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Alex Cooper hat aus ihrem WG-Podcast „Call Her Daddy“ ein Medienimperium geschaffen. Mit über 13,5 Millionen monatlichen Hörern, einem Multimillionendeal mit dem Radiosender Sirius XM und eigenen Marken wie Unwell Hydration zählt sie zu den mächtigsten Stimmen in der Creator-Ökonomie. Cooper baut an einem Medienhaus für die Gen Z – und beweist sich als unternehmerisches Ausnahmetalent.
Es ist 21 Uhr im Peacock Theater in Los Angeles, als fünf junge Männer die Bühne betreten. Aus den Lautsprechern dröhnt „Shake That“ von Eminem, und die männlichen Tänzer beginnen, sich die Kleider vom Leib zu reißen. Während sie sich bis auf die letzte Schicht ausziehen, erscheint hinter ihnen Alexandra Cooper: energiegeladen und in ihrem charakteristischen rosa Sweatshirt. „Willkommen zur Unwell Tour!“, ruft die 30-jährige Cooper den 5.000 kreischenden jungen Frauen zu, die die Veranstaltungshalle füllen. Cooper beginnt zu erzählen, wie sie in Newtown, Pennsylvania, aufgewachsen ist, wie sie an der Boston University Fußball in der Division I (der höchsten College-Liga) gespielt hat – und über die Achterbahnfahrt, die ihr Sexleben damals war. Mehrere Tanznummern und Outfitwechsel später gesellen sich Popstar Camila Cabello und Komikerin Heather McMahan zu ihr auf die Bühne, um Interviews zu geben; Sängerin Nelly Furtado beschließt den Abend.

Es ist der siebente und letzte Termin von Coopers Tour, die auf ihrem hoch erfolgreichen Podcast „Call Her Daddy“ basiert. Dieser kommt regelmäßig auf mehr als 13,5 Millionen monatliche Hörer. Die Liveshows waren der feierliche Abschluss von Coopers erfolgreichem Jahr 2024: Im August unterzeichnete sie einen Dreijahresvertrag über 125 Mio. US-$ mit Sirius XM, um ihr Podcast-Netzwerk Unwell Network (mit damals fünf Podcasts) bei dem Radio- und Unterhaltungsriesen zu platzieren, der selbst rund 34 Millionen Abonnenten zählt. Unwell ist ein Zweig von Coopers selbst ernanntem „Gen-Z-Medienunternehmen“ Trending, das sie im April 2023 zusammen mit ihrem Ehemann, dem Filmproduzenten Matt Kaplan, gegründet hat. Neben „Call Her Daddy“ betreut Unwell auch andere beliebte, von Influencern moderierte Sendungen wie „Pretty Lonesome“ mit Madeline Argy (rund 330.000 monatliche Hörer) und bis Februar dieses Jahres „Hot Mess“ mit Alix Earle (rund eine Million). Sowohl Earle als auch Argy waren, wie Cooper, auf der Forbes Under 30-Liste vertreten.
Coopers Ambitionen für ihr Unternehmen sind groß: Live-Events, Shows mit und ohne Drehbuch, Podcasts, Tourneen und Merchandise. Das Unternehmen ist noch jung, aber der Vertrag mit Sirius XM verschafft ihm eine gute finanzielle Ausstattung. „Wir suchen nach Audio-Talenten, die interessant sind, einen Standpunkt vertreten und über eine Social-Media-Community verfügen, die das, was sie in der Sendung tun, verstärken kann“, sagt Scott Greenstein, Präsident von Sirius XM. Diese Taktik hat der Radiosender schon früher angewandt: Im Jahr 2006 zahlte Sirius über fünf Jahre hinweg 500 Mio. US-$ an Moderator Howard Stern. Es war ein teurer, aber effektiver Schachzug – die Zahl der Sirius-Abonnements stieg von weniger als 1,5 Millionen im März 2005 auf mehr als vier Millionen nur ein Jahr später, was zumindest teilweise auf Stern zurückzuführen ist. Auch die Einnahmen von Sirius stiegen stark an, und zwar um 193 % im Vergleich zum Vorjahr auf 125 Mio. US-$ im ersten Quartal 2006. Mit Cooper setzt Sirius darauf, dass das 20 Jahre alte Konzept auch heute noch funktioniert – im Zeitalter von Smartphones und Streamingdiensten wie Spotify und Youtube.

