Tory Burchs Covid-ÜberlebensGuide

Im Zuge der Coronakrise stürzte die Luxusmodenindustrie 2020 in eine tiefe Krise. Tory Burch, eine der erfolgreichsten amerikanischen Einzelhändlerinnen des Jahrhunderts und eine der reichsten Frauen der Vereinigten Staaten, gab Forbes-US einen tiefen Einblick in den Kampf um die Rettung ihrer Marke.

Nach sieben langen Tagen und schlaflosen Nächten im März 2020 wurde Tory Burchs tadellos dekorierte Bibliothek in ihrem roten Backsteinhaus in den Hamptons offiziell zum Kriegsraum des Unternehmens. ­Pierre-Yves Roussel, ihr Ehemann und Chef ihres gleichnamigen Modeunternehmens, nahm die gemusterte grüne Couch in Beschlag, ihm gegenüber nahm Burch, die in Leggings gekleidete Vorsitzende des Unternehmens, den Schreibtisch am Fenster mit Blick auf ihre sieben Hektar Land ein. Drei Wochen lang verließ das Paar das Zimmer kaum. „Wir hatten einen ganzen Monat lang keine Pause. Es war eine sehr beängstigende Zeit. 2008 gab es die Wirtschaftskrise und wir sahen, wie sich unser Geschäft über Nacht veränderte, aber das war nicht wie 2008. Es war viel, viel schlimmer“, so Burch. Luxusmode ist selbst in den besten Zeiten unbeständig – das Coronavirus war eine besonders kräftezehrende Plage.

Chinesische Reisende, die etwa 30 % des Luxusgüter-­Umsatzes in Europa und Nordamerika aus­machen, legten ihre Reisetaschen ab. J. Crew, Neiman Marcus und Brooks Brothers meldeten alle Konkurs an. Die Umsätze der Gucci-Mutter­gesellschaft Kering und von LVMH, Roussels ehemaligem ­Arbeitgeber, gingen im zweiten Quartal um rund 40 % zurück; bei Ralph Lauren brach der Umsatz um zwei Drittel ein. Burch und Roussel erkannten schnell, wie schlimm die ­Situation war. Innerhalb weniger Wochen schlossen sie zahlreiche ihrer 315 Tory-Burch-Geschäfte in aller Welt, entließen die meisten ihrer Einzelhandelsmitarbeiter, stellten Expansionspläne zurück und mussten den Tod eines langjährigen engen Mitarbeiters durch Covid-19 verkraften. Dann begannen sie mit der Ausarbeitung neuer Pläne, um sicherzustellen, dass Tory Burch LLC nicht untergeht. Im Jahr 2020, einer für die Welt, die Wirtschaft und den Einzelhandel so einschneidenden Zeit ließen sich Burch und Roussel von Forbes auf ihrem achtmonatigen Weg durch die Apokalypse begleiten. Sie mussten improvisieren, Läden schließen, Lieferungen umleiten und den E-Commerce umgestalten; alles in der Hoffnung, dass das Unternehmen, das 2019 einen Umsatz von fast 1,5 Mrd. US-$ erwirtschaftete und dessen Gewinnmarge Forbes auf 11 % schätzt, überleben kann. „Wir wussten nicht, wie wir in der Lage sein würden, agil und anpassungs­fähig zu bleiben“, so Burch.

Burch hatte eine, wie sie sagt, märchenhafte Kindheit; sie wuchs in einem großen, alten Haus in ­Valley Forge, Pennsylvania, auf. Sie war die Tochter einer ehemaligen Schauspielerin und eines Financiers, die beide Wert auf gute Kleidung legten. Nach ihrem Abschluss in Kunstgeschichte an der University of Pennsylvania im Jahr 1988 zog Burch nach New York, wo ihre Leidenschaft für Mode geweckt wurde. Sie arbeitete für Zoran Ladicorbic, einen jugoslawischen Designer, und war anschließend für die Redaktion von Harper’s Bazaar, Ralph Lauren und Vera Wang tätig. Nachdem sie 1996 den Investor Chris Burch geheiratet hatte, baute das Paar ein Portfolio von Investitionen auf, das ihnen nicht nur finanziell half, sondern ihnen auch einen Platz in der New Yorker High Society verschaffte.

