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Der Finanzsektor wittert gegen Ende der Pandemie wieder Morgenluft. Zwar kommen noch einige Herausforderungen, etwa eine mögliche Insolvenzwelle, auf die Branche zu – doch Experten trauen den Aktien ausgewählter Unternehmen satte Kursgewinne zu.

Der Finanzsektor wurde von der ­Coronakrise heftig durchgebeutelt. Doch während andere Branchen – wie etwa Gastgewerbe oder Tourismus – sich erst jetzt langsam erholen, erlitt die Geldbranche aus heutiger Sicht nur kleine Schäden. So ging der Stoxx ­Europe 600 Banks Index, der die Kurs­entwicklung der 600 wichtigsten Banken in Europa abbildet, bis zum November des Vorjahrs zwar heftig in die Knie, seitdem hat er allerdings ­Flügel ­bekommen: Auf Jahressicht ­legte der Index im Zuge einer ­saftigen w-förmigen Erholung um ­knappe 50 % zu (alle Zahlen Stand ­Redaktionsschluss) – vom Vorkrisen­niveau und dem Höchststand im Jahr 2018 ist er allerdings noch eine Ecke entfernt.

Dabei warten noch allerlei Herausforderungen auf die Finanzbranche: Da ist zum einen die Digitali­sierung, die allerdings durch die Pandemie einen heftigen Schub bekommen hat – und das ist auch dringend nötig, denn Covid-19 hat das Nutzungsverhalten der euro­päischen Bankkunden nachhaltig verändert. 42 % der befragten Europäer gaben an, seit Beginn der Pan­demie Finanztransaktionen häufiger online oder via App abzu­wickeln. In Deutschland sind es 28 %, zeigt eine Studie des Kreditkartenunternehmens Mastercard.

Und: In Europa können sich inzwischen 62 % der Befragten einen Wechsel zu einer Digitalbank vorstellen (2019: 54 %). In Deutschland stieg dieser Wert im Vergleich zum Vorjahr sogar um elf Prozentpunkte – jeder zweite Deutsche (51 %) zieht einen Wechsel in Erwägung, jeder zehnte Deutsche ist bereits Kunde einer Digitalbank (Europa: 6 %).

Zum anderen könnte aktuell auch eine Pleitewelle, ausgelöst durch die nun versiegenden Staatshilfen an Unternehmen, den Fi­nanz­sektor belasten. So wurden im Jahr 2020 durch Wirtschaftshilfen 60 % der Pleiten in Österreich verhindert. Für Deutschland geht der Kreditversicherer Euler Hermes für 2022 von einer Zunahme der Insolvenzen um rund 15 % aus – das wären jedoch nur 4 % mehr als im Jahr 2019.

Doch die Aussichten sind für ausgewählte Aktien aus dem Finanzbereich nicht schlecht: Zu den möglichen Gewinnern wird etwa die London Stock Exchange (LSE) gezählt. Und das, obwohl der Marktplatz durch den Brexit eine volle Breitseite abbekam – ein „Urknall-Ereignis“ für den Londoner Finanzmarkt, wie es ein Beobachter beschrieb. Denn EU-Banken müssen seit dem 4. Januar 2021 auf Euro lautende Aktien innerhalb des Blocks handeln, was sie dazu zwang, von Handelsplattformen der Lon­doner Börse zu EU-Hubs in Amsterdam oder Paris zu wechseln.

Zuletzt fiel der Kurs der LSE-Aktie von 9.900 Pence im Februar auf 7.000 Pence Ende März. Die darauf einsetzende Erholung pushte das Papier auf 7.750 Pence – und hier soll nicht Schluss sein: Die britische Investmentbank Barclays hat zwar das Kursziel der London Stock Exchange von 11.500 auf 11.000 Pence gesenkt, die Ein­stufung jedoch auf „Overweight“ belassen. Analyst Michael Sanderson begründete das niedrigere Kursziel unter anderem mit fort­gesetztem Gegenwind von den Wechselkursen. Für die Aktie sprächen erste Anzeichen von Synergien aus Übernahmen des Börsenbetreibers.

Die Privatbank Berenberg blieb bei ihrer Einstufung für die Londoner Börse nach Zahlen auf „Buy“, bei einem Kursziel von 10.000 Pence. Das erste Quartal des Börsenbetreibers sei besser als erwartet ausgefallen; Synergie­effekte wurden auch hier betont: Sie hätten sich günstiger als gedacht auf die Kosten ausgewirkt.

