Von der analogen Stadt zur Smart City

Straßenlaternen bedarfsabhängig steuern, Verkehrsflüsse und Personenströme regeln, Parkraumnutzung optimieren, Ladeinfrastruktur orchestrieren, Energie effizient nutzen: Die Liste der Möglichkeiten, die eine Smart City theoretisch bietet, ist lang. In der Praxis scheitert die durchgängige Umsetzung allerdings an einem Sammelsurium verschiedener Technologien und Systeme, die entweder keine oder äußerst heterogene Daten abgeben. Doch wie können Städte den Rückstand aufholen und Interoperabilitätsprobleme beheben?

Während in der Industrie 4.0 Maschinen bereits mit Sensoren ausgestattet sind und ein Standard für die Maschinen-zu-Maschinen-Kommunikation existiert, stellt sich die Situation in städtischen Infrastrukturen völlig anders dar. Das zeigen beispielsweise auch aktuelle Zahlen einer Studie des Digitalverbands Bitkom. So geben bereits 59 Prozent der Deutschen Industrieunternehmen an, Anwendungen aus der Industrie 4.0 zu nutzen. In den Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz hingegen ist der größte Teil aller Objekte nach wie vor analog und kann somit keine Daten senden. Laut Ernst & Young sind dort lediglich 19 Prozent der Stadtwerke im Bereich „Smart Lighting“ aktiv. Andere „smarte“ Bereiche wie die Umweltüberwachung über Echtzeitdaten (8 %) oder die intelligente Müllabfuhr (3 %) sind weit hintendran. Um die zukünftigen Herausforderungen der Städte zu bewältigen - laut Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) wird die weltweite Stadtbevölkerung bis zum Jahr 2030 um rund eine Milliarde auf 5,2 Milliarden Menschen zunehmen - sollten sie „smart“ werden. Was ist dazu nötig? Die Daten sämtlicher digitaler Objekte, seien es Ampeln, Transportmittel oder sogar Gebäude, müssen zunächst verfügbar gemacht werden. Im zweiten Schritt gilt es dann, die Daten in einem einheitlichen Format zusammenzuführen.

Die Herausforderung liegt insbesondere in diesem Vorgang der Zusammenführung von smarten Geräten, denn jedes Subuniversum einer Stadt bedient sich komplett unterschiedlicher Systeme, basierend auf verschiedenen oder gar keinen Standards. So kommen in der Müllentsorgung beispielsweise andere Sensortechnologien zum Einsatz als in der Entwässerung. Eine Fußgängerampel nutzt wiederum völlig andere Datenformate als eine smarte Straßenlaterne mit integrierter Ladestation für E-Autos.

Städtemanager wünschen sich einen möglichst umfassenden Überblick über sämtliche dieser Subsysteme. Hier planen laut einer Studie von Ernst & Young immerhin 60 Prozent, mittelfristig aktiv zu werden. Dazu benötigen sie eine Lösung, mit der sich das heterogene Umfeld trotz seiner enormen Komplexität transparent abbilden lässt. Hierfür existieren grundsätzlich drei Lösungsansätze: Entweder beauftragen die Verantwortlichen einen externen Dienstleister damit, die Daten über Herstellergrenzen hinweg zu sammeln und auszuwerten. Dies würde jedoch einen hohen finanziellen Aufwand verursachen, der die ohnehin knappen Budgets der Kommunen stark strapaziert.

Die zweite Option wäre, ein eigenes Internet-of-Things-Ökosystem aufzubauen oder aufbauen zu lassen. Hier dürften die Kosten jedoch noch höher liegen.

Die dritte Option sind IoT-Plattformen, die speziell dafür geschaffen wurden, Daten aus dem (urbanen) Internet of Things herstellerunabhängig zusammenzuführen und zu normalisieren. Die Rede ist in diesem Fall von einer sogenannten Platform-as-a-Service-Lösung, kurz PaaS. Plattformen dieser Art besitzen bereits im Standard ein hohes Maß an Kompatibilität mit unterschiedlichsten IoT-Datenformaten. Sie lösen das Interoperabilitätsproblem somit auf sehr wirtschaftliche Weise.

Robert Erdmann
...ist General Manager bei Conrad Connect, einer führenden IoT-Plattform für Smart Energy, Smart Living und Smart Mobility mit Sitz in Berlin. Er verfügt über langjährige Erfahrung im Aufbau digitaler und datengetriebener Geschäftsmodelle: Als Chief Digital Officer bei der fos4X entwickelte er neue Anwendungen zur Optimierung der Windindustrie. Davor war er Mitbegründer der Telefónica NEXT, einer strategischen Ausgründung mit Fokus auf Mobilitätsdaten und IoT.

Warum diese Interoperabilität so wichtig ist, wird anhand eines Beispiels deutlich: Städte verwenden derzeit erschreckend große Flächen für Parkraum. Diese Flächen könnten wesentlich sinnvoller genutzt werden. Parkraum zu optimieren, ist deshalb ein besonders chancenreiches Betätigungsfeld innerhalb einer Smart City. Dies gilt besonders, wenn es gemeinsam mit dem Lademanagement für Elektrofahrzeuge adressiert wird. Die hierfür notwendigen Technologien und Sensoren - etwa zur Identifizierung freier Parkplätze - existieren bereits.

Um die vollen Optimierungspotenziale im Verkehrsbereich zu entfalten, müssten jedoch die Daten der einzelnen Parkplatzangebote (Straßenparken, Parkhäuser, P&R-Plätze, Büroparken) und Mobilitätsangebote (ÖPNV, Car Sharing, Taxi, E-Scooter, Bikes etc.) zusammengeführt werden. Bislang ist dies nur in Pilotprojekten der Fall. Haupthindernis sind die Herstellergrenzen. Würden Städtemanager stärker auf gemanagte IoT-Plattformen setzen, die dieses Problem lösen, gäbe es vermutlich schon in weitaus mehr Städten smarte Park-Apps, die Menschen basierend auf Echtzeitdaten stets den besten Parkplatz und den schnellsten Weg dahin zeigen. Damit wäre zumindest schon ein erster Schritt auf dem Weg zur Smart City getan.

Text: Robert Erdmann
Foto: beigestellt

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