ASKET: SLOW FASHIONISTS

Die Mission ist klar: die Ära des schnellen Konsums beenden. Dafür denken die Schweden August Bard Bringéus und Jakob Dworsky mit ihrem Fashionlabel Asket das Thema Mode radikal neu.

Im September 2019 prangte eine 110 Quadratmeter große Wandmalerei im Zentrum von Stockholm, auf der drei Worte standen: „Fuck Fast Fashion“. Etwas weiter unten war für Betrachter – nach etwas erklärendem Text – dann „Join the Pursuit of Less“ zu lesen. Eine große ­Ansage, denn der Modemarkt, der sein Wachstum heute vorrangig mit dem Konzept von Fast Fashion antreibt, hat ein weltweites Volumen von 1,5 Billionen US-$. Initiiert wurde der Stunt von Asket, einem schwedischen Modelabel, das 2015 von August Bard Bringéus und Jakob Dworsky gegründet wurde. Dass ein kleines Unternehmen aus Schweden eine billionenschwere Branche umkrempeln kann, scheint auf den ersten Blick vermessen. Und dennoch zuckt Bringéus nicht mit der Wimper, als er – im Stockholmer Showroom von Asket sitzend – die Botschaft erneut wiederholt, wenn auch in diplomatischeren Worten: „Wir wollen die Ära des schnellen Konsums beenden.“

Die Idee für das eigene Label kam Bringéus und Mitgründer Dworsky, die sich am ersten Tag ihres Studiums an der Stockholm School of Economics kennengelernt hatten, als sie ihre eigenen Kleiderschränke analysierten. Die beiden waren frustriert, denn ihr Schrank explodierte förmlich vor Kleidungsstücken, wirklich getragen wurde davon jedoch nur ein kleiner Prozentsatz. Mit ­ihrem Problem waren sie nicht alleine: Der durchschnittliche Mitteleuropäer besitzt rund 100 Kleidungsstücke (exklusive Unter­wäsche, Anm.), trägt davon aber nur zwischen 20 und 40 % regelmäßig. Bringéus: „Wir häufen Kleidung an, die wir nicht verwenden.“

August Bard Bringéus
... wuchs in Stockholm und Wien auf und studierte an der Stockholm School of Economics und der Esade Business School. Nach erster Berufserfahrung, unter anderem beim schwedischen Start-up Klarna, gründete er 2015 mit Jakob Dworsky das Modelabel Asket in Stockholm.

Dem Duo fiel auf, dass die Teile, die sie oft trugen, einige gemeinsame Merkmale hatten: zeitlos und schnörkellos designt, komfortabel zu tragen, einfach zu kombinieren. Ein weißes ­T-Shirt etwa, oder ein dunkelblauer Pullover. Auf der Suche nach solchen Stücken merkten sie, dass sie stets Abstriche machen mussten: „Es war fast unmöglich, gutes Design kombiniert mit guter Passform zu finden“, erzählt Bringéus. Und falls sie solche Mode dann doch fanden, war der Preis in der Regel zu hoch. 2015 starteten sie Asket mit dem ­Motto „Zero Compromise“. Sie wollten ihren eigenen Kleiderschrank kompromisslos revolutionieren. Ihr erstes Produkt: ein weißes T-Shirt.

Doch Asket fing gleich zu Beginn an, die Dinge anders zu denken. Da die Passform essenziell ist und die fünf Standardgrößen – XS, S, M, L und XL – nicht immer perfekt passen, führte man drei Längen ein: short, regular und long. ­Somit ist ein T-Shirt in insgesamt 15 Größen verfügbar, was zwar bis heute eine logistische Herausforderung darstellt, für Bringéus aber Teil des Versprechens ist. „Die Passform ist enorm wichtig, damit Menschen ihre Kleidung auch wirklich regel­mäßig tragen“, so der Schwede.

Quereinsteiger

Fünf Jahre später ist der Ansatz der gleiche geblieben: langlebige, perfekt passende Kleidung zu produzieren, die es den Kunden ermöglicht, weniger Kleidungsstücke zu besitzen – Zero Compromise. Die Mission, die Asket verfolgt, hat sich seitdem jedoch grundlegend verändert: Die ursprüngliche Idee, den eigenen Kleiderschrank zu revolutionieren, ist schrittweise dem Ziel gewichen, die Modebranche zu revolutionieren. Denn Bringéus und Dworsky ­waren völlig blauäugig in ihr Projekt ­gestartet. Bringéus war zuvor beim schwedischen Payment-Start-up Klarna tätig gewesen, ­Dworsky hatte zwar einige Zeit beim deutschen E-Commerce-Riesen Zalando gearbeitet – Ahnung von der Modebranche hatten beide jedoch nicht. Bringéus: „Wir haben gemerkt, dass die Branche grundlegende strukturelle Probleme hat.“ Damit meint er drei Dinge: Erstens die immer höhere Geschwindigkeit des Marktes, die Kunden dazu animiert, stets neue Kleidung zu kaufen, zweitens die Wertschöpfungskette, die durch erhöhten Preisdruck, die zunehmende Globalisierung und damit zusammenhängende Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer zunehmend intransparent geworden ist; und – als Resultat beider Entwicklungen – eine massive Belastung der Umwelt. Die Modebranche verursacht rund 10 % aller CO2-Emissionen weltweit – ein Wert, der Schätzungen zufolge bis 2050 auf 25 % ansteigen könnte.

