MIT HEISSER NADEL

Der Nachruf auf Bitcoin und Co. war schon geschrieben. Doch Frühlingsgefühle beim digitalen Geld ließen völlig unvermittelt auch Aktien von Blockchain-Spezialisten nach oben schießen.

Manchmal geschehen auch im Wirtschafts- und Finanzleben ­Dinge, die man als Wunder bezeichnen könnte, und ­Unternehmen, die man eigentlich für unrettbar hielt, ­schaffen ein spektakuläres Comeback – so ­geschehen zum Beispiel bei Apple oder Boeing (das aber eben schon wieder ins Trudeln gerät). Ein ­ähnliches Wunder zeigte sich fast pünktlich zu Frühlings­beginn bei der Kryptowährung Bitcoin: Ihr Kurs, der fast nur noch eine Richtung – nämlich abwärts – zu kennen schien, hatte zum ersten Mal seit den grauen November­tagen 2018 die psychologisch wichtige Marke von 5.000 US-$ überschritten.

Unerwartetes Comeback

Der Preis für einen ­Bitcoin auf der Handelsplattform ­Bitstamp schoss binnen einer Stunde ra­­keten­­­artig um bis zu 23 % auf 5.080 US-$ in den Himmel. Damit schien eine Art Schubumkehr aktiviert, denn in den davor liegenden Handelswochen hatte sich der Kurs der Kryptowährung kaum noch bewegt und pendelte lethargisch in der Spanne von rund 3.300 bis 4.000 US-$. Im Aufwärtssog legten dann aber auch andere Cyberdevisen ordentlich zu.

Womit aber niemand gerechnet hatte: Das Frühlings­wunder bei Bitcoin erweckte auch die Aktien von Blockchain-Spezialisten, auf deren Technologie ­Kryptowährungen wie Bitcoin und Co. beruhen, an der Wall Street. Und so explodierten ­Titel aus diesem Bereich mit einem Kursfeuerwerk, das Anstiege um bis zu 45 % zeitigte.

Eines der Unternehmen, die hier ganz hell leuchteten, ist Marathon Patent Group, die als Unter­nehmen für Digital Asset ­Technology Kryptowährungen gewinnt und sich auf das ­Ökosystem Blockchain und die Erzeugung digi­taler Assets konzentriert. ­Derzeit betreibt das Unternehmen eine ­Mininganlage im kanadischen Quebec mit 1.400 Mineuren auf 2.500 Quadratmetern; in Zukunft sollen weitere Anlagen folgen. Noch im Februar für 34 US-Cent pro Stück gehandelt, war die Aktie plötzlich 80 Cent wert. Der ­heftigste Schub nach oben war Anfang ­April zu verzeichnen. Inzwischen hat sich die Aufregung wieder etwas gelegt, doch das Papier von Marathon, das zurzeit ausschließlich Bitcoins schürft, ist noch immer 64 US-Cent (alle Zahlen Stand Redaktionsschluss, Anm.) wert. Das ist zwar noch immer ­Äonen vom Höchststand von rund 40 US-$, der um den Jahreswechsel 2014/15 erzielt wurde, entfernt, könnte aber den Beginn eines Trendwechsels ­anzeigen. Denn der Kursanstieg des Unternehmens aus Las Vegas liegt im laufenden Jahr bereits bei knackigen 110 %.

Doch schon der Unternehmenssitz könnte Anlegern signalisieren, dass der Kauf der Aktie der Marathon Patent Group eine knallharte Wette ist: Die Marktkapitalisierung beträgt nur 16,54 Millionen US-$ und macht den Kurs anfällig für Zocker. Um einen drastischen Vergleich zu bemühen: Wenn ein Wal wie Facebook mit einem Gesamtwert aller Aktien von mehr als 500 Milliarden US-$ Appetit auf Marathon bekäme, hätte Mark Zuckerberg wahrscheinlich gar nicht gemerkt, dass sein Unternehmen quasi im Vorbeischwimmen etwas am Krill genascht hat. Das heißt nicht, keine Investitionen in Marathon vorzunehmen – aber eben nicht alle Eier in diesen einen Korb zu legen. Nicht umsonst schreibt das Unternehmen selbst in einer Aussendung: „Die Anlage in ­unsere Wertpapiere ist mit einem hohen ­Risiko verbunden.“

Fantasie haben die Blockchain-Experten aus Nevada aber ­allemal: Nicht nur ein Reverse-Aktiensplit, der vor Kurzem 25,5 Millionen Aktien auf etwa 6,4 Millionen reduzierte und den Kurs noch ein Stückchen himmelwärts trieb, sondern auch die Bilanz 2018, die einen Umsatzanstieg um mehr als 200 % verzeichnete, beweisen, dass man mit Marathon Patent Group rechnen muss. Das Unternehmen zeigt auch Expansionsgelüste: „Unser Board of Directors sucht weiterhin nach potenziellen Akquisitionsmöglichkeiten“, sagte CEO Merrick D. Okamoto.

