safe and Healthy

Mit nur 16 Jahren ersann Nour Idelbi, heute 19, die App Safespace und entwickelte diese rund um ihre Tiktok-Community. Die App soll vornehmlich Frauen in unsicheren Situationen wie dem nächtlichen Heimweg mehr Sicherheit bieten. Idelbis neuestes Projekt ist das auf Apfelessig basierende Erfrischungs­getränk „pop’it“ für mehr Darmgesundheit. Bei beiden Projekten steht eines im Vordergrund: Impact.

Nour Idelbi ist 19 Jahre alt und geht in den kommenden Wochen mit ihrem zweiten Produkt live. Für ihre erste Gründung, eine App namens Safespace, wurden die Studentin und Start-up-Unternehmerin aus Münster und ihr Team bereits vielfach ausgezeichnet; mit insgesamt rund 30.000 € Preisgeld, sagt sie. „Das hat sehr dabei geholfen, unsere App weiterzuentwickeln“, so Idelbi weiter. Und selbstredend wollen auch wir erfahren, wie es zu dieser Entwicklung kam, auf die in der Testphase rund 11.000 (vornehmlich weibliche) Nutzer zugegriffen haben. Die einzelnen Funktionen der App wurden nämlich innerhalb und mithilfe der Safespace-Community weiterentwickelt. Dazu aber später – zunächst zurück zum Anfang.

„Zur Entstehung der App kam es durch eine total verrückte Kombi“, blickt Idelbi zurück: Zum einen stand sie vor einem persönlichen Problem, an dessen Lösung andererseits ein Impuls seitens der Schule erheblich beigetragen habe, erzählt sie. „Mit 14 Jahren habe ich begonnen, mich im Rahmen des ­Jugendrats meiner Stadt über­parteilich politisch zu engagieren. Ich war im Vorstand; wir waren damals das Sprachrohr der jungen Generation der Stadt Münster und haben mit dem Bürgermeister unterschied­liche Herausforderungen bearbeitet.“ Viele dieser Sitzungen dauerten bis 22 Uhr und sie sei mit dem Fahrrad immer gute 20 bis 30 Minuten nach Hause gefahren. „Der Weg führte auch durch zwei Waldstücke. Dort war es total dunkel und manches Mal hatte ich richtig Angst und habe immer wieder eine Freundin angerufen, um mich sicherer zu fühlen“, so Idelbi. Das habe sie „unfassbar gestört“, sagt sie; ergo habe sie das Problem auch gleich in den Jugendrat eingebracht – und stieß auf taube Ohren.

Etwa zeitgleich gab es in Idelbis Schule ein Angebot, eine ­Woche lang anstatt des Unterrichts eine ­Informationsveranstaltung zur Unternehmensgründung zu besuchen. „Da es während der Coronazeit war, wurden die Kurse online abgehalten“, so die 19-Jährige weiter. Gelernt und geübt wurde zu Themen wie „Wie pitchst du richtig?“ oder „Wie schreibst du einen Businessplan?“ Was sie aber „wirklich umgehauen habe“, sagt sie, „war ein Münsteraner Softdrink-Gründer. Seine Vision, wie er Kultur gedacht hat, wie er von kurzen Lieferketten bis hin zu weniger Zucker im Produkt gedacht hat, fand ich so spannend“, schildert die junge Gründerin den Moment, an dem sie selbst Feuer gefangen hat. Am Ende dieser Woche musste ein eigenes Konzept präsentiert werden – es waren die ersten Schritte von Safespace. Nour Idelbi hat diesen Pitch-Contest ebenso gewonnen wie zahlreiche weitere, die noch folgen ­sollten; sie war damals gerade mal 16 Jahre alt.

Nour Idelbi entdeckte ihre Passion für das Unternehmertum im Alter von 16 Jahren während eines Schulprojekts.

Bereits beim ersten Test-Launch, so die Gründerin, wurden ­schon über 10.000 Nutzer registriert – „auf Social Media ging das total durch die Decke“, so Idelbi zum offensicht­lichen Bedarf für das Safespace-Angebot. „Ich habe mit so ­vielen Frauen geredet, die ein ganz ähnliches Problem hatten, oder auch Müttern, die sich Sorgen um ihre Töchter gemacht haben – und auf der ­anderen Seite im Rat, also in der Politik, saßen 90 % ältere Männer, bei ­denen dieses Thema auf taube Ohren gestoßen ist.“ So sei Safespace vor allem von starken Frauen vorangetrieben worden, die sie schon sehr früh unterstützt haben, sagt Idelbi: „Da waren einige wichtige Mentorinnen dabei, die mich als junge Gründerin unterstützen wollten.“

