START-UPS AUS WIEN

WISR

Carina Roth, Wisr

Mit Wisr knöpfen sich die Gründer Carina Roth (CTO und „Under 30“-Listmaker 2018), Klaudia Bachinger (CEO) und Martin Melcher (CTO) zwei Themengebiete gleichzeitig vor: den Arbeitskräftemangel durch Überalterung sowie die sogenannten Silver Ager, die trotz Rentenalters noch sinnvoll ihre Erfahrungen einsetzen wollen, statt in den Ruhestand zu gehen. „In vielen Branchen geht ein Viertel der gesamten Belegschaft in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand“, so Roth. Das Wiener Start-up stellt seit 2017 den Wissenstransfer zwischen Generationen in den Fokus und vermittelt ältere Menschen und ihre Expertise an Unternehmen – mit dem Ziel, dadurch die Lücke zwischen den Generationen zu schließen und Altersbilder neu zu formen. „Der Arbeits- und Fachkräftemangel bringt Unternehmen unterschiedlichster Branchen unter Zugzwang“, sagt Roth.

Bereits über 6.500 sogenannte „Senior Experten“ zählt Wisr in seiner Datenbank, welche in allen Branchen und Berufsfeldern in 700 Unternehmen – etwa bei den ÖBB, beim Sicherheitsunternehmen Securitas oder bei der Premium-Fitnesskette Holmes Place – tätig sind. Im Zuge der Pandemie weitete Wisr zudem sein Angebot aus und bietet Unternehmen nun eine Softwarelösung an, um mit ihren (in)aktiven Mitarbeitern im Ruhestand, in Elternzeit, Ausbildung oder Kurzarbeit in Kontakt bleiben zu können. Dadurch soll wertvolles Unternehmenswissen gehalten, die Marke gestärkt und der Unternehmenswert gesteigert werden. „Gerade jetzt, in Zeiten von Homeoffice und Kurzarbeit, hat sich gezeigt, dass es besonders wichtig ist, den Kontakt zu halten und Mitarbeiter miteinzubeziehen, um Einsamkeit zu vermeiden und die Unternehmenskultur zu erhalten – im Sinne einer positiven Arbeitgebermarke für alle Generationen und Lebensphasen“, so Roth.

WEAREDEVELOPERS

Ben Ruschin, Wearedevelopers

Ben Ruschin baut Brücken – jedoch nicht im klassischen Sinn: Mit Wearedevelopers (WAD) führt er Europas Softwareentwickler und Unternehmen zusammen, indem er mit seinen Mitgründern Sead Ahmetović und Thomas Pamminger eine Karriereplattform anbietet, auf der Unternehmen Stellenanzeigen schalten können, die sich ausschließlich auf die Software­entwickler-Community beziehen.

Zudem veranstaltet WAD fortlaufend virtuelle Talks und Events zu IT-Themen und bietet den Experten damit Fortbildungserlebnisse auf hohem Niveau. Diesen eher unkonventionellen Ansatz wählte WAD mitunter deshalb, weil Entwickler so heiß begehrt sind, dass sie eigentlich ohne Hilfe einen neuen Job finden oder gar nicht erst auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber sind – je nach Studie suchen Entwickler im mittleren einstelligen Prozentbereich aktiv nach einem neuen Job. „Wir wollten nie klassische Personalberatung machen, daher verfolgen wir sehr stark einen Community-Gedanken. Klassische Personalberater haben es hier schwer, da Entwickler sie eigentlich nicht brauchen“, so Ruschin.

2019 lag der Umsatz im siebenstelligen Bereich und auf dem WAD World Congress waren über 10.000 internationale Entwickler und IT-Fachkräfte. Doch dann kam Corona: Wegen der Pandemie musste Ruschin alle Events absagen, der World Congress wurde verschoben. Jedoch: „Wir haben relativ schnell die Entscheidung getroffen, virtuelle Events zu veranstalten – bei der WAD Live Week nehmen Speaker auf der ganzen Welt für unsere internationale Developer-Community teil.“ Die Events dienen auch dazu, die WAD-Jobplattform mit Inhalten zu bespielen. Ruschin: „Die IT-Jobplattform ist unser Hauptgeschäft. Wir fokussieren uns nun (während der Coronapandemie, Anm.) auf die Firmen, denen es gut geht.“

MYSUGR

Michael Forisch, Mysugr

Make Diabetes suck less: Unter diesem Motto entwickelten Frank Westermann, Gerald Stangl, Fredrik Debong und Michael Forisch ein digitales Diabetes­tagebuch in Form einer App, Mysugr genannt. Mysugr hilft Diabetikern, den Alltag leichter zu bewältigen und alle wichtigen Informationen zu ihrer Therapie an einem Ort zu bündeln, indem die App die Datenintegration diverser Geräte ermöglicht. Zwei der Gründer, Westermann und Debong, leben selbst mit Diabetes, wissen also um die Herausforderungen im Alltag. „Diabetes ist eine zahlengetriebene Krankheit. Alles, was man im Alltag tut, wirkt sich darauf aus: Rege ich mich auf? Habe ich gut geschlafen? Habe ich Sport gemacht? Faktoren wie diese haben Einfluss auf die Therapie – und das alles zu strukturieren ist schwierig“, so Forisch über die Problematik im Umgang mit Diabetes. Mysugr soll ebenda Erleichterung schaffen.

