SPAREN 2.0

Sein Weg führte Tamaz Georgadze von Tiflis über Gießen bis nach Berlin. Dort gründete er im Jahr 2013 eines der am raschesten wachsenden Fintechs Deutschlands: Weltsparen. Nun wagt Georgadze den Sprung in die USA.

Es herrscht reges Treiben, als wir den Unternehmenssitz des Fintechs Weltsparen in Berlin betreten. Rund 150 Mitarbeiter sitzen anein­andergereiht in einem Großraum­büro zusammen – rasch bekommt man das Gefühl, dass der Platz bald wohl nicht mehr reichen wird. Das ist wenig verwunderlich bei dem Tempo, in dem das Start-up in den vergangenen Jahren gewachsen ist.

Über das Zinsportal Weltsparen können Kunden Festgeldkonten (Geldanlage, über die während einer vertraglich festgelegten Laufzeit keine freie Verfügung besteht, Anm.) sowie Tagesgeldkonten (verzinstes ­Konto ohne festgelegte Laufzeit, das ausschließlich der Geldanlage dient und über das täglich in beliebiger Höhe verfügt werden kann, Anm.) vergleichen und Angebote abschließen – und das europaweit. Darüber hinaus bietet die Plattform auch global diversifizierte ETF-Portfolios (passiv verwaltetes Anlageprodukt, Anm.) sowie Flexgeldkonten (flexible Geldanlage als Mischung zwischen Fest- und Tagesgeld, Anm.) an. Im Rahmen dieser Geldanlagen profitieren Kunden von besseren Zinsen als etwa bei klassischen Sparbüchern. Bei der lettischen Bank Blue­Orange betragen die festen Zins­sätze im Rahmen des Festgeldkontos derzeit beispielsweise 1,22 % pro Jahr.

Weltsparen positioniert sich als Europas führender Marktplatz für Spar- und Investmentprodukte. Mittlerweile zählt das Fintech mehr als 175.000 Kunden aus 31 Ländern, die Produkte von 77 europäischen Partnerbanken aus 24 Ländern auswählen können. Nach eigenen Angaben konnte das Start-up bereits mehr als 13 Milliarden € an Einlagen vermitteln. Insgesamt hat das Start-up bereits 300 Mitarbeiter. Umsätze gibt das Unternehmen nicht bekannt. Hauptverantwortlich für das rasche Wachstum ist ein Mann, der sich seit Langem dem europäischen Einigungsprozess verbunden fühlt: Mitgründer und CEO Tamaz Georgadze.

Wunderkind mit der Vision eines demokratisierten Bankenwesens

Georgadze gründete Weltsparen (so heißt die Marke im deutschen Sprachraum, international „Raisin“, Anm.) im Jahr 2013 gemeinsam mit Frank Freund (CFO) und ­Michael ­Stephan (COO). Davor war Georgadze bei McKinsey als Partner tätig. Längst gilt er als Wunderkind in der deutschen Finanzbranche: Mit nur zwölf Jahren schloss er die Matura in ­Tiflis ab, mit 15 Jahren folgte der ­Abschluss in ­Volkswirtschaftslehre, später dann die Promotion in Entwicklungswirtschaft. „Ich ­fühle mich immer etwas komisch, wenn ich als Wunderkind bezeichnet werde. Meine Kindheit und Jugend sind ja nun doch schon länger her“, lächelt der 40-Jährige.

Bild: Tamaz Georgadze, Gründer, Fintech, Deutschland, Weltsparen

Tamaz Georgadze
... gründete den Anlagevermittler für Spar- und Investmentprodukte Weltsparen 2013 in Berlin. Der CEO ist gebürtiger Georgier.

Der gebürtige Georgier wuchs in der Zeit des Kommunismus auf. Georgien erklärte 1991, zwei Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, seine ­Unabhängigkeit von der Sowjetunion. ­Georgadze kam Mitte der 90er-Jahre nach Deutschland, wo er an der ­Universität Gießen das ­Pro­mo­ti­ons­stu­di­um in Ent­wick­lungs­wirt­schaft abschloss. Die in der Europäischen Union (EU) geltende Personenfreizügigkeit und die Freihandelsver­träge mit Drittstaaten haben ­Georgadze, heute deutscher Staatsbürger, ­geprägt. „Ich habe immer den Blick auf die Vorteile dieses gemeinsamen Wirtschaftsraums“, so Georgadze, „aber diese nutzt Europa noch nicht ganz aus.“ Seine ­Vision: eine Demokratisierung des Bankenwesens. Dieses sei in Europa von einem vertikal integrierten Geschäftsmodell geprägt. Das ­bedeutet, dass Hausbanken meist nur eigene Produkte anbieten. Dennoch findet laut Georgadze langsam eine Öffnung dahin gehend statt, dass Banken auch Angebote von Drittanbietern inte­grieren – insbesondere im Bereich der Fonds, als auch bei Immobilienkrediten. Doch seien die nach Volumen und für Kunden relevantesten Produkte Bankeinlagen (Fest-, und Tagesgeld und Kontoguthaben). In diesem Segment habe diese Öffnung noch nicht stattgefunden – mit Weltsparen will Georgadze genau dies vorantreiben.

