Roller out of the Box

Das Berliner Start-up unu möchte mit seinen Elektrorollern den Städteverkehr revolutionieren. Derzeit tüfteln die drei Gründer an ihrem nächsten großen Ziel: den ersten vernetzten Elektromopeds – direkt aus der Fabrik.

Fährt man mit dem Roller von Unu durch die Stadt, sind einem die ­Blicke der anderen Verkehrsteilnehmer sicher. Denn das schicke Retro-Design weckt Erinnerungen an das Rom der Sechzigerjahre, an Leichtigkeit und Dolce Vita. Dabei gehören die Roller zur neuesten Generation von Elektrofahrzeugen und sollen, wenn es nach den Unu-Gründern geht, den Stadtverkehr der Zukunft revolutionieren. Nun steht das Unternehmen vor dem nächsten Launch: jenem der ­ersten vernetzten Elektroroller, direkt aus der Fabrik.

„Bezahlbar, praktisch, ansprechend“

Aber zuallererst: Wer steckt hinter Unu? Auf den ersten Blick wirkt es wie ein klassisches Start-up: Die Gründer, Elias Atahi, Pascal Blum und Mathieu Caudal, Mitglieder der „Forbes 30 Under 30 2017“, sind gerade Mal Ende zwanzig und sprühen an ihrem Berliner Unternehmenssitz vor Ideen. „Als wir das Unternehmen gegründet haben, war unser Ziel, das erste Elektrofahrzeug zu bauen, das für jeden zugänglich ist“, erzählt Elias Atahi, „es sollte bezahlbar und zu Hause aufladbar sein und ein ansprechendes Design haben.“ Denn diese drei Faktoren würden Elektrofahrzeuge, die heute am Markt sind, noch vermissen lassen, so der Gründer.

Gesagt, getan: Nach dem ­ersten Launch ihres Elektrorollers im Jahr 2015 gelang es ihnen in kürzester Zeit, 10.000 Roller im Retro-Design an Privatkunden zu verkaufen. Das Besondere daran: Die portablen Batterien lassen sich ganz einfach zu Hause aufladen. Ladestationen sind dadurch nicht mehr notwendig. Jetzt steht das 2013 gegründete Unternehmen vor dem zweiten Schritt: Unu arbeitet daran, Flotten von vernetzten Elektromopeds zu vermieten.

3 Schritte für Unu

„Wenn es um die Mobilität der Zukunft geht, gehören Elektro­mobilität, Mobility als Service und autonomes Fahren zu den drei großen Trends“, sagt Atahi. In drei Schritten möchte er daher mit seinen Kollegen den Verkehr der Städte revolutionieren. Die zweite Generation der Elektroroller widmet sich dem Thema Mobility als Service.

„Bisher mussten die meisten Fahrzeuge erst nach dem Kauf mit der passenden Software und in einem weiteren Schritt vom jeweiligen Sharing-Anbieter ausgerüstet werden“, sagt Atahi. Dieses Zusammenpuzzeln ist mit der zweiten Generation der Unu-Elektroroller nicht mehr notwendig. „Wir sind der einzige Elektrofahrzeughersteller, bei dem die Fahrzeuge vernetzt aus der Fabrik kommen und so direkt von einem Sharing-Anbieter eingesetzt werden können“, so Atahi. Doch das sei nicht nur für Sharing-Anbieter spannend, sondern auch für Unternehmen, die zum Beispiel Roller für ihre Mitarbeiter am Campus einführen wollen. Dabei gibt es die Unu-App obendrein als Service dazu.

Der Prozess der Vernetzung

Der Herstellungsprozess vollzieht sich in zwei Schritten: In der Fabrik prüft ein Funkfrequenz-Testgerät, ob das Fahrzeug in der Lage ist, sich mit einem Netz zu verbinden. Im Zwischenlager angekommen, wird jedes Fahrzeug als Teil eines finalen Testprozesses angeschaltet, vernetzt sich dann automatisch mit dem Netz, lädt die neuesten Updates herunter und gibt Feedback, ob alles fehlerfrei funktioniert hat.

Wirkliche Herausforderungen habe es bei der Herstellung vernetzter Fahrzeuge laut Atahi keine gegeben, vielmehr sei die Rolle als Start-up hier ein wesentlicher Vorteil: „Die Player, die tatsächlich physische Mobilitäts-Hardware bauen – so wie BMW, VW oder Daimler –, sind alteingesessene Unternehmen, an denen das Thema Digitalisierung vorbeigezogen ist. Das heißt, es hat ein Start-up gebraucht, das zum einen größenwahnsinnig genug ist, ein Fahrzeug zu bauen, und dabei zudem zukünftige Geschäftsmodelle wie ,Mobility Services‘ im Blick hat und somit gleich von Beginn an ,digital‘ entwickelt.“

Unu will teilen

Ein Vertrag über die Auslieferung von 10.000 Rollern der zweiten Generation sei bereits so gut wie unterschrieben, so Atahi. Das Partnerunternehmen darf er jedoch nicht nennen. Die neuen Dienste sollen jedenfalls bereits in den nächsten Monaten starten. Auch hier will Atahi keinen genauen Termin bekannt geben. Fest steht aber: Mit der neuen Komplettlösung aus einer Box will Unu etablierten Sharing-Anbietern wie zum Beispiel Emmy oder Coup von Bosch (beide Start-ups stammen ebenso aus Berlin, Anm.) Konkurrenz machen.

