„Schule und Business halte ich getrennt“

Richard Schäli ist Teenager, Schüler – und Vermögensverwalter. Seine erste Aktie hat er mit sieben Jahren gekauft; als nach einem Jahr aus 100 Franken 120 geworden waren, hatte der Aktienhandel ihn gepackt. Mit zehn Jahren sammelte er Geld von der Familie ein und legte es an.

Richard Schäli sitzt bei unserem vir­tuellen Interview in einem Kon­ferenzraum in seinem Hotel in Sin­gapur. Er trägt ein weißes Poloshirt mit kurzen Ärmeln. „Mir geht’s gut. Es hat 25 Grad, selbst am Abend – schön!“ Und weiter: „Im Vergleich zu der langweiligeren Schweiz ist man vom Angebot hier schon sehr verwöhnt. Dafür fehlt ein wenig der Frieden, auch die Natur. Singapur ist zwar relativ grün, aber es fehlt diese komplette Abgeschottetheit von der Gesellschaft ein wenig, sodass man abschalten kann.“

Der 16-Jährige lebt mit seinen Eltern in Zug in der Nähe von Zürich. Dort geht er aufs Gymnasium. Dabei hat er schon einen Job und sogar sein eigenes Unternehmen: Schäli verwaltet mit Secanta Capital das Vermögen anderer – ­anfangs von Retail-Investoren über börsengelistete Zertifikate, inzwischen nur noch für Ultra High Net Worth Individuals (UHNWIs) über Mandate. Das Ver­mögen, das Schäli inzwischen managt, liegt im acht­stelligen Bereich. Trotz­dem geht er weiter in die neunte Klasse eines Gymnasiums. In den Schulpausen checkt er die Märkte, aber er versucht, ein ganz normaler Schüler zu sein und die Schulzeit zu genießen: „Ich denke, es wäre schade, wenn ich diese Zeit nur fürs Investieren verwenden würde“, so Schäli.

Richard Schäli ist der wohl jüngste Vermögensverwalter in der Schweiz.

Trotzdem fehlt er mal, „wenn ein wichtiges Meeting ansteht“, oder er setzt mal eine Klasse aus, so wie jetzt, weil er nach Asien reist. Der 16-Jährige will in Singapur Mandarin lernen. Das sei nicht ein­fach, sagt er, aber es helfe, im Alltag mit Chinesen zu sprechen; nicht nur, um die Sprache zu lernen, sondern auch, um ein besserer Vermögens­verwalter zu werden. Denn in 50 Jahren werde China im Mittelpunkt aller Chancen und Risiken stehen. „Um diese Dynamik zu verstehen, ist es wichtig, sich mit Leuten hier auszutauschen. Dann kann man davon profitieren“, sagt Schäli – und das tut er bereits, für seine 2019 gegründete Vermögensberatung Secanta Capital.

Welche Investmentstrategie hat ein 16-Jähriger, der noch alle Zeit der Welt hat, um Renditen einzufahren? Er sei erstaunlich konservativ. „Mein Zeithorizont ist lang. Ich bin immer auf der Suche nach Com­poundern.“ Compounder ist ein Begriff, den der wohl berühmteste und vielleicht erfolgreichste Investor der Welt und Gründer des Konglo­merats Berkshire Hathaway, Warren Buffett, geprägt hat. Compounder sind Unternehmen, die über Jahre oder Jahrzehnte eine hohe und stabile Kapitalrendite erzielen. Die Investmentbank Morgan Stanley nennt diese Werte in einem Research-Paper Anlagen, die das Potenzial haben, stabile, beständige Erträge zu erzielen, und potenziellen Kapitalschutz bieten. Das Wichtigste ist jedoch, die Werte lange zu halten, sodass die Rendite sich anhäufen, compounden, kann. Warren Buffett ist Fan von diesen Compoundern und Schäli stimmt ihm darin zu – tatsächlich scheint seine Investmentstrategie in vielen Punkten ganz ähnlich zu sein. Vielleicht wird er deswegen auch „Warren Buffett der Schweiz“ genannt; auch, wenn Buffett 75 Jahre älter ist als Schäli.

