UNDER 30 – WIEN-EDITION

MELISA ERKURT UND DIE „GENERATION HARAM“

Als Journalistin widmet sich Melisa Erkurt vor allem der Lebensrealität von Migrantenkindern. Nun startet sie ein neues Medium, das ihnen eine Plattform und Stimme bieten soll.

Melisa Erkurt, Gründerin von „Die Chefredaktion“

Als Kind bosnischer Eltern in Sarajevo geboren floh Melisa Erkurt noch als Kleinkind mit ihrer ­Mutter aufgrund des ­Bosnienkriegs nach Österreich. Sie besuchte das Gymnasium in Purkersdorf und studierte anschließend an der Universität Wien Deutsch, Psychologie und Philosophie. Sie war als Journalistin tätig, bevor sie ein Jahr lang als Deutschlehrerin an einem Wiener ­Gymnasium unterrichtete. Die bleibenden Eindrücke über junge Mi­gran­tenkinder, die sie dort gewann, verarbeitete sie in ihrem 2020 ­erschienenen Buch „Generation Haram: Warum Schule ­lernen muss, allen eine Stimme zu geben“.

Das Buch trägt denselben ­Namen wie eine Reportage, die die Journalistin bereits 2016 für das ­Magazin Biber verfasste. „Das Bildungssystem ist von autochthonen Akade­mikern gemacht. Wir sollten es von unten wie von oben völlig neu angehen“, fordert Erkurt. Verknüpft mit ihren eigenen Erfahrungen als Flüchtlingskind sowie ihren Eindrücken als Lehrerin zeigt Erkurt in ihrem Buch Missstände im österreichischen Bildungssystem auf. Während „Paul“ und „Marie“ – als ­fiktive Stellvertreter autoch­thoner Kinder – in der Schule wie zu Hause gefördert und gefordert werden, bleiben ­„Mohamed“ und „­Hülya“ – als Vertreter der mi­grantischen Schul­kinder – auf der Strecke. Kinder mit Migrationshintergrund werden demnach systematisch benachteiligt und diskriminiert, so Erkurts Schlussfolgerung. Doch sie formuliert auch Lösungen, unter anderem ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr sowie eine verschränkte Ganztagsschule.

Letztendlich landete Erkurt, die 2020 auf der „Under 30 DACH“-Liste von Forbes vertreten war, jedoch wieder dort, wo sie laut eigenen Angaben „wirklich Einfluss hat“ – im Journalismus. Bereits als Chefreporterin bei Biber schrieb sie über die Verbotskultur muslimischer Jugendlicher; der Artikel wurde bei den Österreichischen Journalismustagen 2017 zur Story des Jahres gekürt. Auch ihr Text „Süleymans Kinder“ über ­Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund ist preisgekrönt: 2018 erhielt sie den Prälat-Leopold-Ungar-Journalistinnen­­preis (Anerkennungspreis in der ­Kategorie Print).

Nach einer Station beim ORF-„Report“ will die Falter-Kolumnistin nun aber ein eigenes Projekt starten: Anfang 2021 betrat „Die ­Chefredaktion“ die Medienbühne. Via Instagram will Erkurt politisch und gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen, diese aber für ein junges Zielpublikum (14 bis 24 Jahre) neu aufbereiten. Divers wird dabei nicht nur die journalistische Gestaltung, sondern auch das Team aufgestellt sein. Erkurt: „Die Realität wird im Journalismus nicht abgebildet. Bei uns wird aber selbstverständlich jeder Zweite oder Dritte Migrationshintergrund haben.“ Sowohl Arbeiter- als auch Akademikerkinder sollen an „dem Experiment“, wie die 30-Jährige es nennt, mitarbeiten. Der Name soll einen Begriff aus der alten Medienwelt neu definieren. Der Start ist jedenfalls geglückt: Zu Redaktionsschluss des Daily zählte der Instagram-Account 12.700 Abonnenten.

