Kurs Richtung Klima

Die niederländische Regierung hat strikte Klimaziele: Bis 2030 sollen 49% der CO2-Emissionen eingespart werden, bis 2050 sogar 95%. Großprojekte, wie eine unterirdische CO2-Speicheranlage und Windräder im Hafen von Amsterdam, sollen dabei helfen.

An der Nordsee, drei bis fünf Kilometer unterhalb des Meeresbodens und an die 100 Kilometer von der Küste Amsterdams entfernt, soll die CO2-Speicheranlage genannt Athos entstehen. Eine Pipeline wird den Speicher mit einer Kompressoranlage und Unternehmen verbinden, die das CO2 für die Industriefertigung nutzen wollen. Zu Gute kommen den Niederlanden die geologischen Bedingungen. Das Land verfügt über leere Gasfelder, die sich für das Auffangen und Lagern von Kohlendioxid („Carbon Capture and Storage“, kurz CCS) eignen.

Projektmanager Thijs de Vries ist überzeugt, dass es nur mit CCS Großprojekten möglich ist, die Klimaziele der Niederlande zu erreichen. „Mit den CO2-Speicher-Projekten in Rotterdam und Amsterdam haben wir zwei der größten Klimaprojekte in Europa, gemessen an dem, was sie in recht kurzer Zeit erreichen können“, sagt de Vries. Das CO2-Speicherprojekt in Amsterdam baut auf den Erfahrungen des Vorreiterprojekts in Rotterdam, das allerdings noch nicht fertiggestellt ist.

Bei Großprojekten wie diesen steht und fällt die finale Entscheidung mit dem Investment. „Wir erwarten Gesamtkosten von etwa 400 bis 500 Millionen Euro für die gesamte Infrastruktur“, sagt de Vries. Für diesen Kapitalaufwand könne aber einiges erreicht werden. „Mit einem Projekt wie Athos können dreieinhalb bis siebeneinhalb Millionen Tonnen CO2 pro Jahr gespeichert werden“, sagt de Vries. Er hofft darauf, dass die Europäische Union nach dem Projekt in Rotterdam auch das in Amsterdam fördern wird. Beide CO2-Speicherprojekte wurden bereits als „Projects of Common Interest“ von der Europäischen Kommission ausgezeichnet. Thijs de Vries ist optimistisch, was die Förderung seines Projektes anbelangt. Er sieht einen großen Bedarf innerhalb der EU an CCS Verfahren. Nur so könnten die Ziele des Pariser Klimaabkommens, eine Begrenzung der Erderwärmung auf unter 2°C, eingehalten werden.

Während die Partner, dazu zählen Energie Beheer Nederland (EBN), das Gasinfrastrukturunternehmen Gasunie, der Stahlproduzent Tata Steel und der Hafen von Amsterdam, das Projekt vorantreiben, werden zu CO2-Speichersystemen vermehrt kritische Stimmen laut. Umweltbewegungen wie Fridays for Future kritisieren, dass solche Speichersysteme nur Kompensation wären, aber nicht mit einer langfristigen Umstellung auf erneuerbare Energien gleichzusetzen sind. De Vries kennt die Kritik an den CCS Projekten, ist aber überzeugt, dass diese eine Möglichkeit bieten, die kurzfristigen Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig an langfristigen Lösungen zu arbeiten. „Die Erde erwärmt sich ziemlich schnell und es gibt momentan wenige groß angelegte Lösungen“, sagt de Vries. „Vieles muss erst entwickelt werden, aber CO2-Speicherung ist etwas, dass man heute tun kann, um große Mengen an CO2 außerhalb der Luft zu halten.“ CCS könne aber nicht die einzige Option sein, sondern nur ein Teil innerhalb der Umstellung auf grüne Energie.

Windenergie als langfristige Lösung

Neben leeren Gasfeldern im Gebiet des Nordseekanals nutzt der Hafen von Amsterdam noch eine weitere geographische Besonderheit: den starken Wind. Seit 2017 hat der Hafen 35 Hektar Fläche für Windräder reserviert. Für Allard Klinkers, den kaufmännischen Leiter für Offshore und Logistik, ist das eine große Summe im begrenzten Hafengebiet. Diese Fläche soll sich aber auszahlen. „Unser Ziel ist es 2030 bereits 11,5 Gigawatt Offshore-Wind zu generieren“, sagt Allard Klinkers. Für die Nutzung dieser Energie gibt es bereits eine Idee. Der Hafen von Amsterdam wird mit dem Stahlunternehmen Tata Steel und dem Chemikalienhersteller Nouryon einen Elektrolyseur entwickeln, um den Strom aus den Windparks in Wasserstoff umzuwandeln. „Ein Hafen kann viel dazu beitragen, um den Übergang von Elektrizität zu Wasserstoff zu schaffen", sagt Allard Klinkers und ergänzt: „Um Wasserstoff schon jetzt nutzbar zu machen, braucht man große Energieverbraucher.“

