„LIEBER MÜDE ALS PLEITE“

Matthias Aumann hätte nach dem Studium eigentlich das Landschaftsbauunternehmen seiner Eltern über­­nehmen sollen, doch es musste geschlossen werden. Der Rückschlag entfachte Aumanns Ehrgeiz: Heute hat er zwei Unternehmen mit insgesamt 160 Mitarbeitern und macht 20 Millionen € Umsatz pro Jahr. Sein Erfolgsrezept gibt er an KMU im DACH-Raum weiter.

Sie haben in Osnabrück Ingenieurwesen im Landschaftsbau studiert. Sofort nach dem Abschluss fingen Sie an, als Selbstständiger zu arbeiten. Warum?

Es war immer mein Ziel, selbstständig und Unternehmer zu werden. Wir Deutschen sind aber obrigkeitshörig und mir wurde damals als Kind eingetrichtert, dass einem Zeugnisse und Zertifikate niemand nehmen kann. Der Mainstream-Zugang war also, eine Ausbildung zu machen, und idealerweise noch ein Studium. Im Studium arbeitete ich dann schon mehr, als ich studierte. Ich habe in der Praxis mehr gelernt als im Hörsaal.

Wie kam der Schritt zur Selbstständigkeit? Es ist nicht selbst­verständlich, dass man sein Arbeitnehmerverhältnis verlässt und Unternehmer wird …

Ich bin ein Kind aus einer klassischen Unternehmerfamilie, deshalb hatte ich eigentlich immer vor, das elterliche Unternehmen, das auch im Landschaftsbau tätig war, zu übernehmen. Das war damals mein größter Wunsch. In meiner Jugend und als junger Erwachsener war das Unternehmen erfolgreich, doch das änderte sich und der Betrieb musste Insolvenz anmelden. Als Konsequenz dessen sagte ich mir nach dem Studium: „Du gründest jetzt selbst was!“

Daraufhin gründeten Sie Ihr Landschaftsbauunternehmen Aumann Grün. Können Sie uns dazu mehr erzählen?

Mit 15 Jahren begann ich die Ausbildung als Landschaftsbauer, meine Eltern waren in diesem Gebiet tätig. Mir kam nichts anderes in den Sinn als ebenfalls in diesem Bereich zu gründen. Ich glaube, das hatte etwas damit zu tun, dass ich mich beweisen wollte, da ich Hauptschüler war und man mir das nicht zugetraut hätte. Ich wollte sicherlich auch das wiedergutmachen, was die Eltern verloren hatten. Das war damals ein großer Antrieb für mich. „Lieber müde als pleite!“, sagte ich mir damals. Wir haben viel Gas gegeben, viele Fehler gemacht – und auch einiges richtig. Irgendwann kam durch die finanzielle Freiheit, die ich mir durch das Unternehmen erwirtschaftet habe, ziemlich früh die Sinnfrage.

Inwiefern?

Ich stellte mir die Frage, ob ich mich mit 50 Jahren noch immer im Garten- und Landschaftsbau sehe, und die Antwort war ein ganz klares Nein. Mit 25 Jahren hatte ich 50 Mitarbeiter, Millionenumsätze und mich auch selbst weitergebildet. Weiterbildung, Unternehmensführung, Persönlichkeitsentwicklung – das alles waren Themen, die mir ziemlich viel Spaß gemacht haben. Aumann Grün wurde als schnellstwachsendes Unternehmen in Deutschland und mit Platz 54 in Europa von der Financial Times ausgezeichnet; wir erhielten auch den Gründerpreis für Marketing und Dienstleistungskonzepte.

Wie ging es weiter?

Auf mich kamen in der Folge dann andere ­Dienstleister zu und fragten: „Wie machst du das, dass du mit gerade mal 25 Jahren von null auf 100 an allen anderen vorbeiziehst?“ Das Konzept, wie ich mein Unternehmen aufgebaut und geführt habe, gab ich dann also an andere weiter. So bin ich dann in die Beratungsschiene gerutscht; beabsichtigt war das damals jedenfalls nicht. Es gab eine Lücke und ich konnte diese anscheinend gut füllen.

Was waren und sind für Sie die interessantesten Erkenntnisse aus der Zeit mit Aumann Grün?

Die Auswahl der Mitarbeiter und das Umfeld. Im Landschaftsbau geht es ab und an rau zu. Das ist auch logisch, weil überall Baustelle ist. Dort lernte ich am meisten über den Menschen. Anfangs hatte ich eine enorme Fluktuation der Mitarbeiter; da merkte ich, dass ich mich intensiv mit Recruiting beschäftigen muss, um zu lernen, wie man ein Team zusammenschweißt und die Leute auf ein Ziel einstimmt. Das war sicherlich das wichtigste Learning in meiner Unternehmerlaufbahn.

Sie haben gemeint, andere ­Handwerker fragten Sie, wie Sie das gemacht haben. Also: Wie ­haben Sie das gemacht?

Im Studium des Ingenieurwesens war ich mit 70 bis 80 Kollegen unterwegs. Alle hatten das Ziel, schöne Designgärten zu machen, mit erlesenen Hölzern, stilistisch für Multimillionen-Villen gestaltet. Darauf hatte ich nie Lust, weil das eine schwierige Klientel ist. Am Ende des Tages hast du zwar ein schönes Ergebnis, aber ich wollte lieber ein gehobener, guter „Hausmeisterdienst“ werden; ich wollte das Banale perfektionieren und im Durchschnitt der Beste sein. Was bedeutet das? Du fokussierst dich auf einen wiederkehrenden Ablauf. Mein Unternehmen baute ich wie eine gut geölte Maschine auf – alle Prozesse sind standardisiert. Ich habe zum Beispiel eine Dienstleistung kreiert, bei der ein Mitarbeiter immer durch dieselben Gärten fährt und ganz genau weiß, was er dort zu tun hat – über Jahre hinweg.