Die erste Tory-Burch-Bou­ti­que wurde im Februar 2004 im Stadtteil Nolita in Manhattan er­öffnet. Sie wurde von dem Paar betrieben und basierte auf Burchs Idee ­einer erschwinglichen Luxus- und ­Lifestylemarke. 2005 wurde die ­Tory-Burch-Website acht Millionen Mal aufgerufen, es ging steil bergauf. Im selben Jahr erzielte die Marke einen Umsatz von 17 Mio. ­US-$, 2007 lag der Umsatz schon bei 113 Mio. US-$ und das goldene T-Logo schaffte es auf die exklusive globale ­Liste der Luxusmarken. Dann kamen private Probleme ans Tageslicht: Im Jahr 2006 leitete Burch das Ende ­ihrer Ehe ein, die Scheidung wurde zwei Jahre später vollzogen. Burch beschreibt ihre sehr öffent­liche Scheidung als eine der schwierigsten Phasen in ihrem Leben.

Im darauffolgenden Jahr begann sie, mit Roussel auszugehen, der zu dieser Zeit als Chef des Modekonzerns LVMH tätig war. Burch hatte Roussel im Jahr 2012 kennengelernt, als LVMH kurzzeitig Interesse an einer Investition in ihr Unternehmen bekundete. Das Paar heiratete im Dezember 2018. Weniger als zwei Wochen nach ­ihrer Hochzeit gab Burch Roussel als ­neuen CEO ihres Unternehmens bekannt. Er begann mit seiner Arbeit offiziell im Januar 2019 und sie übernahm stattdessen eine kreative Rolle als Executive Chairman.

Doch schon bald sollte die neue Partnerschaft auf die Probe gestellt werden: Die Covid-19-Krise überkam die beiden inmitten eines Karrierehochs. Am 28. Januar schlossen McDonald’s und Starbucks einige Filialen in China, am selben Tag begann Tory Burch LLC mit der Schließung seiner 29 Läden auf dem chinesischen Festland, darunter auch der 9.600 Quadrat­meter große Laden in Shanghai, der größte der Welt. Bald darauf musste die Herstellung einiger Tory-Burch-Produkte in Asien und Europa wegen Verzögerungen unterbrochen werden. Wenn das vorkam, änderte Burchs Team entweder das Design des Produkts oder strich es aus der Kollektion. Unter den Opfern: zwei bestickte Kleider aus Indien und Osteuropa und Schuhe aus Italien. In einigen Fällen wurden Stoffe aus dem Lagerbestand früherer Saisonen wiederverwendet und die Produktion nach Brasilien verlegt, ein Land, das erst später von der Pan­demie betroffen war.

Als nächster Schritt wurden die Bestände dorthin gebracht, wo sie sich am besten verkaufen ließen. Dazu gehörten die USA, China und natürlich das Online-Vertriebszentrum des Unternehmens in Atlanta. Burch und Roussel einigten sich darauf, saisonale Stücke zu reduzieren und sich auf ganzjährig beliebte Produkte wie Taschen und Turnschuhe zu konzentrieren. Ebenso schwierig war es, herauszufinden, wo die Ware verkauft werden sollte: Mitte März hatten Burch und Roussel mehr als die Hälfte der 315 Burch-Filialen geschlossen, darunter einige der 38 im Großraum China liegenden Filialen, 111 in den USA, sechs in Kanada und 13 in Europa. Das Unternehmen entließ daraufhin die meisten US-Verkaufs­mitarbeiter und die Mehrheit des Einzel­handelspersonals in Europa. „Wenn man nicht in der Lage ist, das zu schützen, was man aufgebaut hat“, sagt Burch über diese Entscheidungen, „wird es natürlich eine sehr harte emotionale Reise.“