Schäli sagt, er sei natürlich noch weit davon entfernt, Buffet zu erreichen: „Er hat Jahrzehnte Erfahrung und dieses Bauchgefühl.“ Aber der junge Schweizer hat Mentoren, mit denen er wöchentlich in Kontakt steht, darunter ein guter Freund von Warren Buffett, Jorge Lemann, ein brasilianisch-schweizerischer Investor und Bankier. Ihn hatte Schäli als Elfjähriger auf einer Skihütte in den Schweizer Alpen getroffen, als er mit seinen Eltern und Geschwistern Ski fahren war. Schäli erinnert sich gut: „Plötzlich ist ein Herr mit seiner Familie herein­gekommen und mir kam sein Gesicht sehr bekannt vor.“ Damals hatte Schäli sich in einem Schulprojekt mit Lemann beschäftigt. „Ich war damals natürlich unsicher – soll ich ihn jetzt ansprechen? Mein Vater war natürlich komplett dagegen, dass ich ihn in seiner Freizeit belästige. Aber schlussendlich sind wir alle nur Menschen: Jorge Lemann hat sich sehr gefreut, als ich mich vorgestellt habe.“ Seitdem ist Lemann ein Freund und Mentor. Lemann habe ihm beigebracht, nicht mehr nur kurzfristig zu spekulieren, „sondern wirklich das Geschäftsmodell zu verstehen, die Leute dahinter und das Produkt – und ob es das in 20 Jahren noch erfolgreich gibt“, so Schäli. Damit wäre Warren Buffett wohl hundertprozentig einverstanden.

Schäli hat großen Respekt für Buffett. „Ich schaue zu ihm auf. Seine Grundprinzipien werden noch lange stehen.“ Er ist ein „ganz großer Fan“ und nimmt im Mai auch wieder an der jährlichen Aktionärsversammlung von Berk­shire Hathaway teil. Schäli hat dem 92-jährigen Buffett gegenüber sogar einen Vorteil: Er ist jung und deswegen fällt es ihm leichter, Technologie­unternehmen zu verstehen. Buffetts wichtigster Grundsatz ist, in nichts zu investieren, was er nicht versteht – deswegen hält er sich von vielen Tech-Werten oder etwa Bitcoin fern. Schäli würde den Ansatz erweitern wollen: „Vorwärts schauend wäre es unglaublich wertvoll, könnte ich diese Grundprinzipien von Warren auf Softwareaktien übertragen. Das sind teilweise wunderbare Geschäftsmodelle. Ich denke, der nächste Warren Buffett kann nur jemand sein, der diese Grundprinzipien dann auch auf diese neueren Geschäftsmodellen anwenden kann.“

Von Cathie Wood, Tech-Investorin und Gründerin und CEO der Investmentgesellschaft Ark Invest, hält Schäli dennoch nicht viel. Er bewundere ihre Recherche im Markt und bezeichnet die Arbeit von Ark ­Invest als „Top-Job“, aber er hält nicht viel von Growth Investing; für ihn ist das „Selling to the greater Fool“. Damit spielt er auf die Investmentstrategie von Tech-Investoren wie Wood an: Diese konzentriert sich auf die Identi­fizierung von Innovationen und Bereichen wie künstliche Intelligenz, Robotik oder Blockchain-Technologie. Von diesen Bereichen sagt Wood, dass sie für die Weltwirtschaft wichtige Wachstumsquellen darstellen werden. Schäli glaubt, disruptive Technologien werden innerhalb kürzester Zeit von noch disruptiveren Technologien überholt. Das sei nun mal die Natur dieses Sektors.

Einem 16-Jährigen dabei zuzuhören, wie er leidenschaftlich und sehr ernsthaft die Investmentstrategie einer viel gefeierten Star-Investorin auseinandernimmt, ist faszinierend. Wo will er einmal hin? Er sei nicht der Typ dafür, mal bei einer großen Investmentbank einzusteigen. Schäli: „Ich werde in den kommenden Jahren interessante Praktika machen, bei Berkshire Hathaway zum Beispiel, und so Erfahrungen von den Besten ­sammeln. Aber ich denke, ultimativ ist das Ziel, dass ich meine eigene Vermögensverwaltung professio­nalisieren kann.“

Richard Schäli ist Gründer & Head of Research der Vermögensverwaltung Secanta Capital. Mit acht Jahren, 2014, verkaufte er Aktien der Zürich Versicherung mit einem Gewinn von 20 % – als er elf Jahre alt war, belegte er den ersten Platz eines Trading-Wettbewerbs mit mehreren 1000 % virtuellem Gewinn.

Fotos: Michelle Quek

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Deputy Editor in Chief

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