TETRIS AUF DER STRASSE

Mit Ono wollen die Gründer Beres Seelbach, Philipp Kahle und Murat Günak zugeparkten Straßen und kilometerlangen Staus in Städten den Kampf ansagen: Das eCargobike soll Paketzustellungen effizienter und sauberer machen.

Dichte Straßen, hupende Autos, Abgaswolken – und mittendrin ein schlankes Gefährt auf drei Rädern, dessen Fahrer sich ohne Probleme durch den Verkehrsdschungel durch manövrieren kann und dabei noch nicht einmal die Umwelt verschmutzt. So könnte schon bald das Verkehrsbild in Städten aussehen und den Paketzustellern einiges an Zeit und Nerven sparen; und irgendwann einmal könnte das Fahrzeug sogar eine Taxi-Alternative sein und im Optimalfall Städte von Lärm und Abgasen befreien.

Die Rede ist vom eCargobike Ono, einem Hybrid aus Elektrofahrrad und -auto. Bei der Gründung 2016 hieß das Fahrzeug noch Tretbox, wurde aber später umbenannt, da der neue Name für das Geschäftsmodell stehen soll. „Ono steht in seiner Symbolik für das Unendlichkeitszeichen. In unserem Geschäftsmodell verkaufen wir das Fahrzeug nicht, sondern vermieten es. Damit soll es sehr lange haltbar sein und es sollen Mobilitätskreisläufe entstehen, in denen die Fahrzeuge recycelt und upgegradet werden können“, sagt Beres Seelbach, einer der drei Gründer von Ono. Seelbach hatte zuvor bereits das Unternehmen Lautlos gegründet, das elektrische Mobilitätslösungen und Carsharing anbietet. Dort hat auch der zweite Ono-Gründer Philipp Kahle als Fahrzeugingenieur mitgewirkt, heute fungiert er als On CTO fungiert. Dritter im Team ist Murat Günak (CDO), dessen Designhandschrift etliche Fahrzeuge wie der Mercedes SLK oder einige Maybach-Modelle tragen und das Ono-Gründungsteam in Sachen Formsprache und Design abrundet. „Wir haben uns zusammengesetzt und uns gefragt, was Mobilität wirklich braucht. Elektroautos sind zwar besser als Verbrennungsautos, besitzen aber immer noch Nachteile. Daraus ist dann die Idee zu Ono entstanden, einer völlig neuen Kategorie von Fahrzeugen“, so Seelbach.

ONO Prototyp E-Cargo-Bike für die KEP-Branche

Tetris spielen

Das stimmt insofern, weil Ono die Lösungen aus der Fahrrad- und Automobilbranche verknüpft: Als elektrisches Cargobike ist das Fahrzeug sehr flexibel, hinterlässt einen geringen ökologischen Fußabdruck und ist einfach zu bedienen – der Fahrer benötigt nicht einmal einen Führerschein. Der Anspruch an ein großes Transportvolumen, ansprechendes Design und die Servicementalität stammt aus der Automobilbranche. „Das Fahrzeug ist modular aufgebaut. Es besteht aus einem Rahmen, der quasi alleine fahren kann, mit einer Fahrerkabine vorne, die vor Wind und Wetter schützt. An den hinteren Teil kann man je nach Einsatzzweck unterschiedliche Module andocken. Zunächst einmal ist es ein Container für die Paketbranche, zukünftig kann es auch ein Modul sein, das Menschen transportieren kann wie ein Taxi“, so Seelbach. Ähnlich wie bei Tetris lassen sich also verschiedene Module verknüpfen. Der Paketcontainer besitzt ein Ladevolumen von zwei Kubikmetern und kann bis zu 300 Kilogramm tragen. Verglichen mit der Größe und Traglast eines normalen Postautos (hier: Ford Transit 350 M, Nutzlast 702 Kilogramm, 4,2 Kubikmeter Volumen) kann dies durchaus mit den bisherigen Paketzustellfahrzeugen mithalten – zudem wird beim Material an Gewicht einspart. Denn im Gegensatz zu herkömmlichen Autos ist Ono, abgesehen vom Rahmen, aus Kunststoff gefertigt. „Dadurch, dass wir mit maximal 25 Kilometern pro Stunde unterwegs sind, brauchen wir kein Blech. Für den Rahmen prüfen wir derzeit noch leichtere Materialien wie Carbon. Dabei muss man immer abwägen zwischen Gewicht, Materialkosten und Umweltverträglichkeit“, erzählt Seelbach. Auch das Design spielt eine wichtige Rolle und hebt sich von anderen Cargobikes ab, so der Ono-CEO.