Auch künftig werden die Kollektionen mehr Schuhe und Taschen enthalten, also Artikel, die von den Kunden als ­längerfristige Anschaffungen oder Investitionen betrachtet werden und die weniger schnell aus der Mode kommen. Der Produktmix werde sich ansonsten nicht großartig ändern, so ein Sprecher der Marke. Während die Kunden immer noch hauptsächlich wegen der farbenfrohen Sandalen und kleinen Handtaschen zum Modelabel kommen, hat sich Tory Sport, die 2015 eingeführte Luxus-Sportbekleidungskollektion, zu einem Lichtblick entwickelt. Das Unternehmen hat die Linie auf seiner Homepage prominent platziert und einen Loungewear-Shop auf der Website eingerichtet. Die Online­verkäufe von Tory Sport sind nach Angaben des Unternehmens seit Beginn der Pandemie um „mehr als 30 %“ gestiegen. Um die neue, kleinere Kollektion fertigzustellen, ließ Burch die teilweise fertigen Kleider mit einem Lastwagen zu ihrem Haus in den Hamptons liefern und verlegte ihr Büro von der Bibliothek in das geräumige Esszimmer. Die Teppiche und Möbel kamen raus und wurden durch glänzende Stoffmuster und Kleiderständer ersetzt. Burch passte ihre neuen Entwürfe an zwei Angestellte an, die, wie sie sagt, „ein bisschen fitter“ als sie selbst waren. Verglichen mit der Welt, die die Unternehmerin nur ein paar Monate zuvor kannte, war es ein surrealer, zermürbender Prozess.

Tory Burchs Ehemann Pierre-Yves Roussel begann 2018, kurz nach der Hochzeit der beiden, als CEO der Marke tätig zu werden.

Die Pandemie hat sich als ­einer der größten Beschleuniger in der Wirtschaftsgeschichte erwiesen. Während sich die Einzelhändler – sowohl die großen als auch die kleinen Läden – gezwungen sahen, sich im Handumdrehen neu zu erfinden, haben die Gewinner heraus­gefunden, wie sie heute E-Commerce-Strategien umsetzen können, die vielleicht erst in fünf Jahren auf dem Reißbrett entstanden wären. So auch bei Tory Burch: Roussel verlagerte den Schwerpunkt von den physischen Geschäften auf die E-Commerce-Infrastruktur und Onlinekampagnen. Vor der Pandemie – insbesondere auf dem 31 Mrd. US-$ schweren japanischen Luxusmarkt – spielten Onlinekäufe kaum eine Rolle.

Im Juni startete Roussel Websites in Arabisch und Englisch für Kuwait, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Juli und August gab es weitere Verbesserungen und Anpassungen sowie Neueinstellungen. Burch führte außerdem ein virtuelles Styling ein, das es den Kunden ermöglicht, private Videotermine zu vereinbaren, um ­verschiedene Artikel im Geschäft zu sehen. Top-Kunden bekommen so noch mehr Aufmerksamkeit.

Als die Schließungen auf der ganzen Welt aufgehoben wurden, begannen Burch und Roussel mit der Wiedereröffnung ihrer Filialen und holten die meisten, jedoch nicht alle gekündigten Mitarbeiter zurück. Anfang Juni waren fast alle 315 Filialen der Marke wieder geöffnet – die Kunden kamen jedoch nicht. Laut Burch ist die Kunden­frequenz um 45 % gesunken. An ­einem Samstagnachmittag in der ­Tory-Burch-Filiale in Manhattans Meatpacking District, die nach Aussage eines Mitarbeiters die geschäftigste Stunde des Tages war, ­sahen sich insgesamt drei Kunden die 225-US-$-Tory-Sneaker und die neuen 700-US-$-Taschen „Eleanor“ an. Wenn die Kunden dennoch kommen, sind sie laut Burch jünger und eher bereit, etwas zu kaufen als der durchschnittliche Kunde vor Covid. „Ich habe in den letzten 15 Jahren ziemlich hart gearbeitet, um ein Unternehmen aufzubauen. Ich musste daher tun, was ich kann, um dieses Geschäft zu retten – was ich letztendlich auch geschafft habe“, so Burch. Es hat sicherlich geholfen, dass sie in der Vergangenheit diszipliniert gewesen war. „Wenn die Krise länger gedauert hätte und alle unsere Läden geschlossen worden wären, wäre es natürlich eine andere Geschichte gewesen“, sagt Roussel. „Wir sind immer noch mittendrin, und wer weiß, was uns noch bevorsteht.“, so der CEO gegenüber Forbes-US im Jahr 2020.

Tory Burch studierte Kunstgeschichte an der University of Pennsylvania. Sie war für bekannte Namen der Modewelt wie Harper’s Bazaar, Ralph Lauren und Vera Wang tätig, bevor sie den Investor Chris Burch heiratete und mit ihm gemeinsam ihr eigenes Modelabel gründete.

Text: Deniz Çam
Fotos: Forbes US

Forbes Editors

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