Von der warmen Frühlingssonne wurde auch Riot Blockchain wachgeküsst. Das Unternehmen aus Castle Rock, Colorado, war bis 2017 ein Biotech-Unternehmen ­namens Bioptix Inc. und ­stellte Diagnosemaschinen für die Biotech-Industrie her. Im Oktober wurde dann die Kursänderung publik gemacht – und die Aktien des Unternehmens, das sich nun auf den Kauf von Kryptowährungen und die Blockchain-Technologie konzentrieren wollte, machten einen wahren Freudensprung. Schon in den Tagen vor der eigentlichen Veränderung stieg der Aktienkurs um mehr als 50 %.

 

Infografik: DPW, Aktienkurs, Forbes

Die Aktie von DPW legte nach der Ankündigung, das Kryptomining-Geschäft abspalten und eine Sonderdividende von 80% zahlen zu wollen, massiv zu – nur um dann völlig abzustürzen.

 

Doch der Hype währte nicht ewig, und nicht einmal ein Jahr später flammten massive Zweifel in der Investorengemeinde über die neue Richtung auf: Riot Blockchain war nur wenig erfolgreich. Es fehlten auch genaue Informationen, was ­genau das Unternehmen in Zukunft vorhat. Manchmal vergingen Mona­te, ohne dass Anleger mit Nachrichten versorgt wurden. Insider berichteten zwischenzeitlich sogar, dass der Vorstand selbst im großen Stil eigene Aktien verkauft hätte. Der Wert des Riot-Papiers, der 2010 seinen Gipfel bei mehr als 900 US-$ pro Stück erreicht hatte, war schon in den Jahren danach kontinuierlich bis auf unter vier US-$ zurückgegangen. Die Umbenennung und Neuausrichtung hatte den Kurs bis auf mehr als 28 US-$ gepusht. Dann folgte charttechnisch mit einer Doppelspitze ein klares Verkaufssignal, das sich mit den genannten Problemen paarte und den Kurs bis auf 1,35 US-$ abstürzen ließ.

Der neue Impuls ­brachte vor wenigen Wochen dann ­einen Schub, der bis knapp unter fünf US-$ ­führte. Diese Entwicklung ­passte zur Analyse von Kevin Dede von HC Wainwright, der eine Kauf­bewertung von Riot Blockchain Inc. mit einem Kursziel von fünf US-$ abgegeben ­hatte. Dede sieht ­Chancen für das ­Unternehmen, weil sich der Preis von Bitcoin offenbar stabilisiert und wieder ansteigt und bis Ende des Geschäftsjahres bei 6.000 bis 7.000 US-$ liegen könnte. Das würde der von Riot geplanten und seit Langem erwarteten Handelsplattform für Kryptowährungen Rückenwind geben. Dies, so der HC-Wainwright-Analyst, könne noch vor Ende des Sommers 2019 geschehen.

Der Dritte im Bunde der Profiteure des Blockchain-Revivals ist DPW Holdings Inc. Auch ­dieses Unternehmen hatte am Erfolg der Kryptowährungen mitgenascht – und war mit ihnen abgestürzt. ­Eigentlich ein Investment-Unternehmen, beschäftigte DPW sich mit dem Design, der Entwicklung, der Herstellung und dem Verkauf von kundenspezifischen und flexiblen Stromsystemlösungen, vor allem für die Bereiche Medizin, Militär, Telekommunikation und Industrie.

Ende 2018 wurden Pläne publik, das Kryptomining-Geschäft, ­Super Crypto Mining, abzuspalten, um sich für eine Erholung des Bitcoin-Preises zu positionieren, wie es hieß. Anlegern versprach man eine Sonderdividende von 80 %, ausgezahlt in Super-Crypto-­Aktien. Die DPW-Aktie legte daraufhin um 25 % zu – um dann völlig abzustürzen, nämlich von mehr als 20 US-$ auf eine Handvoll Cent.

Das Hoch von knapp 100 US-$ aus dem Jahr 2017 erreichte DPW nie wieder. Der Frühlingshype hatte dem Unternehmen aus dem kalifornischen Newport Beach ein Kursplus von knapp 40 % beschert, allerdings verpuffte er schnell.

Tot ist die Aktie trotzdem noch nicht – zuletzt konnte sie innerhalb einer Woche um fast 4 % zulegen. Hintergrund: Ein Public ­Offering in Höhe von sieben Millionen US-$ war gut verlaufen; sechs Millionen US-$ davon will man für die Rückzahlung der Schulden des größten Gläubigers des Unternehmens verwenden.

Text: Reinhard Krémer
Illustration: Valentin Berger

Der Artikel ist in unserer April-Ausgabe 2019 „Geld“ erschienen.

Reinhard Krémer

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