Das Analysehaus RBC ließ das Rating auf „Outperform“, mit einem Kursziel von 10.600 Pence. Der Börsenbetreiber habe ein ordent­liches Wachstum ausgewiesen, so die RBC-Experten. Im Konsensus liegt das Kurspotenzial, das man der LSE zutraut, übrigens bei rund 25 %.

Eine Aktie im Visier der Analysten ist die französische Großbank BNP Paribas, die im Mai 2000 durch die Fusion der Banque Nationale de Paris (BNP) und der Bank Paribas entstanden ist. Ge­messen an der Bilanzsumme ist sie die zweitgrößte Bank in Europa. Zusammen mit der Société Générale und der Crédit Lyonnais gehört sie zu den drei alten Geschäftsbanken Frankreichs („les trois vieilles“).

Die Bank ist eines der 30 weltweit wichtigsten Finanz­­institute, die vom Finanzstabilitätsrat als global systemrelevant eingestuft wurden. Die letzten (formidablen!) Zahlen des Instituts mit seinen 199.000 Mitarbeitern ließen wohl die Champagnerkorken in Paris knallen: Um rund 38 %, auf knapp 1,8 Milliarden €, war nämlich der Gewinn im ersten Quartal 2021 geklettert. Das Institut profitiert von geringeren Rückstellungen und einem guten Aktienhandelsgeschäft.

Diese Nachrichten lassen auch die Analysten aufhorchen: Die US-Bank JPMorgan hat die Einstufung für BNP Paribas daher nach Zahlen zum ersten Quartal weiter auf „Overweight“ (mit einem Kursziel von 60 €) gesetzt; der Kurs lag zuletzt bei 54 €. Die franzö­sische Großbank habe stark ab­geschnitten, meinte Analystin Del­phine Lee – insbesondere der bereinigte Vorsteuergewinn habe die Markt­erwartungen übertroffen.

Ins gleiche Horn stößt auch die US-Investmentbank Goldman Sachs und hat die Aktie von BNP Paribas nach einer Telefonkonferenz zu den Quartalszahlen auf der „Conviction Buy List“ (mit einem Kursziel von 65 €) belassen. Auch dank unter dem Strich positiver Einmaleffekte habe der Reingewinn die vom In­stitut erhobene Markterwartung deutlich übertroffen.

Das Management der Fran­zosen habe außerdem signalisiert, dass sich der Ausblick vom Februar als konservativ erweisen könnte, schrieb Analyst Jean-François Neuez – was Aktionäre auf weitere Kursgewinne hoffen lässt. Und auch beim Analysehaus RBC ist die Ampel für BNP Paribas weiter auf Grün, mit dem Rating „Outperform“ und einem Kursziel von 60 €. Auf dem aktuellen Kursniveau sei das gute Erholungspotenzial der Bank nämlich noch gar nicht eingepreist, ist Analystin Anke Reingen überzeugt.

Ein weiterer gefragter Titel aus dem Finanzbereich ist die spanische Banco Santander. Das 1857 gegründete Unternehmen entwickelte sich seit Beginn der 1990er-Jahre durch zahlreiche Übernahmen und Fusionen zur größten Bank Spaniens. Banco Santander entstand in ihrer heutigen Form aus der Fusion der Banco Santander mit der Banco Central Hispano im Jahr 1999. Mit über 196.000 Mitarbeitern betreut man 145 Millionen Kunden in zehn Kernmärkten in Europa und Amerika.

Die Aktie stürzte (wie so viele andere Titel) im Zuge der Pandemie bis September 2020 auf einen Kurs von 1,50 € ab. Die letzten zwölf Monate wirbelten den Kurs dann aber um mehr als 60 % nach oben. Zuletzt lag der Wert des Papiers bei 3,20 €.

Manche Experten erwarten aber noch um einiges mehr: So hat Goldman Sachs die Aktie von Santander nach den Quartalszahlen auf der „Conviction Buy List“ belassen, das Kursziel der Gold­männer liegt immerhin bei knackigen 4,30 €. In diesem Szenario wäre also noch einiges drin; nämlich rund 35 % – vom aktuellen Kurs aus gerechnet.

Auch die Schweizer Bank ­Credit Suisse hat das Kursziel für die spanische Bank nach den Zahlen zum ersten Quartal angehoben – zwar nur von 3,30 auf 3,40 €, aber den Daumen beim Rating weiter für „Outperform“ gehoben. Das Zahlenwerk habe seine positive Einschätzung zum Wachstum der spanischen Bank untermauert, schrieb Analyst Adrian Cighi.

Text: Reinhard Krémer
Illustration: Valentin Berger

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 4–21 zum Thema „Geld“.

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