Denn der Markt ist hart umkämpft: Während Fahrräder als Sharing-Produkt wohl bald eher ausgedient haben, boomt das Sharing im Mofa-Bereich. Alleine in Berlin verfügen die beiden großen Player Emmy und die Bosch-Tochter Coup gemeinsam über fast 2.000 Sharing-Roller – Tendenz steigend. Und auch europaweit macht sich das Millionengeschäft bemerkbar. So hat das 2016 gegründete Pariser Start-up Cityscoot nach eigenen Angaben vor, im kommenden Jahr auf 10.000 Roller europaweit anzuwachsen. Nicht zuletzt deshalb schmiedet Unu bereits neue Pläne. „Wir möchten das Angebot in einem nächsten Schritt auch auf Elektrofahrräder und Elektroautos ausweiten“, sagt Atahi.

Elias Atahi (Mitte)
studierte Technology Management und Elektrotechnik in München und Singapur. 2013 gründete er gemeinsam mit Pascal Blum (rechts), ursprünglich Politik- und Wirtschaftswissenschaftsstudent, das Start-up unu. Das Führungsteam komplettiert Mathieu Caudal (links), der 2015 dazustieß.

Einnahmen und Ausgaben

Derzeit liefert Unu seine Roller neben Deutschland auch in Österreich, Frankreich und Holland aus. Wie viele Privatkunden das Start-up dabei insgesamt hat, verrät Atahi an der Stelle nicht. Fest steht jedoch, dass weitere Märkte folgen sollen. Mit Partnern für Sharing-Kooperationen weltweit sei man ebenso im Gespräch. Die Roller werden von einem Zentrallager in Deutschland vor die Haustür des Kunden transportiert. Für die Expansion brauche es lediglich einen Logistikpartner im jeweiligen Land und eine entsprechende Webseite, erklärt Atahi.

Für diese Pläne – Erweiterung des Portfolios sowie Erschließung neuer Märkte – wird es jedenfalls auch (weiterhin) das nötige Geld brauchen. Das Geschäftsmodell von Unu stößt bei den Investoren jedenfalls auf Interesse. Mehr als zehn Millionen € konnte das Start-up kürzlich in einer Series-B-Finanzierungsrunde generieren. Darunter befinden sich Investoren aus den USA, Deutschland oder Frankreich. Zu den größten zählen der holländische Venture-Capital-Fund ­Ponooc, die deutsche Venture-­Capital-Gesellschaft Capnamic, die Risiko­kapitalgesellschaft Iris ­Capital, aber auch die NRW Bank. Die Investitionen zeigten ihre Wirkung: Bald hat das Unternehmen die Zahl von 100 Mitarbeitern erreicht. „Gestartet sind wir mit zwei Leuten“, sagt Atahi.

Die Entstehung von Unu

Der 29-jährige Atahi und sein gleichaltriger Partner Pascal Blum kennen sich schon seit der Schulzeit. Bei einer zufälligen Begegnung 2012 in Peking entstand auch die Idee, ein gemeinsames Unternehmen im Mobility-Bereich mit Sitz in München zu gründen. „Wir hatten beide den Luxus, in spannenden Städten wie Peking, Shanghai und Singapur gelebt zu haben“, sagt Atahi, „dadurch haben wir einerseits das ­Potenzial solcher Megastädte gesehen, aber auch gemerkt, wie eingeschränkt wir durch aktuelle Mobilitätslösungen waren, dieses Potenzial auch wahrzunehmen.“ Mit dem 2013 gegründeten Unternehmen Unu wollten die beiden Partner Städte künftig lebenswerter gestalten.

Im April 2015 wurde der Unternehmenssitz von München nach Berlin verlegt. Auf einem Start-up-Event lernten Atahi und Blum im selben Jahr den Franzosen Mathieu Caudal kennen und nahmen ihn in ihr Team auf. Die Rollenverteilung war schnell gefunden: Caudal, der in Paris und München Elektrotechnik studiert hat, ist heute für die operative Führung der Firma zuständig. Blum, ehemaliger Politik- und Wirtschaftswissenschafts­student erarbeitet die Businessstrategien der Firma und Atahi, der Technology Management und Elektrotechnik in München und Singapur studiert hat, ist für die kreative Seite der Strategie zuständig.

Der „heilige Mobilitätsgral“

„Im Grunde suchen alle nach dem heiligen Mobilitätsgral, dem elektrischen, vernetzten und autonomen Fahrzeug“, sagt Atahi. Dennoch habe sich Sharing als Modell nicht ganz durchgesetzt. Und das liege vor allem an zwei Hauptproblemen: „Als Nutzer muss ich mich darauf verlassen können, immer ein Sharing-Fahrzeug in meiner Nähe verfügbar zu haben, und das Service sollte nicht viel kosten“, sagt Atahi. Beides sei aber noch nicht ge­nügend der Fall.

Doch die Unu-Gründer arbeiten mit ihrer neuen Roller-Generation daran, dass sich das schleunigst ändert. In einem dritten, zukünftigen Schritt möchten sich die Gründer dem autonomen Fahren zuwenden. „Die Technologie ist nicht das Problem“, sagt Atahi. In den USA und in China werde autonomes Fahren flächendeckend in fünf bis sieben Jahren Alltag werden, in Europa werde es wohl noch sieben bis zehn Jahre dauern, erklärt der Unu-Gründer. Wenn es jedoch so weit ist, werde sich unser Verhalten in Sachen Mobilität drastisch verändern. Da ist sich Atahi sicher: „Warum soll ich dann noch ein Auto besitzen und viel Geld zahlen, wenn ich eine App habe, die das Auto für wenige Cent zu mir fährt, wann immer und wo immer ich es brauche?“

Text: Manuela Tomic
Foto: unu

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