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Christine Wolburg will die Marke Volkswagen wieder emotional aufladen – keine einfache Aufgabe in einer Zeit, in der die Konkurrenz im Elektrosegment stärker wird. Doch Wolburg will sich auf Kerntugenden von Volkswagen fokussieren und dabei die Vergangenheit klug für die Zukunft nutzen.
Die erste Frage ist noch nicht beantwortet, da wiehert im Hintergrund deutlich hörbar ein Pferd. Es ist ein fast surrealer Moment – nicht nur als Erinnerung an die Anfänge der Mobilität, sondern auch als möglicher Hinweis dafür, dass bei Volkswagen gerade vieles passiert, was lange nicht denkbar gewesen wäre. Nach einem kurzen Lachen fährt Christine Wolburg, seit April 2025 Chief Brand Officer der Marke Volkswagen, fort, die Frage zu beantworten – denn diese lautete, warum mit ihrer Bestellung aus der Position eines Chief Marketing Officers nun eine Chief Brand Officer geworden ist: „Wir haben diese Rolle neu geschaffen, um dem Thema Marke einen ganz anderen Fokus zu geben. Ich habe die End-to-end-Verantwortung fürs Marketing – und darüber hinaus auch dafür, dass unsere Kunden an allen Kontaktpunkten mit der Marke ein positives und starkes Erlebnis haben.“ Das heißt, dass Wolburgs Bereich neben Marketing auch Design, Produktentwicklung, UX, Presse, Web, App und den Handel umfasst. „Wir bauen hierfür einen Steuerkreis auf und arbeiten mit einem Brand Model, damit wir über alle Bereiche hinweg konsistent unterwegs sind“, so die Managerin.
Die Rolle ist in anderen Branchen und bei anderen Unternehmen schon gang und gäbe, in der Automobilbranche aber noch nicht ganz üblich. „Wir wollten der Marke selbst ein stärkeres Gewicht geben“, sagt Wolburg. Drei Werte hat das Unternehmen definiert: Reliable, Caring, Inspiring. „Das sind unsere Kernwerte – sie bilden die Basis für alle Kunden-Touchpoints“, so Wolburg. Das Ziel sei, eine Marke zu schaffen, die zugleich vertraut und neu wirkt: „Wir sind die Marke für die Menschen. Wenn du einen Volkswagen siehst, sollst du anfangen zu lächeln.“ Wolburg hat in der Vergangenheit bereits gesagt, dass Volkswagen eine „sympathische“ Marke sein soll – Sympathie ist für sie aber kein Nice-to-have, sondern Teil des Markenkerns. Sie soll sich in allem spiegeln: „Im Design, in der Kommunikation, in der Werbung – auch im Text. Wir wollen, dass unsere Kundschaft das Gefühl hat: Das ist echt.“
Andere bauen auch gute Autos. Aber wir können Zuverlässigkeit und Inspiration glaubwürdig verbinden.