Die App wurde – auch auf ­Anraten einer Finanz-Influencerin – dabei stets mit, innerhalb und rund um ihre Tiktok-Community ent­wickelt, deren Teilnehmerinnen viel getestet und gefeedbackt haben, so die Gründerin weiter. Das habe Sinn gemacht, zumal es keine Möglichkeit gegeben hätte, etwa eine Marketingagentur anzu­heuern, die mit der Bewerbung der App geholfen hätte. Sie habe sich also, so Idelbi weiter, sehr viele Beiträge von Creators angesehen, bis sie Joline Reker, eine Contenterzeugerin mit 60.000 Followern, entdeckte, die „das perfekte Gesicht für Safespace sein könnte. Ich habe sie auf Insta­gram angeschrieben und wir ­kamen schnell ins Gespräch“, so Idelbi weiter. Reker baute kurz darauf den Safespace-­Account auf, der nach nur zehn ­Tagen viral ging. „Nach rund sechs Monaten hatten wir über 10.000 Follower.“

Für jede neue Funktion wurde ein Community-Video ­hochgeladen und um Feedback gebeten. „Und das war unheimlich wertvoll“, so Idelbi heute. Von Rückfragen nach Daten­schutz bis hin zur Umsetzbarkeit von Funktionen war viel Hilfreiches und Essenzielles – wie etwa eine „Ampelfunktion“ – dabei, so die Gründerin. In Zusammen­arbeit mit der Community kam Schritt für Schritt „etwas sehr Tolles, eine ganze Bewegung zusammen“, sagt sie. Diese Vorgehensweise war auch der Grund, warum die App nach dem Test-Launch von Tag eins an funktioniert hat und genutzt wurde. Idelbi: „Das war schon sehr schön. Wir konnten so auch sehr lange sehr lean als Schülerprojekt fahren, bis wir später mit den vielen Medien­berichten große Bekanntheit erlangten und so auch Sponsoren und später Investoren kennenlernten.“ So werde sie es künftig mit all ihren Projekten halten, so die 19-Jährige: Sie werde ihre Projekte und Produkte immer rund um und gemeinsam mit ihrer Community aufbauen. Das sei dieser Tage ein Um und Auf, wenn man mit seinen ­Aktionen Impact haben wolle; ein wichtiges Thema – auch für den Werdegang der jungen Frau.

Nour Idelbis Vater kam als 18-Jähriger von Syrien nach Deutschland, um Medizin zu studieren. Der frühe Tod seines eigenen Vaters – er war damals gerade mal zwölf Jahre alt, erzählt Idelbi aus der Familiengeschichte – habe in ihm den Traum geweckt, Menschen, die wie sein Vater leiden, zu ­helfen. „Er wollte unbedingt Arzt ­werden, hatte aber leider eine Augenkrankheit, die ihn zwang, das Ganze kurz vor Studienabschluss abzubrechen und sich schweren Herzens beruflich anderweitig zu orien­tieren, während all seine Freunde das Studium abschließen konnten“, erzählt Idelbi. „Das hat aber letztlich dazu geführt, dass ich – durch die Freunde meines Vaters – in ­einer Bubble aus Medizinern und Pharma­zeuten aufgewachsen bin, die alle 15 und mehr Stunden täglich ge­arbeitet haben, weil sie Menschen heilen wollten“, so Idelbi weiter – auf diesem Weg habe sich ein erster Impact-Gedanke in ihr festgesetzt. Ihr Vater sei Unternehmer im Feld des Recyclings, ergänzt sie; er wollte immer, dass sie, Idelbi, Medizinerin wird, und war über ihre unternehmerischen Vorstöße nicht ausnehmend begeistert, sagt sie. „Er kennt einfach auch die Schattenseiten des Unternehmertums“, so die Tochter über ihren Vater.

Idelbis Mutter wiederum ­arbeitet an einer Grundschule, erzählt sie, habe viele Kinderprojekte ins Leben gerufen und aufgebaut, habe dafür stets bis spätabends gearbeitet, sei dabei immer wieder über ihre Grenzen gegangen und habe dennoch „immer noch dieses Glitzern in den Augen gehabt“, sagt sie. Es sei wohl diese Kombi gewesen, die in ihr den stets präsenten Wunsch weckte, mit dem, was man tut, auch Impact zu haben, so Idelbi weiter. Und: „Ich muss aber auch sagen, dass ich mir sehr viel selbst angeeignet habe, weil ich einfach meine Passion gefunden habe.“ Und die liegt im unternehmerischen Tun.

Wir Frauen sitzen leider viel zu oft in unseren Zimmern und hoffen darauf, dass irgendwann irgendwer uns und unsere Idee entdeckt und beides in die große weite Welt hinausträgt. Das wird niemals passieren! Niemand wird kommen und dich retten. Das musst du schon selbst machen. Du musst raus gehen und für dich selbst einstehen.