EIN WIENER HÜNE IN DER NBA

Als erster Österreicher in der US-Profiliga NBA landete Jakob Pöltl 2017 auf der Forbes-„Under 30 DACH“-Liste. Ein Zwischenziel
hat er erreicht, doch Pöltl hat noch viel vor.

Jakob Pöltl, Basketballprofi

Bereits in der österreichischen Liga sorgte Jakob Pöltl für Aufsehen: In seiner Debüt­saison in der Bundesliga 2013/14 wurde er zum „Rookie of the Year“ gewählt. Der Wiener, 1995 geboren, profitiert nicht nur, aber auch von seiner Physis: 2,13 Meter ist Pöltl groß – die perfekte Voraussetzung für seine Position als Center. Um seinen großen Traum, als erster Österreicher in der Profiliga NBA zu spielen, wahr zu machen, ging er schließlich in die USA.

Seine erste Station war das College­team Utah Utes; 2016 war es dann so weit: Pöltl wurde von den Toronto Raptors gedraftet. Dass er plötzlich regelmäßig mit Superstars auf dem Parkett stand, lähmte Pöltl aber nicht: „Respekt ist immer da, in Ehrfurcht bin ich aber nicht erstarrt. Es war natürlich etwas Besonderes, zum ersten Mal gegen Superstars wie Steph Curry oder LeBron James zu spielen, aber wenn man auf dem Feld steht, denkt man nicht lange darüber nach.“ Einfach wurde es ihm in seiner ersten Saison als Neuling aber nicht gemacht: „Die arrivierten Spieler ­lassen sich gerne Dummheiten für die Neulinge einfallen, in ­meinem Fall hat sich das in erster ­Linie auf Tanz- und ­Gesangseinlagen beschränkt. Der Klassiker, einen Rookie-­Rucksack zu tragen, blieb mir natürlich nicht erspart – meiner war rosa und hatte die ‚Eis­königin‘ drauf“, lacht Pöltl heute.

2018 folgte Pöltls Wechsel zu den San Antonio Spurs, wo er zu regelmäßigen Einsätzen kommt. Die Beziehung zu seiner Familie und seiner Heimatstadt Wien ist jedoch weiterhin eng. Gemeinsam mit einem Agenten kümmern sich seine Eltern – insbesondere seine Mutter – um die Geschäfte. Wie er das viele Geld, das er jetzt verdient, anlegt, beantwortet Pöltl nicht: „Ich konzentriere mich voll auf den Sport“, so der 25-Jährige, „den Rest erledigen mein Agent und meine Eltern.“

Wenig ist es jedenfalls nicht, was Pöltl verdient, denn sein Einsatz in der NBA rechnet sich nicht nur sportlich: Hatte Pöltl in seinen ersten vier Jahren in der NBA insgesamt „nur“ 12,2 Millionen US-$ verdient, unterschrieb er im November 2020 einen deutlich lukra­tiveren Vertrag: Über drei Jahre verdient der Wiener bei den San Antonio Spurs nun 26,25 Millionen ­US-$. Doch Geld treibt ihn nicht an, wie Pöltl bei unserem Interview anlässlich seiner Wahl in die Forbes-„Under 30 DACH“-Liste erwähnte. Vielmehr formulierte er 2016 schon Folgendes: „Ich will mich als Spieler weiterentwickeln, jedes Jahr mindestens einen Schritt nach vorne machen und sukzessive eine wichtigere Rolle spielen. Wenn ich mich nach vier ­Jahren, das ist so die Testphase, voll in der NBA etabliert habe, wäre das super.“ Das ist ihm jedenfalls gelungen.

Text: Sophie Ströbitzer
Fotos: Vedran Pilipovic, www.talking-heads.at Titelfoto: @anikinearthwalker via unsplash.com

Dieser Artikel erschien in unserer Forbes Daily "Wiener Wirtschaft".

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