Neben zukunftsweisenden Projekten, kämpft der Hafen aber immer noch mit Altlasten wie Kohle. Bis 2030 will der Hafen kohlefrei werden. Damit das gelingt, berät Allard Klinkers Kunden über mögliche Geschäftsalternativen. „Wir betrachten den USP eines jeden Kunden und überlegen, wie wir das in Beziehung zu erneuerbaren Initiativen setzen können“, sagt Klinkers. Eine Umstellung des primären Produkts sei nicht immer möglich, Ausrüstung könne aber elektrifiziert und Energie besser genutzt werden. So werden bis Ende des Jahres 125.000 Solarpaneele auf die Dächer der Betriebe im Hafengebiet gesetzt, mit denen an die 30 Megawatt gespeichert werden können. Projekte wie diese würden auch weitere Kunden an den Standort Amsterdam ziehen. Für Unternehmen wird es immer relevanter mit grünen Initiativen zu arbeiten – nicht zuletzt, weil es gut für das Image ist.

Kampf gegen Auswirkungen der Klimakrise

Der Hafen von Amsterdam ist bereit zu investieren, um klimaneutral zu werden. In Zukunft wird der Hafen aber verstärkt mit den Auswirkungen der Klimakrise zu kämpfen haben. Seit 1850 ist der Meeresspiegel in den Niederlanden gemäß Ministerium für Infrastruktur und Umwelt um 20cm gestiegen. Bis 2100 sollen es noch um 85cm mehr werden. Um Überflutungen aufzuhalten, wird gerade an der Implementierung einer neuen Seeschleuse gearbeitet. Schon beim Design wurde ein möglicher Anstieg des Meeresspiegels um 1,5 Meter bis 2120 berücksichtigt. Die Bauarbeiten für die neue 500 Meter lange, 70 Meter breite und 18 Meter tiefe Schleuse begannen 2016. In Betrieb gehen soll sie nach einigen Verzögerungen im Jahr 2022. Damit kann der Hafen auch wesentlich größere und breitere Schiffe empfangen. Das sei aber nur eines der Ziele. Jan Rienstra arbeitet als Stakeholder-Manager bei Rijkswaterstaat und kennt die Anforderungen an die neue Seeschleuse. Rijkswaterstaat ist ein Teil des niederländischen Ministeriums für Infrastruktur und Wasserwirtschaft und für den Bau und die Wartung der wichtigsten Infrastruktur-Elemente verantwortlich. „Eine der Hauptfunktionen der neuen Schleuse ist die Wasserabwehr“, sagt Rienstra. Einige Schleusenwände gehen daher bis zu einer Tiefe von 25 Metern, um die Schleuse noch besser zu verankern. Die neue Schleuse wird bei Fertigstellung einige Meter höher als der Rest des Hafenkomplexes sein: 8,85 Meter genau genommen.

Der Nordseekanal, durch den die Schiffe den Hafen in Amsterdam erreichen, liegt 40 Zentimeter unter dem sogenannten „New Amsterdam Scale“, also dem Normalpegel von Amsterdam. Bei 3,4 Metern über diesem Maßstab tritt der Wasserabwehr-Mechanismus in Kraft und Schiffe werden nicht mehr durchgelassen, mit der neuen Schleuse würde dieser Mechanismus erst bei 3,9 Metern in Kraft treten. Halten soll die Seeschleuse eben so lang wie die alte, die nun 100 Jahre alt ist. Ein kostspieliges Investment in die Zukunft: Die Kosten des Projektes wurden schon mehrmals nach oben korrigiert und liegen derzeit bei rund einer Milliarde. Ist es das Geld wert? Der Hafen kann dadurch größere Schiffe empfangen und sich für die Zukunft rüsten. Die Funktion der Wasserabwehr darf nicht außer Acht gelassen werden. “Ein Viertel der Niederlande hängt von den Pumpen des Schleusenkomplexes ab“, sagt Rienstra. Werden die Niederlande sich mit Großprojekten wie diesen vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen und ihre Ziele erreichen können? Die Niederländische Agentur für Umweltprüfung (PBL) hat berechnet, dass die Treibhausgasemissionen mit den derzeitigen Maßnahmen bis 2020 um rund 23% sinken werden. Bis 2030 können nach derzeitigem Stand nur 35% eingespart werden und nicht 49% wie gewünscht. Die Hoffnungen liegen also auf Großprojekten wie jenem von Thijs de Vries und leeren Gasfeldern in der Nordsee.  

Text: Annemarie Andre
Fotos: beigestellt

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