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Partystadt, Gründerstadt, Kulturstadt – Berlin ist für vielerlei Dinge bekannt. Dass die deutsche Hauptstadt aber auch eine Smart City ist, mag vielen neu sein. Dafür engagiert sich die Smart City Unit bei Berlin Partner, die mit über 200 Stakeholdern im Netzwerk Smart City Berlin täglich daran arbeitet, Berlin intelligenter zu machen.
Deutsche Metropole, Gründerstadt, Start-up-Epizentrum, eine weltoffene Studentenstadt mit einer berühmt-berüchtigten Clubszene: Das ist Berlin. Neben der „Berliner Schnauze“ fuhr die Hauptstadt dank des ehemaligen Bürgermeisters Klaus Wowereit auch jahrzehntelang das Motto „Arm, aber sexy“, und das mit Erfolg: Berlin wuchs in den letzten Jahrzehnten rasant, und der Zulauf in die deutsche Metropole nimmt kein Ende. Das bringt aber auch ein immer größer und komplexer werdendes Stadtgefüge mit sich – eine Herausforderung, der sich die Smart City Unit von Berlin Partner stellt. Berlin Partner ist jene Wirtschafts- und Technologiegesellschaft, die die Stadt Berlin als Partner in vielen Bereichen berät, fördert und stärkt. Doch während Berlin unkonventionell, weltoffen und „sexy“ sein kann, ist die Frage, ob die Stadt auch smart ist.
Beate Albert beantwortet diese Frage eindeutig mit Ja. Die Leiterin des Bereichs Smart Cities bei Berlin Partner ist in erster Linie für die Entwicklung und den Fortschritt Berlins in Richtung einer smarten Stadt zuständig. Seit 2018 führt Albert dieses Amt aus, zuvor war sie bereits seit 2013 als Projektmanagerin für die Einheit zuständig. Mit 18 Jahren Erfahrung im Unternehmen kennt sie Berlin und Berlin Partner in- und auswendig – und das, obwohl ihre berufliche Karriere als Übersetzerin in einem ganz anderen Tätigkeitsfeld startete. „Eigentlich“, erklärt Albert, „ist meine aktuelle Berufung gar nicht so weit weg von einer Übersetzertätigkeit. Ich vermittle immer noch zwischen verschiedenen Sprachen und Geschwindigkeiten – man stelle nur Corporates und Start-ups gegenüber.“ Die Vernetzung ist eine der Haupttätigkeiten der Einheit, das angeschlossene Netzwerk verbindet etwa 150 institutionelle Mitglieder.
In den letzten Jahren hat sich der Begriff Smart City aufgrund neuer Technologiesprünge und neuer Themenfelder zwar verändert, den Status als Modewort hat das Konzept aber nach wie vor inne. Wobei Albert und die Stadt Berlin eine ganz eigene Devise haben, wenn es um die Definitionsfindung geht: „Es gibt ja keine einheitliche und allgemeingültige Definition einer Smart City, doch wir haben 2020 beschlossen, unsere Strategie grundlegend zu verändern – nämlich hin zu einem Ansatz, der bei allen Beschlüssen und Zukunftsplänen die Partizipation der Stadtgesellschaft in den Mittelpunkt stellt.“ Soll heißen: Nicht mehr die Technologien und Unternehmen stehen an erster Stelle, sondern die Haltung der Gesellschaft sowie ihre Anliegen und Wünsche.
Es ist ein umfassendes politisches Bekenntnis, das vom Berliner Senat beschlossen wurde. „Für uns ist eine wahre Smart City nicht an Technologien gebunden. Sie schafft vielmehr ein lebenswertes System für ihre Bewohner, in dem Abläufe des Alltags reibungslos funktionieren. ‚Gesund, nachhaltig und lebenswert‘ steht dabei im Fokus. Smart Citys können also auch eine Haltung sein“, fügt Albert hinzu. Und die Partizipation der Zivilgesellschaft werde von Tag zu Tag größer, erzählt sie. Das zeigen auch Eigeninitiativen aus der Bevölkerung, darunter etwa die Projekte brokenlifts.org oder wheelmap.org des gemeinnützigen Berliner Vereins Sozialhelden e. V., die vorübergehend außer Betrieb stehende Aufzüge oder rollstuhlzugängliche Wege und Eingänge ausfindig machen.