Nour Idelbi

Denn neben dem Launch der ­Safespace-App arbeitete Nour Idelbi gemeinsam mit ihrem Studien­kollegen Maximilian Schulz an der Entwicklung eines sogenannten „Prebiotic Soda“ namens „pop’it“. Und wieder war es eine Situation aus Idelbis Alltag, die zu dieser Entwicklung führte: Am anderen Eck im Uni-Gym, beginnt Idelbi zu erzählen, stand einer, der ­etwas getrunken hat, das ihm die Gesichtszüge verzog. Idelbi konnte sich eine Bemerkung nicht ­verkneifen – so kamen die beiden ins Gespräch. „Max war zu der Zeit dabei, seine Masterarbeit zu schreiben, und hatte sich mit dem über­mäßigen Konsum von Energydrinks den Darm kaputt gemacht“, holt Idelbi aus. Um dem entgegenzuwirken,
begann Schulz damit, sich Apfel­essig-Getränke zuzuführen, da er über ­deren positive Effekte gelernt hatte. „Er hat dabei immer andere Varianten ausprobiert – etwa Essig mit Soda und Erdbeersaft gemischt. Wir näherten uns also langsam diesem Konzept des Erfrischungs­getränks an“, so Idelbi weiter. Irgendwann habe es geklickt – und die beiden beschlossen, etwas aus ihrer Idee zu machen.

In den Vereinigten Staaten, sagt Idelbi, sei dieses Konzept des „gesunden Kracherls“ für die bessere Darmgesundheit schon verbreitet. „Dort gibt es zehn große Brands, die ich alle zum Testen mit nach Deutschland genommen habe. Die sind allerdings viel zu süß und von ‚gesund‘ ein großes Stück entfernt“, so Idelbi. Allerdings, so die Unternehmerin weiter, sei das Marketing viel cooler als in unseren Breitengraden. „Bei Functional Food steht nicht unbedingt die Coolness im Vordergrund. Das wollen wir mit ‚pop’it‘ anders machen: Wir wollen ein gesundes Getränk genauso cool vermarkten wie eine Cola oder Fanta oder ein Spezi.“ Ein absolut spannendes Thema und Produkt, so die Unternehmerin – drei Investoren konnten bereits gewonnen werden; in den kommenden Wochen werde man live gehen. „Wir ­waren damit so lange im Stealth-Modus, dass ich mich jetzt echt freue, darüber reden zu können.“ Und die Kombination aus dem Tech-Bereich (mit Safespace) und dem Gesundheitsbereich (mit „pop’it“), und beides mit dem Ziel, weiter zu skalieren – das sei das, „was ich total liebe“, so Idelbi begeistert. „Das macht mir riesengroßen Spaß.“

Bei Safespace arbeite das Team derzeit an neuen Features und auch an einem Bezahlmodell der ­aktuell und auch im nächsten Jahr für Nutzerinnen gratis zu benutzenden App. Idelbi: „Wir denken da an Unternehmen, die Mitarbeiter in der Nachtschicht haben; wir denken an besorgte Eltern, an die DHL-Fahrerin oder die Notfallapotheke, die die ganze Nacht geöffnet hat.“ Auch eine Dame, die am frühen Morgen Zeitungen austrägt, habe sich bei ihr mit Bedarf gemeldet. Die Arbeit an der App werde ausschließlich mit den Preisgeldern finanziert. „Seit ein paar Wochen aber sind wir in ­einem Programm von Google; Google stellt uns Sachleistungen im Gegenwert von – ich glaube – 200.000 €, wie etwa Serverplatz, zur Verfügung, was uns wirklich enorm hilft“, so Idelbi.

Bleibt abzuwarten, was in den kommenden Jahren aus Nour Idelbis Feder kommen wird. Sie selbst hofft, anderen Gründerinnen und Unternehmerinnen unterstützend zur Seite stehen zu können – so wie ihr ihre Mentorinnen zur Seite gestanden sind und sie gechallengt haben, sagt sie. Eine davon sagte einst – und das werde sie nie vergessen, so Idelbi –, dass „wir Frauen leider zu oft in unserem Zimmer sitzen und darauf hoffen, dass irgendwann irgendwer uns und unsere Ideen entdeckt und beides in die große weite Welt hinausträgt. Das wird aber niemals passieren! Niemand wird kommen und dich retten. Das musst du schon selbst machen. Du musst rausgehen und für dich selber einstehen!“

Nour Idelbi (19) studiert Business und Management an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Gemeinsam mit Joline Reker gründete sie die App Safespace, die vornehmlich Frauen in gefährlichen Situationen schützen soll – und mit Max Schulz bringt sie in den kommenden Wochen ihr erstes Prebiotic Soda „pop’it“ auf den Markt.

Fotos: Safespace

Heidi Aichinger,
Herausgeberin

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