The HeroShow Must Go On

Mit dem Produkt „HeroShow“ bringt NXRT-Gründer Lukas Stranger Fahrzeuge als Mixed-Reality-Erlebnis in die Autohäuser – und verändert damit die Art und Weise, wie Händler verkaufen und Kunden entscheiden. Doch die Autobranche ist erst der Anfang.

Lukas Stranger wirkt im Videocall aus Lyon erstaunlich ruhig für jemanden, dessen Start-up gerade eine ordentliche Wachstumsphase erlebt. Er ist für ein Branchenevent in der französischen Stadt – und berichtet uns in einer Abendstunde, wie sich NXRT in nur drei Jahren von einem Mixed-Reality-Simulator-Anbieter zu einem zentralen Technologiepartner für den Autohandel entwickelt hat.

Die Ursprünge liegen in der Fahrsimulation, auf die sich NXRT ursprünglich fokussierte. „Wir haben damals immer häufiger das gleiche Feedback bekommen: ‚Wenn die Leute schon eine Mixed-Reality-Brille aufhaben, warum können sie nicht gleich das Fahrzeug konfigurieren?‘“, sagt Stranger. Der vermeintlich kleine Hinweis erwies sich als Wendepunkt: „Wir haben letztes Jahr einen Test gemacht und dieses Feedback nicht als Feature umgesetzt, sondern gleich ein eigenes neues Produkt gebaut.“ Dieses Produkt heißt heute ­„HeroShow“ – und es löste eine Welle aus, die NXRT selbst überraschte. Stranger: „Wir sind überrannt ­worden von positivem Feedback. Anscheinend haben wir da wirklich einen Nerv getroffen.“

„HeroShow“ ist heute bei über 300 Händlern in Deutschland und Österreich im Einsatz, Tendenz ­steigend. Die neuen Headsets machten es möglich: „Der große Unterschied ist: Die Brillen sind stand-alone. Man braucht dazu keinen Rechner, kein Kabel, alles ­findet in der Brille statt“, erklärt Stranger. Das System rendert Fahrzeuge in Originalgröße, farbtreu und in ­hoher Auflösung. Händler können Modellvarianten zeigen, die physisch oft noch Monate entfernt sind. Das spart Kosten, denn Lagerfahrzeuge sind teuer geworden, die Auswahl aber soll wachsen. Ein virtueller Showroom ersetzt plötzlich mehrere reale Varianten.

NXRT liefert ein Vollpaket, das auch die Hardware umfasst. Man verdient aber an Lizenzen; Händler zahlen eine jährliche Gebühr von nahezu 4.000 €, die das Headset, die Software und alle Updates abdeckt. „Alles ist eingepreist – wenn die Hardware veraltet ist, tauschen wir sie aus“, sagt Stranger. Im Hintergrund arbeitet ein Team von fünfzig Mitarbeitenden an mehreren Hundert Fahrzeugmodellen gleichzeitig. „Wir können sechs bis sieben Modelle parallel entwickeln“, sagt Stranger.

Bei rund 300 Händlern und ohne etwaige (Mengen-)Rabatte würde das für 2025 einen Umsatz im niedrigen siebenstelligen Bereich ergeben; nächstes Jahr soll die Zahl der Händler aber 1.000 erreichen, was wiederum einen hochgerechneten Jahresumsatz von rund vier Mio. € ergäbe. Stranger will die Zahlen im Detail nicht kommentieren, gibt aber an, dass die Lizenzen den allergrößten Anteil des Umsatzes ausmachen.

Die Technologie ist bewusst auf Einfachheit ausgelegt. Stranger sagt: „Ich bin selbst kritisch gegenüber klassischer VR-Technologie. Die Hauptproblematik war immer, dass solche Systeme von Menschen mit viel Technologiewissen gebaut wurden – unser Kunde möchte aber das Produkt unmittelbar erleben und sich nicht minutenlang mit der Steuerung beschäftigen müssen.“ Deswegen steuern bei „HeroShow“ die Mitarbeiter der Händler per Tablet bzw. bald per Smartphone alles; der Kunde hat die Brille auf und gibt Anweisungen. Es soll funktionieren wie ein gutes Konsumprodukt: anschalten und erleben.

NXRT entwickelt längst über die Autoindustrie ­hinaus: Ein europäischer Defence-Hersteller nutzt „HeroShow“, um mobile Dekontaminationscontainer zu präsentieren. Traktoren, Baumaschinen, Spezial­fahrzeuge, auch Yachten – überall dort, wo physische Produkte erlebt werden sollen, die schwer transportierbar sind, bestehen Möglichkeiten. Stranger: „Die Softwarearchitektur ist so gebaut, dass du nicht nur Fahrzeuge zeigen kannst, sondern jedes ­erdenkliche 3D-Objekt. Es geht immer darum, etwas Großes und Komplexes schnell und einfach verständlich zu machen.“

In Zukunft könnten die Systeme noch mehr leisten – Stranger spricht über Eye-Tracking, Stresslevel-Erken­nung und datenbasierte Optimierung. „Man könnte etwa ein intelligenteres Verkaufstool bauen. Die Brillen werden somit bis zu einem gewissen Grad eine Datensammelmaschine; alles anonymisiert, aber interessant für Hersteller, weil sie sehen: Wo schaut der Kunde überhaupt hin? Was interessiert ihn?“ Gleichzeitig hält er die Technologie im B2C-Massengeschäft für überschätzt: „Ich glaube nicht, dass jeder Haushalt in den nächsten drei Jahren ein VR-Headset haben wird. Die Infrastruktur ist einfach noch nicht so weit. Und ich würde mir, ehrlich gesagt, auch keinen Hollywood-Film im Headset ansehen.“

Für NXRT bedeutet das: Fokus auf den pro­­fes­sion­ellen Einsatz und internationale Expansion. In Deutschland und Österreich ist das Unternehmen bereits stark präsent, die Schweiz folgt im kommenden Jahr. Parallel entstehen Gespräche mit großen europäischen Re­tailern. Stranger: „Man kann in Europa skalieren, das erlaubt das Produkt. Aber man braucht Vertriebskraft – in jedem Land müssen ein paar Leute sitzen.“

Zum Ende des Gesprächs blickt Stranger über die Messehalle. Die Zukunft des Handels, sagt er, spiele sich genau hier ab: Produkte werden komplexer, Kunden anspruchsvoller; physische Präsenz bleibt wichtig, aber sie verändert sich. „Es gibt Momente, in denen Technologie nicht nur zeigt, was möglich ist, sondern wohin sich ein Markt ohnehin bewegt.“ NXRT will an genau diesem Übergang arbeiten.

Foto: NXRT

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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