VON PUZZLETEILEN UND SÄULEN

Rasantes Wachstum und dann verkaufen: für Tech-Start-ups in den USA normal, in Europa aber kaum zu machen. Mit seiner M & A-Boutique i5invest hilft Markus Wagner Europas Start-ups beim Sprung in die USA.

„Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.“ Kein legendärer Unternehmer oder hocherfolgreicher Investor ist es, der unter den rund 60 Dealreferenzen auf der Homepage von i5invest zu Wort kommt, sondern der womöglich größte Dichter aller Zeiten, Johann Wolfgang von Goethe. Die Aussage dürfte wohl meinen: Große Ideen sind gut und wichtig – aber Gründer, die für die Wiener M & A-Boutique für Tech-Start-ups interessant sind, bringen die angekündigten PS auch auf die Straße.

Einzigartig investieren

Genau das will i5invest nämlich gemeinsam mit seinen Partnerunternehmen schaffen. Denn das von Markus Wagner ­mitgegründete Unternehmen hat sich vor allem in der europäischen Techbranche einen Namen gemacht, indem Start-ups auf große Deals, seien es Verkäufe oder Beteiligungen, vorbereitet werden. Damit lässt sich i5invest also irgendwo zwischen Business Angel und Investmentbank verorten – und ist damit in seiner Professionalität in Europa relativ einzigartig. Denn während ehe­malige Gründer ihr verdientes Geld aus Exits nehmen und ähnliche Arbeit leisten, treiben Wagner und Co. diese Tätigkeit seit 2009 strukturell voran. Das große ­Thema: ungehobenes Potenzial in Start-ups zu analysieren und die vorhandenen Probleme so weit zu beheben, dass die Jungunternehmen für große Wachstumsschübe bereit sind. Die werden in der Regel durch den Markteintritt in den USA organisiert. Und der M & A-Spezialist, der neben seinem größten Büro in Wien auch Stand­orte in der Schweiz, den Niederlanden sowie seit Kurzem in Bulgarien betreibt, hat durchaus Erfolg.

Die Dealreferenzen sind für einen Player wie i5invest naturgemäß erfolgsentscheidend. Eine der bekannteren Transaktionen, die das Haus begleitete, war etwa die Beteiligung von Google bei StreamUnlimited. Der US-Riese übernahm 2017 41 Prozent der Anteile des Unternehmens rund um CEO Frits Wittgrefe, das mit seiner Technologie für Lautsprecher notwendige Audiofunktionen bündelt – inklusive Anbindung an Sprachassistenten. Auch iTranslate, eine aus Graz stammende Übersetzungs-App, die von Tinder-Mutter IAC übernommen wurde, oder das niederländische ­Cybersecurity-Start-up RedSocks, das an den rumänischen Softwarekonzern Bitdefender ging, erzeugten viel Aufsehen.

Wir wollen nicht die Opposition zum Gründer bilden, sondern immer ein kollegiales Verhältnis haben.

Markus Wagner, der nach der Abgabe des Chefpostens an Herwig Springer seit geraumer Zeit als „Point Man“ für i5invest bzw. die Tochter i5growth im Silicon Valley tätig ist, erklärt, was man mit Partnern schaffen will: „Ein Unternehmen wird dann verkauft, wenn es für die Käufer ein Puzzlestein oder eine Säule ist, um erfolgreich zu sein. Dazu muss man also werden. Bei kleinen Deals ist man eben ein Puzzlestein, bei großen eine Säule.“

Was genau notwendig ist, um ein Start-up zu Puzzlestein oder Säule zu machen, ist unterschiedlich. Bei StreamUnlimited und iTranslate waren etwa ­Änderungen am Geschäftsmodell notwendig – hin zu Lizenz- bzw. Abomodellen. Die Maßnahmen können aber auch eine globale Positionierung oder ­Unterstützung beim Wachstum sein. „Wir begleiten die Unternehmen so lange, bis sich das Wachstumspotenzial durch die Behebung der vorhandenen Probleme manifestiert. Dadurch wird die Braut dann schön.“