Bevor sie bei Sirius XM unterschrieb, hatte Cooper einen Dreijahresvertrag über 60 Mio. US-$ mit Spotify. Die jährlichen Einnahmen von 20 Mio. US-$ hievten sie an die Spitze der bestverdienenden Podcasterinnen – und auf Platz zwei der bestverdienenden Podcaster, hinter Joe Rogan. Doch es war an der Zeit für sie, weiterzuziehen: „Die Marke ist in der Zeit bei Spotify nur gewachsen“, sagt Cooper, „ich wusste also, dass genug Geld da sein würde. Bei dem Deal ging es mehr um etwas anderes: darum, welche zusätzlichen Dinge die Leute (von Sirius XM; Anm.) ,Call Her Daddy‘ und Unwell bieten können, die uns helfen werden, zu wachsen.“
Gewachsen ist Cooper selbst – auch über sich hinaus. Im Jahr 2018 war sie arbeitslos und litt unter einem gebrochenen Herzen, als sie mit ihrer damaligen Mitbewohnerin Sofia Franklyn einen Podcast in ihrer Wohnung in New York City aufnahm. Die beiden erzählten von ihrem Dating-Leben als 20-jährige Singles und gewannen schnell eine treue Zuhörerschaft junger Frauen, die sich selbst die „Daddy Gang“ nannten. Die Sendung erregte die Aufmerksamkeit von David Portnoy, dem gleichermaßen charismatischen wie umstrittenen Gründer von Barstool Sports, einem digitalen Medienunternehmen, das sich eigentlich an sportbegeisterte junge Männer richtet. Der Podcast war ein sofortiger Erfolg und wurde in den ersten zwei Monaten zwei Millionen Mal heruntergeladen. 2021 wechselte Cooper zu Spotify, wo sie die Inhalte über Sex und Dating hinaus erweiterte. Aus einem Basisgehalt von 70.000 US-$ bei Barstool Sports wurden 60 Mio. US-$ über drei Jahre bei Spotify. „Wenn es um mein Geschäft geht, bin ich sehr strategisch“, sagt Cooper, und ergänzt: „Aber es ist auch organisch. Ich wollte nicht immer über dasselbe reden.“
„Ich wollte nicht immer über dasselbe reden.“
Alexandra Cooper
Während ihrer Zeit bei Spotify verwandelte Cooper „Call Her Daddy“ in eine der wichtigsten Anlaufstellen im US-Journalismus, vergleichbar mit den Interview-Ikonen Barbara Walters und Howard Stern. Zu den Gästen in Coopers Podcast gehörten Jane Fonda, Simone Biles und, im Oktober, die damalige US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris. Sponsoren wie Tinder, Sephora und Airbnb standen Schlange. Heute konkurriert „Call Her Daddy“ mit Sendungen wie „The Joe Rogan Experience“ und „The Daily“ der New York Times um den Platz an der Spitze der Podcast-Streaming-Charts. „Vor Spotify hatte ich wenig Erfahrung mit Interviews vorzuweisen, also habe ich vor allem meine Vision gepitcht“, sagt Cooper. „Jetzt ist die Vision Wirklichkeit geworden und ich kann mich umsehen, wer mit mir arbeiten will.“ Dahinter steckt harte Arbeit: „Ich arbeite sieben Tage die Woche. Und ich liebe es!“, sagte Cooper der Los Angeles Times.
An der Spitze der Podcast-Charts wird die Luft naturgemäß dünner, insbesondere für weibliche Hosts. Obwohl das Geschlechterverhältnis bei den Podcast-Hörern ausgewogen ist, sind Moderatorinnen wie Cooper in der Unterzahl. Eine Auswertung des Onlinemediums Quartz für den britischen Podcast-Markt ergab, dass nur jeder dritte Podcast von einer Frau gesprochen wird. Eine frühere Studie mit US-Daten zeichnete ein ähnliches Bild. Im Bereich Unterhaltung und Lifestyle zählt neben Cooper etwa „Crime Junkie“ von Ashley Flowers und Brit Prawat dazu; den True-Crime-Podcast verfolgen alleine auf Spotify rund 3,3 Millionen Zuhörer. Bezieht man alle Kanäle mit ein, von Podcasts über Bild- und Videoplattformen, ist das Geschlechterverhältnis in der Creator Economy ausgewogener – und der Kuchen wächst: Die Bank Goldman Sachs schätzt, dass die Branche von 250 Mrd. US-$ im Jahr 2023 bis 2027 auf 480 Mrd. US-$ ansteigen könnte. Europas Creator-Wirtschaft wächst fleißig mit: Für die kommenden sieben Jahre schätzt das Marktforschungsinstitut Coherent Market Insights das Wachstum auf etwa 22 % jährlich – das ist mehr, als dem Markt für Cybersicherheit zugetraut wird. Weltweit existieren laut Linktree, einem Linking-Tool, rund 200 Millionen Creators, die Inhalte produzieren und monetarisieren können. Doch Influencer mit Millionenpublikum wie Cooper sind nicht