MIKRO-PRODUKT, MAKRO-WIRKUNG

Für das bloße Auge nicht erkennbar bestimmen Mikrokapseln, wann Substanzen wie Krebsmedikamente ihre Wirkung entfalten. Die Herausforderung: Die Kapseln so herzustellen, dass sie sich genau zu dem Zeitpunkt öffnen, an dem sie die größte Effizienz haben. Alessandro Ofner und Michael Hagander, CEOs des Schweizer Unternehmens Microcaps, haben genau dafür die Lösung gefunden.

Ob Waschmittel, Deos oder Tee – sie alle haben etwas gemeinsam: Mikrokapseln. Denn diese schützen die in den Produkten enthal­tenen Substanzen vor einer Reaktion mit ihrer Umgebung und sollen sicherstellen, dass die Wirkstoffe erst zum gewünschten Zeitpunkt freigesetzt werden.

Bei Waschmitteln etwa sollen Duftstoffe nicht schon während des Waschgangs freigesetzt werden, sondern dann, wenn die Wäsche aus der Maschine herausgenommen wird, bei Deos werden sie genutzt, um beim Schwitzen Duft­stoffe freizusetzen, und in Teebeuteln dienen sie dazu, beim Aufguss mit heißem Wasser die Aromen freizusetzen. Die Herausforderung dabei: die Kapseln gleich groß anzufertigen, damit sie sich zur selben Zeit öffnen – und dadurch die größtmögliche Wirkung entfalten.

Beim gegenwärtigen Produktionsstandard gebe es zwei Methoden, erzählt Alessandro Ofner (im Bild rechts), Co-CEO und Mitgründer des seit 2019 bestehenden Schweizer Unternehmens Microcaps sowie Forbes-„Under 30“-Listmaker: Mixen bzw. Rühren und Sprayen. Bei Ersterem werden die zu verkapselnden Substanzen in große Behälter gefüllt, mit dem Kapselmaterial verrührt und damit schließlich ummantelt. Beim Sprayen werden die Substanzen mit einem Sprühkopf so lange mit dem Kapselmaterial besprüht, bis sie verkapselt sind. Beide Herstellungsprozesse haben einen gewaltigen Nachteil, der massive Folgen auf die Wirkung der Kapselinhalte hat: Die Substanzen werden unkontrolliert in unterschiedlichen Größen verkapselt und entfalten ihre Wirkung zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Es kommt zu Effizienzeinbußen – laut Ofner werden dadurch 20 bis 25 % des Kapsel­inhalts komplett verschwendet.

Mikroskopansicht: Für das bloße Auge nicht erkennbar sorgen Mikrokapseln dafür, dass die darin enthaltenen Substanzen erst zum gewünschten Zeitpunkt freigesetzt werden.

Mit seinem Unternehmen ­Microcaps liefert er die Lösung: „Uns unterscheidet von der Branche, dass wir statt des üblichen Besprühens oder Rührens der Materialien im großen Mixer eine Maschine mit Mikrokanälen gebaut haben, durch die das Füllgut hindurchfließt und parallel dazu gleichmäßig verkapselt wird“, so Ofner. Sein Mitgründer und Co-CEO Michael Hagander (am Bild: links), studierter Maschinenbauer, trieb die Entwicklung der innovativen Maschine entscheidend voran. Die beiden sind seit über zehn Jahren befreundet und lernten sich beim Fußballspielen kennen. Damals war Hagander noch als Kampfjetpilot bei der Schweizer Armee tätig gewesen, aus medizinischen Gründen kehrte er dem jedoch den Rücken zu und begann ein Maschinenbaustudium an der ETH Zürich.

Die Gründer erhielten für ihre Innovation bereits Auszeichnungen wie den Schweizer ZKB Pionierpreis Technopark 2020 und den Vigier Award. Mit der Technologie sei man sogar in der Lage, industrielle Sub­stanzen von 100 Kilo bis hin zu einer Tonne schnell und größenkontrolliert zu verkapseln. Zudem liefert Microcaps nicht nur die Technologie zur Verkapselung, sondern zugleich auch die Formel für das Kapselmaterial.

Die Innovation des Start-ups mit Sitz in Schlieren, Schweiz, ist vielseitig anwendbar – etwa bei Kosmetika, Nahrungsmitteln oder Pharmazeutika. Speziell Letzterem kommt eine große Rolle zu: Erhält etwa ein Patient eine Infusion zur Krebsbehandlung, fließen durch seine Blutbahn Mikrokapseln. Sind diese nicht gleich groß, werden die Stoffe zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Blut gelöst – dann wird entweder zu wenig oder zu viel Wirkstoff freigesetzt.