Askets Lösung ist zweigeteilt. Erstens will das Label beweisen, dass Kunden hinsichtlich ­ihrer Kleidung sehr wohl an einem reduzierten, langfristig orientierten Konsumverhalten inte­ressiert sind. Zweitens will Asket aber auch in der Produktion ansetzen und die eigene Wertschöpfungskette umkrempeln. Statt das ­traditionelle „Made in“-Label zu verwenden, verspricht die schwedische Marke ihren Kunden etwa „Full Traceability“. Das heißt, dass jede einzelne Faser jedes einzelnen Kleidungsstücks zu 100 % nachverfolgt werden kann. „Die Kunden wissen heute nicht mehr, wo ihre Kleidung herkommt. Das ist ein Problem“, so Bringéus. Sobald die vollständige Nachverfolgbarkeit erreicht ist, soll die Produktion auch auf Nachhaltigkeit getrimmt werden. „Nachverfolgbar heißt ja nicht zwingend nachhaltig“, so der Asket-Gründer. Schon heute ist Asket Teil des Projekts Switching Gear, das dabei helfen soll, das Geschäftsmodell stärker mit der Idee einer Kreislaufwirtschaft in Einklang zu bringen.

Transparenz hat schweren Stand in der Branche

Dass Revolutionen nicht so einfach sind wie erhofft, musste Asket auf die harte Tour lernen. Bereits für 2020 hatte man den Kunden eine vollständige Nachverfolgbarkeit der gesamten Produktpalette versprochen, die heute aus rund 28 Artikeln besteht. Gelandet ist man bei 79 %. „Es herrscht viel Misstrauen in der Branche. Daher wollen viele Fabriken keine Transparenz einführen und stehen dem Ganzen eher skeptisch gegenüber“, sagt Bringéus. Hinzu kommt, dass Rohmaterialien – etwa Wolle – in der Regel nicht direkt von den Farmen verkauft werden, sondern vermischt und in großen Mengen auf Auktionen. Nachverfolgbarkeit ist spätestens dann unmöglich.

Wir wollen die Ära des schnellen Konsums beenden.

Als Fehler will Bringéus das Versprechen dennoch nicht bezeichnen, denn es zwinge Asket, das eigene Tun neu zu denken und dabei auch mal Risiko in Kauf zu nehmen – etwa, wenn die Zusammenarbeit mit eigentlich ­verlässlichen Lieferanten beendet wird. „Wir arbeiten nur noch mit Lieferanten, die 100 % Transparenz garantieren können – oder zumindest einen Plan haben, wie sie das in Zukunft schaffen ­wollen“, sagt der Schwede. Auch, dass man einer australischen Farm zuletzt auf einen Schlag 4,5 Tonnen ­Merinowolle abkaufte, ist für ein Label von Askets Größe eher unüblich. Doch das war die Mindestmenge, die Askets italienische Spinnerei verlangte, um eine eigene Kollektion zu starten – und wenn die ­Wolle nur von einer Farm stammt, ist die Nachverfolgbarkeit zu 100 % gegeben.

Asket mit zehn Millionen € bewertet

Asket verfolgt also stur seine ­Mission – und blickt dennoch langfristig in die Zukunft. Grenzenlos ist die Geduld der Slow-Fashion-Vertreter dann aber doch nicht: Anfang 2019 nahm das Unternehmen rund 700.000 € Fremdkapital auf. Das ist insofern unerwartet, als die Mission des langsamen Konsums nicht zum fremdfinanzierten Wachstumswunsch der Start-up-­Szene passt. Bringéus: „Das Geld ist für uns in der Wachstumsphase sehr hilfreich, da es uns er­möglicht, schnell neues Personal einzustellen.“

Die Zahlen sind jedenfalls gut: Von 2018 auf 2019 wuchs Asket um 125 %, zuletzt lag der Umsatz bei geschätzt umgerechnet etwa vier Millio­nen €. Die Bewertung des Unternehmens lag in der letzten Finanzierungsrunde bei zehn Millionen €, was für die Modebranche und angesichts der für die Bewertung herangezogenen Umsatzzahlen von 2018 einen relativ großzügigen Multiple bedeutet – was aber wiederum ein Beweis sein könnte, dass die Investoren großes Vertrauen in den neuartigen Ansatz von Asket haben. Bringéus und Dworsky halten weiterhin je rund ein Drittel der Unternehmensanteile – eine Mehrheit, die sie so schnell auch nicht abgeben wollen. „Das Ziel ab jetzt ist aber eher, wieder stärker organisch zu wachsen“, sagen die Gründer. Für die Zukunft will das Unternehmen seine Mission ­weiter verfolgen, Full Traceability ermöglichen und möglichst bald profitabel werden. „Spätestens 2020 wollen wir schwarze Zahlen schreiben“, sagt Bringéus. Dass Asket aber selbst mit einem ordentlichen Wachstum in Sachen Größe auch in absehbarer Zeit kein relevanter Player sein wird, ist auch klar. Zum Vergleich: Der schwedische Moderiese H & M setzt pro Jahr rund 22 Milliarden € um.

Doch auch, wenn das Ziel heute angesichts dieser Dimensionen eher unerreichbar wirkt, sieht Bringéus das zumeist sehr positive Feedback der Kunden als Bestätigung: „Wir werden unser Ziel sicher nicht über absolute Größe er­reichen. Aber vielleicht gelingt es uns, indem wir die richtige Philosophie verfolgen und damit ein Vorbild für andere Akteure sind.“

Text: Klaus Fiala
Fotos: Elis Hoffman

Der Artikel ist in unserer Februar-Ausgabe 2020 „Space“ erschienen.

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