Ein Blick auf andere eCargobikes-Hersteller wie das deutsche Unternehmen Riese & Müller, das in Amsterdam ansässige Urban Arrow, das dänische Arrow Butchers & Bicycles oder die US-amerikanischen Yuba Bikes scheint dies zu bestätigen. Keiner der genannten Unternehmen bietet eine Fahrerkabine mit andockbaren Modulen in einem so einheitlichen Design wie Ono an. „Die meisten Cargobikes werden rein funktional gestaltet. Wenn man aber bedenkt, dass ein Fahrer sich pro Tag acht Stunden oder länger durch die Stadt bewegt, war es aus unserer Sicht sehr wichtig ein ansprechendes Design zu entwickeln. Es soll weiche Formen haben, aber auch darstellen, dass es etwas Neues ist und die Menschen ansprechen.“ Neben der Verleihung der Lastenfahrzeuge stellt Ono zusätzlich eine Flottenmanagement-Software  sowie ein Service- und Wartungspaket bereit, das unter anderem Wartungsarbeiten beinhalten sowie einen Vor-Ort-Service mit schnellen Reaktionszeiten garantieren soll (Geschäftsmodell: „Vehicle-as-a-Service“). Anhand dieses Tools sowie der Vermietung der eCargobikes, möchte das Unternehmen Umsatz generieren. Kunden sollen hierbei eine monatliche Rate für das Gefährt und den Service zahlen – genaue Zahlen gibt Ono hier aber nicht bekannt. Ebenso wenig verraten die Gründer Namen zu Zulieferern von Bauteilen, jedoch besteht vor allem aufgrund der Kontakte von Günak eine enge Verbindung zu VW (Günak ist Ex-VW-Chefdesigner). Um die Vision rund um Ono Wirklichkeit werden zu lassen, zieht das Team auch Experten aus der Automobilbranche hinzu.

Von der Konzeption auf die Straße

Bisher hat Ono zwei Prototypen hergestellt, der erste volldesignte Prototyp wurde vergangenen  November präsentiert. Damit liegt Ono nicht im ursprünglichen Zeitplan: denn es war geplant, Ende 2018 in Serienfertigung zu gehen (siehe Forbes-Artikel https://startups.forbes.at/artikel/tretbox.html), ebenso war es das Ziel, innerhalb von drei Jahren Marktführer im Bereich B2B für Cargobikes in Europa und Nordamerika zu werden. Mittlerweile sind seit der Gründung knapp drei Jahre vergangen, die Pläne wurden modifiziert. So ist die Serienfertigung nun für Ende 2019 geplant, erste Pilotprojekte sind für diesen Juni angedacht. „Das Fahrzeug soll von Kunden auf Herz und Nieren geprüft und dann idealerweise bestellt werden“, sagt Seelbach. Die Kunden werden in erster Linie zunächst einmal aus Paketdiensten bestehen, auch hier gibt Ono aber keine näheren Details. Privatpersonen stehen bisher nicht im Fokus – denn laut Seelbach ist es für Start-ups schwierig, mit Endkunden so in Kontakt zu treten, dass es sich für das Unternehmen rentiert; zudem würden private Kunden andere Bedürfnisse haben, die alle abgedeckt werden sollen.

E-Cargo-Bike ONO: Am 29.11.18 wurde in Berlin der Prototyp vorgestellt

Bisher haben die Gründer rund um Seelbach das eCargobike nur in Berlin vorgestellt, 2019 wollen sie aber eine europäische Road Tour starten, um Ono in Städten wie Kopenhagen, London und Madrid bekannt zu machen. Schrittweise sollen nach und nach neue Städte in das Servicekonzept aufgenommen werden. „Das wird in den nächsten fünf Jahren unser Thema sein, danach wagen wir den Sprung nach Nordamerika, wo Elektromobilität schon heute ein großes Thema ist“, sagt Seelbach über die Zukunftspläne von Ono.

Crowdfunding als Marketingkampagne

Die Umsetzung dieses Plans und vor allem die Produktion der Prototypen bedarf jedoch einiges an Finanzierung. „Die Prototypen waren recht teuer. Wir werden mit Partnern aus der Autoindustrie in die Montage gehen, damit wir die Preise über die Stückzahl senken können“, so Seelbach. Wie viel die Kosten betragen, verrät er nicht. Fünf weitere Prototypen seien jedenfalls momentan geplant. Anfang des Jahres startete Ono eine Finanzierungsrunde. Ziel war es, 500.000 € einzusammeln – erreicht wurden am Ende jedoch nur 356.750 € von insgesamt 319 Investoren. Ein Problem sieht Seelbach darin aber nicht: „Unabhängig vom Crowdfunding sprechen wir bereits mit institutionellen und strategischen Investoren. Das Crowdfunding war auch als Marketingaktion wichtig. Über die Kampagne haben wir Anfragen von möglichen Kunden und Kooperationspartnern bekommen.“ Die Chancen  für Ono zu wachsen scheinen nicht nur angesichts dessen gegeben zu sein: Laut dem US-amerikanischen Marktforschungsinstitut Persistence Market Research soll 2026 weltweit die US-Dollar-Milliardenmarke beim Verkauf von Lastenrädern erreicht werden. Somit dürfte Onos Vision von leisen und sauberen Städten ein Stück näher Richtung Realität rücken.

Text: Andrea Gläsemann

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