Anders bei Microcaps: „Unsere Maschine erlaubt es, die Größe der Kapseln exakt so zu bestimmen, dass sie im Körper genau zu jenem Zeitpunkt und an jenem Ort aufplatzen, an dem sich die Medi­zin im Körper optimal entfalten kann“, so Ofner. Zudem können damit mit 50 % weniger Material, als ­andere Anbieter in der Branche nutzen, 100 % Leistung erzielt werden. Den Jungunternehmern spielt auch noch der Nachhaltigkeits­aspekt in die Karten, denn Microcaps setzt auch hier neue Standards – das Unternehmen bietet biologisch abbaubare, halal oder vegane Alternativen an.

Alessandro Ofner
...machte seine Matura in der Schweiz und absolvierte ein Masterstudium in Materialwissenschaften an der ETH Zürich und der Harvard University. Eine Promotion zum Thema Mikrokapseln folgte. 2019 gründete er zusammen mit Michael Hagander Microcaps.

Alessandro Ofner wuchs in Zürich auf, seine Eltern sind beide Unternehmer: Der Vater führt eine Zimmerei, die Mutter ein kleines Chemieunternehmen. Nach dem Abitur entschied Ofner sich, an der ETH Zürich ein Studium in Material­wissenschaften zu absolvieren. „Dieses Fach hat mich fasziniert, weil es eine Brücke zwischen naturwissenschaftlichen, empirischen Messungen und praktischen Anwendungen mit Materialien, die uns tagtäglich umgeben, schlägt“, so Ofner. Mit einem Bachelor­abschluss in der Tasche begann er 2013 sein Masterstudium im besagten Bereich an der ETH Zürich; die letzten neun Monate der Studien­zeit verbrachte er für die Masterarbeit an der Harvard University.

Zu der Zeit packte ihn das Gründerfieber: „Dort hatten die Forscher Feuer in ihren Augen. Mit ihrem Wissen, das sie an der Uni generierten, wollten sie die Welt ein Stück weit verändern. Von der Theorie in die Praxis geht es dort sehr schnell, und ich wollte es ihnen nach meiner Rückkehr nach Zürich gleichtun“, erzählt Ofner. Gesagt, getan: Nach seinem Masterabschluss 2015 beschäftigte er sich im Rahmen seiner Promotion an der ETH Zürich weiter mit Material­wissenschaften, insbesondere der Mikroverkapselung jed­weder Substanzen, die uns im Alltag umgeben – und feilte im Zuge dessen an seiner Idee zur Gründung von Microcaps.

„Im Rahmen meiner akade­mischen Abschlussarbeit habe ich 200 Gramm Schweineblut aus der Industrie eingekapselt – aufgrund der Beschaffenheit des Bluts war das sehr kompliziert. Zeitgleich dachte ich mir: Wenn die Indus­trie hierbei Lösungen braucht und bereit ist, dafür Geld zu bezahlen, dann ist das meine Chance“, erinnert sich Ofner zurück. Der Markt, in dem er agiert, wird laut einem Report von Veri­fied Market Research, einem US-Marktforschungsunternehmen, bis 2025 mit 14 Milliarden US-$ bewertet – dieses Potenzial sehen auch ­andere: Erst im Januar sammelte Ofner mit seinem 20-köpfigen interdisziplinären Team aus Maschinenbauern, Chemikern, ­Materialwissenschaftlern, Ernährungswissenschaftlern, Mechatronikern und Chemieingenieuren in einer Finanzierungsrunde fünf Millionen CHF ein. Zu den Investoren zählen etwa die Schweizer Investment­firma Helvetica Capital und die Zürcher Kantonalbank.

Das Geschäft läuft gut – zu ­Microcaps’ Kunden zählen Pharma­unternehmen, Lebens­mittelfirmen und auch Parfümhersteller. Zu den Umsatzzahlen will der CEO nichts verraten, nur so viel: Man sei auf gutem Wege, sich damit im siebenstelligen Bereich zu befinden.

Laut Ofner wäre Microcaps auch bereits profitabel, würde das Unternehmen nicht so schnell ­expandieren und diverse Märkte ­erschließen. Er sieht das Potenzial, das sein Unternehmen hat, als viel zu groß an, um langsam zu wachsen. Den asiatischen und amerikanischen Markt visiert Ofner auch bereits an, und er kann sich vorstellen, eines Tages an die Börse zu gehen. „Doch bis dahin wollen wir einen neuen Standard in der Industrie ­setzen und zu den innova­tivsten Anbietern im Bereich Verkapselung ­gehören“, so Ofner.

Text: Muamer Bećirović
Fotos: Microcaps

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 2–21 zum Thema „Health & Wealth“.

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