Und das Angebot kommt an: Nach dem Start der App im April 2012 konnten bis Jahresende bereits 1.200 Kunden gewonnen werden. Um mit dem Wachstum Schritt halten zu können, begab man sich 2011 aktiv auf Investorensuche und fand 2014 mit dem Roche Venture Fund einen Partner, der sowohl in strategischer Hinsicht als auch auf menschlicher Seite optimal zu Mysugr passte, wie Forisch erzählt. Zusammen mit weiteren Geldgebern, iSeed Ventures in San Francisco und Peking sowie dem bestehenden Investor XLHealth, wurde eine Summe von 4,2 Millionen € in das internationale Wachstum investiert. Mehr als drei Millionen registrierte Appnutzer zählt das Unternehmen mittlerweile, für das über 200 Mitarbeiter – viele davon leben selbst mit Diabetes – in Büros in Wien und Encinitas, Kalifornien, tätig sind. 2017 folgte dann der große Exit: Mysugr verkaufte alle Anteile an Roche Diabetes Care und wurde somit Teil der Roche-Familie.

Jörg Hölzing, Head of Customer & Strategy Solutions bei Roche und Managing Director Mysugr: „Roche Diabetes Care ist seit mehr als 40 Jahren am Markt der Medizinmesstechnik – insbesondere bei Blutzuckermessgeräten und Insulinpumpen – aktiv. Wir haben gesehen, wie stark isoliert die Datensätze liegen und dass viele Geräte nicht miteinander kompatibel sind. Das Zusammenwachsen von Hard- und Software war also immer schon ein Thema für uns; es gibt uns die Möglichkeit, den Patienten wirklich zu helfen und sie in die Lage zu versetzen, ihren Diabetes selbst zu managen. Mysugr war ein wichtiger Meilenstein in der Umsetzung unserer Strategie, das Thema voranzutreiben.“

Wie war der Verkauf für Forisch? „Eine Übernahme ist für Gründer immer ein gewisses Risiko. Menschlich gesehen hat das jedoch optimal gepasst, und so hatten wir das Vertrauen in Roche, dass unsere Kultur, Agilität und der Patientenfokus weiterhin bestehen bleiben.“ Nun soll das integrierte und personalisierte Diabetesmana­gement weiter vorangetrieben werden: „Wir haben große Pläne“, so Hölzing.

GOSTUDENT

Felix Ohswald, Gostudent
Gregor Müller, Gostudent

In der Zukunft des Lernens ist die Nutzung digitaler Technologien essenzieller Bestandteil. Das dachten sich jedenfalls Felix Ohswald und Gregor Müller und entwickelten mit Gostudent ein virtuelles Klassenzimmer, um Schülern im Alter zwischen sechs und 19 Jahren auf individuelle, maßgeschneiderte Art Lernen zu ermöglichen. „Ich hatte das große Glück, dass ich einen Opa hatte, der mir die Begeisterung für Mathematik und Naturwissenschaften mitgegeben hat, und so haben wir (bei Gostudent, Anm.) erkannt, dass die Bildung von der Qualität der Lehrer und von deren Fähigkeit, als Vorbilder Kinder zu inspirieren, abhängt. Das größte Problem, das wir in der Bildung sehen, ist, dass es nicht viele Lehrer gibt, die Kinder inspirieren und motivieren. Dieses signifikante Problem wollen wir lösen, indem wir den Zugang zu tollen Lehrern ermöglichen“, so Felix Ohswald, der bereits mit 14 Jahren ein Mathematikstudium begann.

Um die besten Lehrer für das Unternehmen zu finden, werden AI-­basierte Tests eingeführt – mittlerweile arbeiten über 2.000 Lehrkräfte bei dem Bildungs-Start-up. In Zeiten von Corona zähle Gostudent vier- bis fünfmal so viele Anfragen. Generell entwickelt sich das Unternehmen prächtig: Pro Monat werden mittlerweile mehr als 150.000 Stunden abgewickelt und 2020 wurden in einer Finanzierungsrunde über die Investmentfirma Left Lane Capital und die Risikokapitalgesellschaft DN Capital 13,3 Millionen € eingesammelt. Damit und mit seinen über 180 Mitarbeitern in Wien, Lyon und Madrid ist Gostudent mittlerweile die größte Online-Nachhilfeplattform im DACH-Raum. „Wir sind in einer tollen Geschwindigkeit unterwegs und versuchen in den nächsten Monaten, den Marktanteil zu vergrößern. Bis Ende 2021 wollen wir in über 15 Ländern Europas aktiv sein und das Team auf 800 Mitarbeiter vergrößern.“

Text: Andrea Gläsemann
Fotos: Felicitas Matern, WAD, Susanne Einzenberger, Gostudent, Oliver Wolf, Titelbild: @tfrants via unsplash.com

Dieser Artikel erschien in unserer Forbes Daily "Wiener Wirtschaft".

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