Die vollkommene Neubearbeitung des eigenen Konzepts einer smarten Stadt soll Ende 2022 fertiggestellt werden. Aktuell gibt es verschiedenste Modellprojekte innerhalb Berlins, die den Ansatz untermauern sollen und durch eine Bundesförderung des BMI (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat) ermöglicht werden.
Der interaktive Dialog mit den Bewohnern Berlins ist notwendig, denn seit 2010 wächst die Stadt jedes Jahr weiter, im Schnitt um rund 20.000 Personen. Laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg wird sich dieses kontinuierliche Wachstum bis 2025 weiter fortsetzen.
Dementsprechend heiß diskutiert ist auch das Thema Wohnraum in Berlin. Die Nachfrage nach Räumlichkeiten ist so hoch wie nie, seit 2009 sind die Preise aufgrund der erhöhten Zahlungsbereitschaft und des Zustroms (internationaler) Großinvestoren immens gestiegen. Im Gegensatz zu Städten wie Wien, wo die Stadt selbst mit 220.000 Wohnungen der größte Immobilieneigentümer ist und Spekulation daher zumindest abschwächen kann, zeigt sich in Berlin ein anderes Bild. Der Berliner Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 zeigt, wie bedarfsgerechte und ausreichende Flächenvorsorge für den Wohnungsneubau im gesamten Stadtgebiet bis 2030 realisiert werden kann. Im Fokus der Strategie steht die Ausbildung von Schwerpunkträumen, in denen sich die Entwicklung vorrangig vollziehen soll.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren laut dem Berliner Mieterverein 55 % der Wohnungen zerstört oder beschädigt, darunter unzählige staatlich geförderte Bauten. „Unser Berlin hat schon viele Umbrüche hinter sich. Wir wollen auch künftigen Generationen als Stadt der Freiheit bekannt sein. Wir wissen, dass diese Generationen neue gesellschaftliche Aufgaben vor sich haben, die sie schon heute beschäftigen.“ Gemeint sind natürlich die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit. Eine Vision, auf die Berlin hierbei hinarbeitet: sich als erfolgreiche „Schwammstadt“ zu etablieren: Starkregen und Überschwemmungen sollen künftig in das Wassermanagement der Stadt einkalkuliert werden und für die Pflanzen und das Klima lokal und unmittelbar von großem Nutzen sein. Dazu muss das Regenwasser vom Kanalisationssystem abgekoppelt werden. Durch Dachbegrünungen und Teiche, die das Regenwasser auffangen, soll Berlin in regenreichen Zeiten nach und nach wie ein saugfähiger Schwamm agieren.
Aber auch in der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, etwa Start-ups, zeigt sich, dass diese neuen Agenden immer interessanter für die Wirtschaft werden. Albert: „Ich würde sagen, dass nachhaltige Ansätze, Sozialunternehmen und die Impact-Economy sich erst in den letzten zwei bis drei Jahren etabliert haben. Waren es davor Vorsätze wie Wachstum oder technologischer Fortschritt, liegt der Branchenfokus insbesondere bei den ganz jungen Unternehmen klar auf Ressourcenschonung und sozialer Verantwortung.“
Wenngleich Berlin sich in puncto Technologie nicht mit internationalen Parade-Smart-Citys wie Singapur messen kann – was laut Albert gar nicht der Fokus ist –, verliert ihre Einheit dennoch nicht den Blick auf die Wichtigkeit einer Digitalstrategie. Der Masterplan dazu forciert vor allem eine erleichterte Bürokratie: Bürger und Unternehmen sollen dank der Integration von Maßnahmen im Bereich E-Government sowie benutzerfreundlichem Informationsverkehr durch Glasfaserinternet und Datenmanagement von vereinfachten Behördengängen profitieren. Auch den Gedanken der digitalen Transparenz will das Land hochhalten, mit Initiativen wie „Berlin Open Source“, welches verschiedene Projekte – etwa eine anonyme App zur Auswahl von zeitgenössischen Kunstprojekten – vorstellt. Das CityLab Berlin, ein Projekt der Technologiestiftung Berlin und öffentliches Experimentierlabor am Platz der Luftbrücke, soll als Ideen- und Digitalisierungswerkstätte zum gemeinsamen Erarbeiten weiterer Vorhaben einladen. Im Gespräch merkt man, dass die Vielzahl an Projekten Albert sichtlich mit Freude erfüllt – zugleich wird einem bewusst, wie viele Hüte sich Smart City Berlin eigentlich aufgesetzt hat.
