Nachhaltiges Investieren: eine große grüne Blase

Spätestens 2018, als Blackrock-CEO Larry Fink in einem Brief forderte, dass sich Unternehmen nicht nur auf ihr finanzielles Ergebnis fokussieren dürften, sondern auch auf ihren positiven Einfluss auf die Gesellschaft, schien das Rebranding der Wall Street abgeschlossen – weg vom Shareholder-, hin zum Stakeholder-Value, der sich nicht nur um Aktionäre, sondern auch um Umwelt und Gesellschaft kümmert.

Das (vermeintliche) Umdenken führte unter anderem dazu, dass der Markt für nachhaltige Anlagen explodierte. Betrug das Marktvolumen für „Sustainable Investing“ 2014 noch rund 18 Billionen US-$ an Assets, lag dieser Wert 2022 bereits bei über 40 Billionen US-$. Bis 2025 könnte der Markt laut Bloomberg auf 53 Billionen US-$ wachsen. Die Idee: Statt nur die finanzielle Rendite zu berücksichtigen, sollen Investoren bei der Auswahl ihrer Titel auch auf den sozialen und ökologischen Impact von Unternehmen achten. Nachhaltige Anlagen versprechen, beides unter einen Hut zu bringen: Man muss nicht auf Rendite verzichten und kann trotzdem Gutes tun, so die Idee. Das klingt so weit ja gut. Das Problem: Was nachhaltige Anlagen sind, welche Kriterien gelten, um ein Unternehmen für die Aufnahme in ESG-Fonds („Environmental, Social, Governance“) zu qualifizieren und was der Begriff überhaupt bedeutet – all das ist völlig unklar.

Die Europäische Union bastelt an einer Taxonomie, um nachhaltige Anlagen messbar zu machen. Doch aktuell sieht es so aus, als wären nachhaltige Investitionen vor allem ein Geschäft für Ratingagenturen und Fondsanbieter – ohne der Erde in irgendeiner Weise zu nutzen. Denn die Ratingagenturen messen nicht, wie viel (negative) Externalitäten Unternehmen für die Gesellschaft oder den Planeten produzieren, etwa durch deren CO2-Ausstoß; viel eher wird gemessen, wie viel negative Auswirkungen ESG-Faktoren auf die finanzielle Performance von Unternehmen haben. Das heißt: Es wird finanzielles Risiko für Unternehmen, etwa durch CO2-Emissionen, gemessen und nicht der eigentliche Impact; je niedriger, desto besser. Doch die beiden Faktoren können diametral entgegengesetzt sein: McDonald’s erhielt Upgrades im ESG-Rating, obwohl der CO2-Ausstoß in den letzten Jahren konstant anstieg.

Überhaupt scheint es, als wäre quasi jedes Unternehmen qualifiziert, in einem ESG-Fonds aufgenommen zu werden. 90 % aller Aktien im US-Index S&P 500 sind in irgendeinem ESG-Fonds, darunter auch Coca-Cola und Pepsi, deren Produkte Diabetes und Übergewicht fördern, Alphabet und Meta, die wegen der Verbreitung von Fake News sowie einer möglichen Ausnutzung von Monopolmacht umstritten sind, sowie die Ölkonzerne Exxon und BP. Ratingagenturen verkaufen ihre ESG-Ratings nämlich an Investmentfirmen, die ein Interesse daran haben, dass möglichst viele Aktien als nachhaltig eingestuft werden – denn dann können sie größere Portfolios zusammenstellen und einen Aufschlag gegenüber klassischen Indexfonds verlangen. Das kann nicht funktionieren.

Die Finanzbranche muss anfangen, das Thema ernsthaft zu betreiben, nachhaltig und sozial verträglich agierende Unternehmen be­lohnen und den Druck auf die, die das nicht tun, erhöhen. Nur dann kommen Großkonzerne in Bewegung. Es wäre höchste Zeit – sonst ist nach­haltiges Investieren die nächste Blase, die platzt.

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