Ein Partner für Probleme

Suchen klassische VCs also in der Regel „das perfekte ­Start-up“, freut sich i5invest über Unternehmen, die Probleme haben – dennoch aber halbwegs gut unterwegs sind. Denn nachdem die Probleme gelöst sind, so Wagner, seien für solche Unternehmen ganz neue Erfolgssphären möglich. i5invest sieht sich weniger in der Rolle eines klassischen Investors, sondern als Partner, der auch bezüglich Inzentivierung mit den Gründern gleichgestellt ist. Das kann über „Equity Kicker“, ­Anteile oder Optionen passieren, die im Erfolgsfall (etwa einem Exit) schlagend werden. Wagner: „Wir müssen alle gleichzeitig das Gefühl haben, dass der nächste Schritt Sinn macht. Wir wollen nicht die Opposition zum Gründer bilden, sondern ein kolle­giales Verhältnis ­haben.“

Gründer von 3United

Was Markus Wagner mit seinem Team von i5invest heute also beratend tut, war vor einigen Jahren sein eigenes Leben. 1999 ­gründete Wagner mit dem heutigen ­Gründer des Wiener Risikokapitalfonds Speed­invest Oliver Holle sowie Andreas Wiesmüller 3United. Das Unternehmen war aus der Fusion von Xidris, Sysis und Connovation entstanden und spezialisierte sich auf bezahlte SMS, etwa für Castingshows wie „American Idol“. 2006 ging der Exit an Verisign für 60 Millionen US-$ über die Bühne. „Unsere Arbeit ist in gewisser Weise schon ein Replizieren persönlicher Erfahrungen. Wir selbst sind mit 3United viel zu spät in die USA gegangen.“

Portrait: Markus Wagner, i5invest

Klar ist, dass der ­weitgehend homogene US-Markt mit ­großen Technologiespielern und ­tiefen ­(Risiko-)Kapitalmärkten für euro­päische Start-ups ungemeine Wachstumsoptionen bietet. Laut Wagner sei die eigene Marke insbesondere durch die jüngsten Deals in der Techbranche durchaus bekannt. Und somit ergeben sich neue Chancen für beide Seiten – in der ­Regel mit Menschen, die bereits erkannt haben, dass die USA eine große Chance bieten, über dem Atlantik aber noch nicht so recht einen Fuß auf den Boden bringen. Das Interesse gilt dabei insbesondere Deeptech-Start-ups mit B2B-Geschäftsmodell.

Brücke Europa-USA

IPOs stehen in der Regel nicht im Fokus der M&A-Spezialisten. „Europäische B2B-Unternehmen sind im Regelfall eher Kandidaten für einen ‚Trade Sale‘. Denn die meisten solcher Geschäfts­modelle sind nicht so kapitalintensiv, da gibt es noch genügend Unternehmen als potenzielle Käufer.“ Das Marktumfeld ist derzeit jedenfalls heiß: In seinem jährlichen „TechStart­up M&A’s“-Report beziffert der Datenanbieter Crunchbase das M&A-Dealvolumen in der Tech-Szene seit 2010 auf rund 1,2 Billionen US-$. Die transatlantische Brücke Europa –USA macht dabei 86 ­Prozent aller Exits und 80 Prozent des gesamten Dealvolumens aus.

Während Europa bei den Exits auf rund die Hälfte kommt (6.000 zu 12.000) und weiter aufholt, zeigt sich bei den Käufern ein Gap: 25 der 30 größten Käufer stammen aus den USA, lediglich ein europäisches Unternehmen findet sich in den Top 30 (die französische Publicis Groupe). Obwohl Europa 2018 in Sachen M & A bei Tech-Start-ups etwas Verlangsamung zeigte, bleibt für i5invest also genug Arbeit. Strategisch steht neben dem ­neuen Standort in Sofia eine Firmenadresse in Deutschland auf dem Programm. Aber auch in den USA soll gewachsen werden. „Das können Europäer sein, die in den USA arbeiten wollen.“ Da mache das Visum aber oft Probleme. Zweite Möglichkeit: „Amerikaner mit einer Beziehung zu Europa.“ Doch die sind im Silicon Valley Mangelware, so Wagner. Bei i5invest reicht es nun mal nicht, nur zu wollen – man muss auch tun (können).

Text: Klaus Fiala
Fotos: Christian Peacock

Dieser Artikel ist in unserer Jänner-Ausgabe 2019 „Growth-Innovation-Forschung“ erschienen.

,
Chefredakteur

Up to Date

Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.