The reverse Amazon

Resourcify will die Abfallwirtschaft revolutionieren: Das Start-up bringt Abfallerzeuger und -verwerter zusammen, um Recycling einfacher, schneller und besser leistbar zu machen. Seit seiner Gründung hat das Hamburger Unternehmen Abfallverträge im Wert von über 50 Mio. € über die Plattform abgewickelt. Was treibt Gründer Gary Lewis an?

„Wir machen Müll zu Geld!“, sagt Gary Lewis euphorisch – eine Aus­sage, die man nicht alle Tage hört. Doch vieles, was heutzutage in die Mülltonne kommt, könne als Rohstoff wiederverwendet werden, so Lewis. Lewis, Mitbegründer und CEO des Hamburger Start-ups Resourcify, das in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Schweden, Groß­britannien und Frankreich tätig ist, will den Abfall und die Denkweise dahinter revolutionieren - und daraus ein Geschäft machen.

Der Neuseeländer sammelte in seiner Heimat in der Schiffs­industrie Berufserfahrung, bevor er der Liebe wegen nach Deutschland kam. 2015 gründete Lewis mit Pascal Alich und Felix Heinricy Resourcify, damals noch Pendula genannt. Als Schiffs­ingenieur bereiste er mehr als 60 Länder dieser Welt und lernte dabei die Konsumgesellschaft und den Materialverbrauch „von der anderen Seite“ kennen, wie er sagt. Das hat schlussendlich dazu geführt, dass in ihm eine Vision entstand: eine Zukunft zu kreieren, die von einem möglichst einfachen und nachhaltigen Umgang mit Res­sourcen geprägt ist.

Der Schlüssel dazu ist die Kreislaufwirtschaft – in ihr werden Roh- und Werkstoffe möglichst lange in einem Kreislauf behalten. Konkret bedeutet das, dass Produkte nach ihrer Benutzung nicht weg­geworfen werden, sondern vielmehr eine Grundlage für neue Produkte und Prozesse sind. „Wie sammelt man Ressourcen, Produkte, Abfälle? Wie bringt man sie dorthin zurück, wo sie hingehören, wie dokumentiert man diesen Prozess und wie macht man ihn so einfach wie möglich? Wir setzen uns dafür ein, dass die Kreislaufwirtschaft durch die Digitalisierung zum Leben erweckt wird. Und Resourcify kann dabei eine Schlüsselrolle spielen“, sagt Gary Lewis.

Konkret bietet das Start-up mit 50 Mitarbeitern eine Cloud-Software, die die Abfallentsorgung von Unternehmen digitalisiert und sie mit Entsorgern sowie Verwertern verbindet. So gibt die Software Unternehmen einen Überblick darüber, wie viel Metall, Holz oder Papier sich bei ihnen angesammelt hat, und verknüpft sie anschließend mit den richtigen Entsorgern. Wenn die Software recycelbare Materialien wie Hartplastik oder Metall im Müll findet, verdienen die Unternehmen Geld – denn diese wiederverwertbaren Materialien zieht Resourcify von den Abfuhrkosten ab und ermöglicht so zusätzliche Umsatzströme. „We are the reverse Amazon. Amazon brings you all the shit and we get it back“, sagt Lewis überzeugt. Der Umsatz kommt durch das Software-as-a-Service-Modell über Lizenz-, Setup- und Servicegebühren von Unter­nehmenskunden zustande.

Das Geschäftsmodell scheint aufzugehen: Resourcify hat bereits Abfall im Wert von 50 Mio. € über die Plattform abgewickelt. Zu den Kunden gehören unter anderem die Ketten Hornbach, die Universitätsklinik Bonn sowie der Pharmahersteller Johnson & John­son. Insgesamt wird die Software an 15.000 Standorten in sieben Ländern genutzt.

Auch bei den Investoren kommt die Idee gut an – Lewis hat mit seinen Mitgründern Anfang des Jahres fünf Mio. € einsammeln können. Somit kommt das deutsche Start-up auf ein Gesamt­investment von neun Mio. €. In einer Pressemeldung im Februar 2022 sagte Andreas Schwarzenbrunner, Industrial-Tech-Partner von Speed­invest und Forbes-„Under 30 DACH“-Listmaker, über Resourcify: „Abfall ist ein globales Problem. Wir produzieren mittlerweile über zwei Milliarden Tonnen davon pro Jahr, und die Unternehmen sind die Hauptverursacher. Resourcify erleichtert es Firmen aus allen Branchen, ihre Abfälle zu über­wachen und zu verwalten, und bringt uns so einer Zero-Waste-
Zukunft näher.“

Dass Investoren von der Idee überzeugt sind, überrascht kaum, schließlich ist die Kreislaufwirtschaft ein wachsender Millionenmarkt. Wie Berechnungen des Beratungshauses BCG (für das Handelsblatt) ergeben haben, wird allein in Deutschland das Markt­volumen der zirkulären Wirtschaft bis 2030 auf über 200 Mrd. € ge­schätzt; für Europa liegt der Wert bei bis zu 800 Mrd. €. „Der Mensch entnimmt mehr als 100 Milliarden Tonnen Rohstoffe aus der Erde, verwertet davon jedoch nur 8,6 % wieder“, sagt Lewis und zitiert dabei den jährlichen Circularity Gap Report. Resourcify verspricht bei Nutzung seiner Software Großes: einen Anstieg der Recyclingrate um 50 %, eine 50-prozentige Senkung der durchschnittlichen Abfallkosten (pro Tonne) sowie dreimal mehr Einkommen durch die Wertstoffe, die man bei der Abfallbeseitigung sammelt und verkauft.

Doch das reicht nicht aus. Lewis möchte besser darin werden, das Problem – die derzeitige Ab­fallwirtschaft als Gegenpol der Kreislaufwirtschaft – und die zu­gehörige Lösung von Resourcify an die Masse zu kommunizieren. Damit das gelingt, gilt es, Bewusstsein zu schaffen und einen Diskurs anzu­regen. Lewis: „Wir wollen eine Vorreiterrolle beim Übergang von der eigentlichen Abfallwirtschaft zu einer vollständigen Kreislaufwirtschaft übernehmen. Gerade sind wir dabei, uns von einem reinen SaaS-Produkt zu einer echten Plattform zu entwickeln, die allen Beteiligten Mehrwert bietet. Dieser Über­gang wird einige Zeit dauern.“ Resourcify will die Nummer-eins-Zero-Waste-Plattform für Abfall- und Wertstoffmanagement in Europa werden und damit einen wesentlichen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten, fasst Lewis abschließend zusammen.

Gary Lewis ist Mitgründer und CEO von Resourcify, der digitalen Recycling­plattform, die Abfallerzeuger und -verwerter zusammenbringt, um Recycling einfacher, schneller und besser leistbar zu machen. Mit seiner Vision, eine zirkuläre Zukunft zu ermöglichen, wurde Lewis auf die „30 Under 30 Europe“-Liste von Forbes gesetzt.

Text: Naila Baldwin
Foto: Resourcify

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