MILLIARDÄR IM ADRENALINRAUSCH

Jared Isaacman spricht von „nützlicher Lebensdauer“, wenn es darum geht, das Maximum aus den Dingen herauszuholen – Jargon unter Kampfpiloten, zu denen sich der umtriebige Selfmade-Milliardär als einer von wenigen Zivilisten zählen darf. Eine Ausnahmeerscheinung.

Jared Isaacman hängt am geflügelten Wort der Air-Force-Piloten und spricht gerne von einer „nützlichen Lebenszeit“ – jene, die es maximal
zu nutzen gilt, bevor ein Jet in Rente geschickt wird. „Bei einer kurzen Lebenszeit wie der unseren geht es wirklich nur darum, sie bis zur Neige nützlich zu füllen“, sagt der 38-Jäh­rige. Und Isaacman steht zu seiner Überzeugung: Sein erstes Unter­nehmen gründete er mit 15 Jahren, ein Jahr bevor er die Highschool abbrach, um im Keller seiner Eltern Kreditkartenautomaten zu verkaufen. Mit 28 Jahren gründete er das Unternehmen Draken International, das später die größte private Luft­waffe der Welt werden sollte und das er acht Jahre später für eine neunstellige Summe an Blackstone verkaufte.

Seit Juni 2021 ist Isaacman nun Milliardär – sein Zahlungsabwickler für Gastronomie und Hotellerie Shift 4 Payments ging erfolgreich an die Börse. Das Unternehmen wickelt jährlich mehr als 200 Mil­liarden US-$ an Zahlungen für ein Drittel der Restaurants und Hotels des Landes ab, darunter Giganten wie Hilton, Four Seasons, KFC und Arby’s – Unternehmen, die sich darauf verlassen, dass ihre komplexen Zahlungsgänge über Dutzende von Objekten und Standorten hinweg organisiert werden. Und selbst nachdem die Covid-19-Sperren Restaurants im ganzen Land ins Chaos stürzten und Isaacmans mit Spannung erwartete IPO-Roadshow vorübergehend auf Eis gelegt wurde, machte er voller Überzeugung weiter. „Die Leute müssen doch trotzdem essen, oder?“, sagte er – und behielt recht.

1,4 Milliarden US-$ ist der Self­made-Milliardär schwer, und dies fast ausschließlich dank seiner 38-%-Beteiligung an Shift 4 Payments. Zudem hält er einen Anteil an Draken in einer Höhe von rund 100 Millionen US-$. Seine Flotte zieren ein MiG-Jet und neun wei­tere Flugzeuge.

Isaacman liebt Extreme, etwa Flüge in Überschallgeschwindigkeit oder her­ausfordernde Bergtouren, um sich von seinen intensiven Arbeitswochen (80 Stunden und mehr) zu erholen. Neujahr ver­brachte er in der Antarktis und erklomm den Mount Vinson, eine knapp 5km hohe Wand aus Schnee und Eis, 1287 km vom Südpol entfernt. Isaacman mag die Herausforderung und jagt seit seiner Kindheit einem Adrenalinrausch nach dem anderen hinterher.

„Eine Zeit lang waren wir unseren Konkurrenten in ganz vielen Dingen weit voraus – und waren extrem erfolgreich“, sagt Isaacman.

1998 gründete er zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Freund Brendan Lauber die Firma Decho Systems, die Websites für lokale Unternehmen entwarf. Einer der ersten Kunden war Merchant Services Inc. (MSI), ein Zahlungsabwickler mit Sitz in New Jersey. Zusätzlich zur Arbeit an der Website benötigte MSI Hilfe bei der Computersicherheit, also bot sich Isaacman als interner Berater an. Als sich dieser Job in ein Vollzeitangebot verwandelte, ergriff er die Chance, die Highschool im Alter von 16 Jahren abzubrechen.

Das Hauptgeschäft von MSI bestand im Verkauf klobiger Terminals für die Zahlung mittels Kreditkarten mit Magnetstreifen. Die Banken gaben damals die Karten an ihre Kunden aus und lagerten den Prozess der Zahlungsabwicklung an Dritte wie MSI aus; ein umständlicher und teurer Prozess. Bis die ­Bezahlung mit Kreditkarte überhaupt möglich werden konnte, vergingen oft Wochen, von den Bergen an Formularen gar nicht zu sprechen. Isaacman fasst zusammen: „Es war sehr kompliziert, es war lästig, es war völlig unnötig.“ Er beschloss, den Prozess schneller, einfacher und billiger zu gestalten, und gründete United Bank Card, den Vorläufer von Shift 4 Payments, im Keller seiner Eltern. Sein erster Angestellter war sein Vater Don.