Beate Albert
...studierte Translationswissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin. Sie begann 2003 bei der Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH als Projektmanagerin, seit 2018 ist sie als Bereichsleiterin der Smart-City-Einheit tätig.
Auf die Frage, welche Projekte sie denn besonders gerne behandelt, erwähnt Albert auch Jelbi, die Mobilitäts-App der Berliner Verkehrsbetriebe, über die man auf verschiedenste Wege zu seinem Ziel kommen kann. „Wir laden hier insbesondere auch Start-ups ein, mit ihren Mobilitätslösungen wie etwa E-Scootern das Angebot für den Großraum Berlin zu maximieren. Wir wollen definitiv nicht nur staatliche Verkehrsmittel anbieten, sondern auch die lokale Wirtschaft und Unternehmen stärken und teilhaben lassen. Jelbi ist für mich daher auch ein gelungenes Beispiel einer Public-Private-Partnership“, erklärt Albert.
Wirtschaftsaffin und wirtschaftsnah arbeitend – so soll Smart City Berlin auch in Zukunft agieren. Initiativen wie die sogenannte „Startup-Map“, die das Start-up-Ökosystem der Stadt online verbildlicht und in Zahlen darstellt, ist nur eine der Bestrebungen, die selbstständige Wirtschaft Berlins ins Rampenlicht zu rücken. Aber auch den Stellenwert der Wissenschaft erkennt Smart City Berlin: In Zusammenarbeit erfolgte hier jüngst die Gründung des Forschungsclusters Smart Sustainable City an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW). Was es in Krisensituationen bedeutet, als smarte Stadt zu arbeiten, stellte insbesondere der Ausbruch der Coronapandemie letztes Jahr auf die Probe.
Die anfängliche Ungewissheit in der Bevölkerung war auch für Albert zu spüren, denn plötzlich wurde ihre Einheit zur Anlaufstelle ganz neuer Anfragen: „Wir waren von Tag eins an arbeitsfähig im Homeoffice, was die Endgeräte und das digitale Setting betraf. Bürger und Unternehmer hatten neue, nie da gewesene Fragen, mit denen sie sich an uns wandten. Wir haben auch an der Betreuung der Berliner Corona-Hotline der Investitionsbank Berlin speziell für Unternehmen mitgewirkt. Rund ein Viertel der Belegschaft bei Berlin Partner stand dieser mit Rat und Tat telefonisch zur Seite.“
Für Albert ist ebendas ein Beispiel einer gelungenen Smart-City-Strategie, die menschenzentriert ihre Wirkung entfaltet. Wenn auch „smart“ womöglich nicht das erste Attribut ist, das die Leute mit Berlin assoziieren – dass Berlin ebendas ist, bezweifelt Albert keine Sekunde: „Das Potenzial der Menschen dieser Stadt ist unglaublich, genau darin liegt ihr Fortschritt. Und: „Es ist doch besser, unter- als überschätzt zu werden, oder?“
Titelbild: Das CityLAB ist ein öffentliches Experimentierlabor für die Stadt der Zukunft. Es vereint Elemente aus Digitalwerkstatt, Co-Working und Veranstaltungsraum; hier werden Partizipation und Innovation zusammengedacht. Kein fertiges Konzept, sondern selbst ein Experiment!
Text: Chloé Lau
Fotos: Berlin Partner/BVG Michael Martnik/CityLAB Florian Reimann
Diese Advoice erschien in unserer Ausgabe 7–21 zum Thema „Smart Cities“.