Matthias Aumann
...studierte Ingenieur­wesen im Landschaftsbau. Danach gründete er die Unternehmen Aumann Grün und später „Mission Mittelstand“ – mit letzterem hilft er Unternehmern, ihre Prozesse zu standardisieren.

Was ist der Vorteil dessen?

Der Kunde ist zufrieden, weil er nur ein einziges Mal erklären muss, was er will; meinen Mitarbeiter muss ich einmal einarbeiten und er kann das immer wieder machen – ich habe also das wirtschaftliche Schachspiel mit Bauern gewonnen und keine Türme, Läufer oder dergleichen, also keine Spezialisten, gebraucht. Das hatte für mich den Vorteil, dass ich Quer­einsteiger schnell einarbeiten konnte und diese sofort loslegten. Es ist ähnlich wie bei McDonald’s: Einem Mitarbeiter kannst du in fünf Minuten erklären, wie er einen Burger brät; bei meinen beiden Unternehmen ist es genauso – alles wie am Fließband.

Mit Ihrer Unternehmensberatung „Mission Mittelstand“ bringen Sie Ihr Wissen auch anderen Unternehmern bei. Lässt sich denn Ihr „Fließband-Konzept“ auf jede Branche anwenden?

Definitiv – nicht nur auf den Handwerksbereich. Wir haben über 35 verschiedene Branchen unter unseren Kunden. Mittlerweile sind es mehrere Tausend Partnerbetriebe, vom Ver­sicherungsbüro über das Fitness­studio bis hin zur Apotheke. Wir bringen Menschen Unternehmertum bei – wir zeigen etwa auch Zahn­ärzten, wie sie ihre Praxis aufbauen.

Wie sieht eine Zusammenarbeit mit Ihnen konkret aus?

Wir hören uns die Ausgangssituation des Unternehmens an, weil doch jeder Unternehmer individuell ist. Das hängt damit zusammen, dass die Persönlichkeit des Unternehmers ein ausschlaggebender Faktor ist. Die Persönlichkeit setzt den Rahmen und die Grenze der Entwicklung des Unternehmens. In 45 Minuten finden wir heraus, was der Ist-Zustand ist und was der Soll-Zustand sein sollte. Daraus entspringt eine Strategie, die wir dann umsetzen. Außerdem gibt es Videos, die ich erstellt habe, um gewisse Probleme, die sich bei allen ergeben, zu lösen. Wir haben jeden Tag einen Live-Gruppencall, in den alle kommen können und die Probleme loswerden, an denen sie arbeiten. Man lernt viel voneinander.

Und da versuchen Sie, jeden Betrieb zur Uniformität zu bewegen?

In gewisser Weise. Wir helfen den Geschäftsführern dabei, aus dem Tagesgeschäft rauszukommen. Wenn der Unternehmer jeden Tag die Welt neu entdecken und verändern möchte, hat er jeden Tag neue Probleme zu lösen. Das heißt, dass er sich jeden Tag reinknien und Probleme lösen muss. Die meisten wollen aus diesem Hamsterrad raus. Sie wollen nicht immer wieder alles neu entdecken, den Mitarbeitern alles neu erklären. Sie wollen, dass ihr Unternehmen wie eine gut geölte Maschine läuft und sie nur in Ausnahmefällen eingreifen müssen.

Was sind denn letztlich die ­Ergebnisse Ihres Coachings?

Dass die Unternehmen zum ersten Mal die Umsatzmillion knacken. Das ist für die meisten die Schallmauer. 90 % der 3,5 Millionen KMU im DACH-Raum machen weniger als eine Million € Jahresumsatz. Die meisten liegen zwischen 300.000 und 600.000 €, haben ein bis drei Mitarbeiter – also verzetteln sich die Unternehmer täglich im Tages­geschäft, weil sie keine Strategie haben.

Ein Beispiel: Wenn Sie 20 Dachdeckern ein und dieselbe Strategie zur Uniformität empfehlen, kommt es dann nicht dazu, dass diese sich letztlich selbst schaden, da sie nichts mehr unterscheidet und sie somit in einem zu starken Wett­bewerb zueinander stehen?

Nein, denn wir arbeiten daran, dass jeder einzelne Unternehmer seine eigene Positionierung findet. Um es an einem Beispiel festzumachen: Schauen Sie sich doch McDonald’s und Burger King an. Auf den ersten Blick würde man meinen, die nehmen sich gegenseitig das Geschäft weg. Wenn man aber genauer hinsieht, fällt auf, dass McDonald’s frittiert, während Burger King grillt. Das ist ein gravierender Unterschied. Allein diese Differenzierung macht die Unternehmen völlig unterschiedlich. Dasselbe gilt für Coca-Cola und Pepsi.

Was gibt Ihnen heute Sinn?

Dass ich als Unternehmer etwas für die Gesellschaft und das Land tun kann. Man bekommt so viel zurück in dieser Tätigkeit! Ich bin überzeugt davon, dass wir das Leben von zig Unternehmern verändern und damit nicht nur der Familie des Unternehmers, sondern auch den Familien aller Angestellten helfen, weil diese ein höheres Gehalt verdienen. Und dann zahlen sie mehr Steuern, was letztlich dem Land hilft.

Text: Muamer Bećirović
Foto: beigestellt

Diese Advoice erschien in unserer Ausgabe 10–21 zum Thema „30 Under 30“.

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