Mithilfe seiner Verbindungen von MSI und einem 10.000-US-$-Kredit seines Opas überzeugte Isaacman eine Bank, ihm eine Identifikationsnummer zu geben, die er für den Verkauf der Kreditkartenterminals benötigte. Danach stellte er seinen Kumpel aus Decho-Zeiten, Lauber, ein. Es war der Höhepunkt des ersten Internetbooms und Vater Don nutzte sein Talent als Verkäufer, um lokale Firmen davon zu überzeugen, dem jungen Unternehmen eine Chance zu geben, das von einem Burschen geführt wurde, der damals kaum
alt genug war, um Auto zu fahren. Im Jahr 2003 war Jason Isaacman immer noch nicht alt genug, um Alkohol zu trinken, aber er hatte genug Geld verdient, um das Darlehen seines Großvaters zurückzuzahlen und zu expandieren.

Jared Isaacman
...ist Gründer und CEO des Zahlungsabwicklers Shift 4 Payments. Im Alter von 16 Jahren verließ er die Schule, um einen Vollzeitjob bei einem Zahlungsdienstleister anzutreten, bevor er ein halbes Jahr später beschloss, selbst zu gründen. Im Jahr 2012 gründete Isaacman Draken International, eine Firma, die auf das Training der United States Armed Forces spezialisiert ist.

2008 folgte dann der nächste Durchbruch mit Harbortouch, einem Touchscreen, der Registrierkasse und Kreditkartenterminal miteinander kombiniert. „Das waren goldene Jahre“, sagt Isaacman heute. „Wir waren allen anderen weit voraus.“ Gleichzeitig aber war Isaacman von der Arbeit ausgebrannt und beschloss, sich seinem Hobby, der Luftfahrt, zuzuwenden. Als er entdeckte, dass auch Zivilisten
Militärflugzeuge fliegen dürfen, wenn sie genügend Flugstunden absolvieren und die FAA-Qualifikationen erfüllen, war der nächste Schritt für den Unternehmer klar: Er lernte, wie man Kampfjets fliegt, und machte daraus noch ein Business: Draken International. Mit ein paar Draken-Deals in der Tasche ging Isaacman auf Einkaufstour für Shift 4 Payments – bis zur Pandemie, die den geplanten Börsengang plötzlich unwahrscheinlich machte. „Das war ein lebensverändernder Moment“, sagt er. Ende März 2020 gingen die Transaktionen bei den 125.000 Restaurantkunden von Shift 4 Payments im Vergleich zur ersten Februarwoche um 74 % zurück, bei den 21.000 Hotels waren es 86 %.

Alle gingen nach Hause – außer Isaacman: Um angeschlagene Kunden über Wasser zu halten, verzichtete er drei Monate lang auf Gebühren und startete eine Website, auf der Geschenkkarten feilgeboten wurden. Er führte QR-Codes für kontaktlose Zahlungen ein und stellte einen neuen Service vor, der Restaurants bei der Umstellung auf Onlinebestellungen half. Bald darauf erwachte Shift 4 Payments wieder zum Leben: Die Transaktionen in der Gastronomie erholten sich von ihrem Tiefpunkt im März bis Mai um 45 %, während die Hotels weiterhin zurückblieben. Im Juni 2020 ging das Unternehmen an die New Yorker Börse und verzeichnete im Juli seinen bisher besten Monat: Es wurden 25 % mehr Zahlungen abgewickelt als im gleichen Zeitraum 2019. Und das obwohl das Unternehmen im zweiten Quartal 2021 einen Nettoverlust von 75 Millionen US-$ bei einem Umsatz von 67 Millionen US-$ verzeichnete. Eine zweite Welle von Covid-19-Fällen in diesem Winter könnte noch alles in Gefahr bringen, aber Isaacman ist nicht besorgt: „Die Welt wird wieder zum Leben erwachen.“

Text: Giacomo Tognini
Fotos: Tim Pannell für Forbes

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 5–21 zum Thema „Travel & Tourism“.

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