Christine Wolburg
Echtheit ist auch der Maßstab, wenn es um Kommunikation geht. Wolburg lehnt die alte Praxis ab, eine große Kampagne zwanghaft in alle Kanäle pressen zu wollen. Stattdessen definiert ihr Team zentrale Botschaften und übersetzt sie je nach Plattform neu: „Tiktok funktioniert ganz anders als Instagram – und beide Plattformen haben andere Spielregeln als TV. Jede Geschichte braucht ihr Format.“ Das gilt auch für ein anderes Thema, das bei Volkswagen im Marketingmix an Bedeutung gewinnt: Creator-Marketing. „Ich möchte keine Werbung, die nach Werbung aussieht. Wir suchen Menschen, die wirklich zu uns passen. Deswegen treffe ich sie auch persönlich, bevor wir zusammenarbeiten.“ (Disclaimer: Volkswagen ist Partner der Forbes Top Creators List). Dass Volkswagen die Vergangenheit aktuell als Teil der Zukunft begreift, zeigt sich in der Wiederbelebung klassischer Sondermodelle. „Volkswagen hatte in den 80ern und 90ern legendäre Editions – ‚Genesis‘, ‚Bon Jovi‘, ‚Pink Floyd‘, ‚Fire & Ice‘. Das sind Assets, die wir wiederbeleben können.“ So feierte das Sondermodell „Fire & Ice“ ein Comeback, jedoch angepasst an die neue Zeit. 1.990 Exemplare der Sonderedition des ID 3 GTX Performance wurden in Anlehnung an die äußerst erfolgreiche Kollektion aus den 90er-Jahren entwickelt. Um das Thema umfänglich zu positionieren, wurde eine Kooperation mit dem DJ Purple Disco Machine gestartet. Zuletzt machte die Marke auch auf sich aufmerksam, als bekannte Modellnamen wieder eingeführt wurden: 2026 feiern „Polo“ und „Golf“, bekannte Namen in der Automobilwelt, als Elektroautos ihr Comeback. „Unsere Modellnamen sind in den Köpfen der Menschen fest verankert“, sagte Marken-CEO Thomas Schäfer bei der Ankündigung. Der „ID Polo“ sei „nur der Anfang“. Es ist auch eine klare Abgrenzung zur Vergangenheit, insbesondere dem Erbe von Ex-CEO Herbert Diess. Der hatte die ID-Modelle maßgeblich geprägt und gepusht.
Volkswagen ist nicht Wolburgs erste Station in der Automobilbranche – insgesamt 17 Jahre war die Deutsche für Mercedes tätig, zuletzt als Head of Product Communication für Mercedes-Benz PKW sowie Smart Deutschland. Inmitten der Covid-Pandemie wechselte sie die Branche – blieb der Mobilität aber treu: Als Head of Sales & Marketing half sie tatkräftig mit, die Berliner Verkehrsbetriebe zu einer „Love Brand“ zu machen. Die Kampagne „#weilwirdichlieben“ lief zwar schon, als Wolburg an Bord kam, doch sie führte die Marke nahtlos weiter. Insbesondere der Auftritt auf Social Media erhielt viel Lob – und auch einige Auszeichnungen.
Als die Chance kam, zu Volkswagen zu wechseln, zögerte Wolburg nicht. Doch ganz einfach hat es der Wolfsburger Konzern gerade nicht – die Herausforderungen sind erheblich. Vor allem die Marke Volkswagen selbst steht unter Druck: Der Umsatz stieg im ersten Halbjahr 2025 auf rund 43,5 Mrd. €, das sind 3 % Wachstum gegenüber dem Vorjahr – doch das operative Ergebnis sank deutlich, auf 1,1 Mrd. €, was einer Marge von nur etwa 2,5 % entspricht. Hauptgründe sind unter anderem der zunehmende Preisdruck im Elektrosegment, Rabatte zur Absatzsicherung sowie schwächere Ergebnisse in China, wo einst die größten Gewinne erzielt wurden. Das hängt auch mit Wettbewerbern wie BYD zusammen, die mit günstigeren Kostenstrukturen und dementsprechend niedrigen Preisen Marktanteile gewinnen. Das Ziel einer nachhaltigen Marge von sieben bis acht Prozent scheint aus heutiger Sicht zumindest ambitioniert.
Dass Wolburg den Begriff „Sympathie“ so oft benutzt, ist auch deshalb kein Zufall. Für sie ist es ein Differenzierungsmerkmal: „Wir stehen für Zuverlässigkeit und Inspiration und verbinden diese glaubwürdig – und das mit einer Marke, die Generationen geprägt hat.“
Privat testet sie, was sie propagiert. „Ich fahre gerade bewusst den ID 7 – mein erstes vollelektrisches Auto. Superkomfortabel, gute Reichweite, und ja – ich habe gleich wieder einen bestellt.“ In ihrer Heimatstadt Berlin nutzt sie aber auch die Öffis, auf Langstrecke das Auto. Wolburg: „Ich bin da nicht dogmatisch. Es geht darum, Mobilität ins Leben der Menschen zu integrieren – und es somit einfacher zu machen.“
Fotos: Volkswagen AG