich das Kunstwerk sehe, weiß ich dann, dass es auch im Haus meiner Schwester hängt. Das baut eine ganz besondere Verbindung auf“, erklärt Romano. Zwar fänden manche Kunst-Puristen, dass nur ein physisches Gemälde „wahre Kunst“ sei, doch in einer Welt, in der Menschen KI-Partner haben können, sei die Frage, ob physische oder digitale Kunst „besser“ sei, ohnehin überholt. Entscheidend sei die emotionale Verbindung.
Besonders am Herzen liegt Romano das Bildungsprogramm, das Jmes World gemeinsam mit dem Co-Working-Space und dem Start-up-Hub Factory Berlin aufbaut, den Udo Schloemer, Julies Vater, gegründet hat. „Ein Künstler ist ein wandelndes Unternehmen: Er ist sein eigener Vermarkter, der eigene Rechtsexperte, sein eigenes HR-Department“, sagt Romano. Doch nur wenige Künstler haben einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund. In den Workshops von Jmes World sollen sie lernen, Verträge zu verhandeln, Portfolios zusammenzustellen, Social Media zu nutzen, mit Urheberrecht umzugehen – „die praktischen Skills, die an Kunsthochschulen oft zu kurz kommen“, fasst die CEO zusammen.
Noch wird Jmes World von privaten Investoren finanziert, doch Romano rechnet damit, dass das Start-up in zwei Jahren profitabel sein wird. „Wir testen den Markt gerade und probieren verschiedene Sachen aus. Sind diese erfolgreich, wissen wir, wo wir ansetzen können“, erzählt sie. Die Plattform wachse aber, die Partnerschaften würden laufend mehr. Für sie ist klar: „Wir sind hier, um Künstler zu unterstützen. Und wie auch immer wir das schaffen – genau das werden wir tun.“
Fotos: Moritz Scheer