die Norm: 67 % von ihnen weisen zwischen 1.000 und 10.000 Follower auf. Markendeals sind insgesamt die häufigste Haupteinnahmequelle – nur ein Bruchteil führt eine eigene Marke. „Ich möchte der größte Creator der Welt werden“, sagte Cooper dem Hollywood Reporter im Oktober. In den USA ist die Ausgangsposition dafür sehr gut: Nordamerika dominiert die globale Creators-Wirtschaft mit einem Marktanteil von 37,4 % und einem Umsatz von 55,8 Mrd. US-$ im vergangenen Jahr, schreibt das Analyseinstitut „Market.us“. Für eine Verlangsamung des Booms spricht nur die Übersättigung des Marktes mit seinen niedrigen Eintrittsbarrieren. Möglicherweise sind wir über diesen Punkt aber längst hinaus: Das Magazin New Yorker bezeichnete 2024 im Dezember als „das Jahr, in dem Creators übernahmen“: Internetpersönlichkeiten sind nicht länger nur Unterhalter – sie haben mehr Zugang zu den Schalthebeln der Macht als je zuvor. Sie berichten aus dem Weißen Haus, beeinflussen den Erfolg von Wahlkampagnen und verdienen Millionenbeträge. Und sie sind „Digital-Native-Promis, bei denen die Pflege von Intimität und parasozialer Freundschaft (bei der sich die Personen nicht persönlich kennen; Anm.) von Anfang an fest eingeplant war“, analysiert der New Yorker. Diejenigen, die Online-Inhalte produzieren, sind nicht mehr in erster Linie Autoren, Musiker oder Moderatoren – sie sind digitale Alleskönner. Cooper hat sich mit einem Augenzwinkern als „der Gründungsvater“ dieser von Creators angeführten Revolution der Medienbranche benannt.

Das Auflösen alter Genre-Grenzen schlägt sich in Coopers Geschäftsmodell nieder: Die US-Amerikanerin diversifiziert ihr Unternehmen so schnell wie kaum ein anderer Creator. Ihr Unternehmen Trending vereint Social-Media-Kanäle zu Themen von Büchern bis Mode, produziert Podcasts und Fernsehserien, verkauft Merchandise und eigene Veranstaltungen. 2025 startete Cooper in Partnerschaft mit dem Nahrungsmittelhersteller Nestlé „Unwell Hydration“, eine Marke für Elektrolytgetränke. Die bunten Flaschen werden in den Supermarktketten Target, Meijer und Sprouts verkauft und richten sich explizit an weibliche Kundschaft. Dass das Getränk offizieller Partner der National Women’s Soccer League ist, unterstreicht diese Botschaft.
Im Juni veröffentlichte der Streamingdienst Hulu eine zweiteilige Dokumentation über Coopers Werdegang. Mehr als eine Erfolgsstory sei die Doku das „Porträt einer Frau, die einen Raum schafft, in dem sich Frauen gesehen, gehört und gestärkt fühlen“, schreibt der Streamingdienst. In Kooperation mit Hulu arbeitet Unwell unter Cooper an einem weiteren Projekt: der Reality-Datingshow „Overboard for Love“, bei der Singles auf einer Yacht um die Annehmlichkeiten an Bord und einander buhlen. Coopers Mann Matt Kaplan wird als einer der Executive Producers fungieren. „Dieses Projekt ist ein wichtiger Meilenstein für uns und spiegelt perfekt unsere Vision wider: mutige, ungefilterte Inhalte zu erstellen, die Grenzen sprengen“, verkündete Cooper in einem Pressetext. Das erinnert an die Anfänge ihrer Karriere: Schließlich hat Coopers Podcast „Call Her Daddy“ mit Tabubrüchen ein Millionenpublikum aufgebaut.

Zumindest für den Moment wird „Call Her Daddy“, der Grundstein von Coopers Imperium, auf allen bestehenden Plattformen einschließlich Spotify verfügbar bleiben. Cooper erzählt allerdings, dass Gespräche über Exklusivrechte im Gange sind. Es ist jetzt an ihr, ihren Einfluss zu nutzen, um den älteren Abonnentenstamm von Sirius XM mit einem neuen, jüngeren Publikum aufzufrischen. „Wir führen dieses Gespräch wegen eines Produkts, das ich aufgebaut habe und das mir gehört“, sagt Cooper. „Es lastet eine Menge Druck auf mir, es voranzutreiben. Aber ich liebe Druck!“
Alexandra Cooper ist die Gründerin des Medienunternehmens Trending und Host des Podcasts „Call Her Daddy“, der über 13,5 Mio. monatliche Hörer zählt. Mit millionenschweren Deals mit Spotify und Sirius XM gehört sie zu den einflussreichsten Stimmen der Creator Economy – als Unternehmerin, Produzentin und Medienmacherin.
Text: Alexandra York, Ines Erker
Fotos: Cody Pickens für Forbes