Die ­Umsetzung seines Start-ups war aber alles andere als ­einfach. „Meistens startet man so ein Produkt dort, wo in kürzester Zeit mehr zu erzielen ist“, sagt Georgadze, „also in integrierten, großen Märkten wie den USA oder China.“ Denn dort gebe es auch mehr Potenzial, Investoren anzulocken. „Für Onlinevermittler wie uns hat sich das europäische Rahmenwerk leider noch nicht genug weiterent­wickelt. Das bedeutet, dass wir zum Beispiel in jedem ­einzelnen Land, in dem wir aktiv sein ­wollen, auch eine eigene Lizenz für die Vermittlung von Einlagen einholen müssen.“ Dies mache den Überblick irgendwann auch schwierig, so der 40-Jährige. Dennoch gebe es in gewisser Hinsicht einen Vorteil: „Wir sind auf den Brexit vorbereitet, da wir auch in Großbritannien eigene Lizenzen und mit Raisin UK einen unabhängigen Standort haben. Uns kann nichts passieren.“

Europa nutzt die Vorteile des gemeinsamen Wirtschaftsraums noch nicht ganz aus.

Anfangs konzentrierte sich Weltsparen auf Sparer im engeren Sinn – also jene, die etwa 10.000 € zur Verfügung haben und Festgeldkonten abschließen möchten. Mittlerweile hat Weltsparen die Einstiegshürden nach unten ­nivelliert. Im Rahmen des „Welt­Invest ETF-Portfolio“ führte Welt­sparen etwa einen Sparplan ein. Der Mindestbetrag für Einmalanlagen beträgt 500 €, Kunden können bereits ab 50 € monatlich ­langfristig Vermögen aufbauen. In Zukunft möchte Georgadze das WeltInvest-­ETF-Portfolio weiterentwickeln und mit flexibleren Produktvariationen punkten. Dies soll vor allem Kunden ansprechen, die ihr Portfolio häufiger anpassen wollen.

Internationalisierung wird vorangetrieben

Weltsparen befindet sich in einem boomenden Markt. Denn in Deutschland steigen die Investments in Fintechs seit Jahren kontinuierlich an. Doch Weltsparen sorgte erst kürzlich für Aufsehen: So wurde die MHB Bank mit rund 35 Mitarbeitern und ­einem im Jahr 2017 erzielten Umsatz von 4,3 Millionen € übernommen. Mit dem Geldhaus mit Vollbanklizenz war Weltsparen schon bisher verbunden, denn wer Geld bei Weltsparen anlegen will, muss dieses auf ein Konto bei der MHB Bank überweisen. Das Geld wird sodann an eine der Partnerbanken transferiert, wo Kunden ihre Sparprodukte ­haben. Für die vermittelten Konten bekommt Weltsparen eine Provision von den Banken. Zudem übernimmt die MHB Bank auch die Kundenidentifikation für Weltsparen – alles Dienste, die mit der Übernahme vertieft werden sollen.

Bisher konnte Weltsparen 170 Millionen € von US-amerikanischen und europäischen Investoren einsammeln – darunter befinden sich etwa PayPal oder der US-amerikanische Venture Capitalist Ribbit Capital. Mit einem Teil dieses Geldes treibt Weltsparen nun die Internationali­sierung voran. So gab das Fintech erst kürzlich den Markteintritt in die USA bekannt. Laut Unternehmensangaben beträgt der US-amerikanische Einlagenmarkt satte 12,7 Billionen US-$.

So gesehen bleibt Georgadze seinem Ansatz treu: In neuen Ländern ergeben sich neue Chancen.

Text: Manuela Tomic und Niklas Hintermayer

Der Artikel ist in unserer Mai-Ausgabe 2019 „Europa“ erschienen.

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