Wardas Schweizer Taschenmesser

Früher schoss er Partyfotos, um gratis in Clubs zu kommen – heute investiert Eugen Prosquill in Start-ups, führt eine Kreativagentur mit Millionenumsatz und bringt Menschen zusammen, die sonst nie miteinander gesprochen hätten. Seine Geschichte ist die eines Selfmade-Netzwerkers mit Unternehmergeist.

Die Visitenkarte von Eugen Prosquill ist weiß, minimalistisch und steht in starkem Kontrast zum Büro seiner Kreativagentur, in der wir uns treffen: Am Eingang begrüßt eine gelbe Neonschrift auf schwarzer Wand, der nachfolgende Gang ist mit unzähligen Polaroid-Fotos tapeziert. Wer genau hinsieht, erkennt das eine oder andere bekannte Gesicht der österreichischen Musik- und Kulturszene. Auf der Visitenkarte steht „Chief of Everything“ – Prosquills Geschäftspartner Jakob Kattner hat ihm diesen Titel verliehen. Der Träger nimmt ihn gerne an: „Ich bin das Schweizer Taschenmesser unserer Agentur“, sagt Prosquill. Was andere anstrengt, macht dem Warda-Chef sichtlich Spaß: Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Er sei ein geborener „Kontaktmann“ und genieße es, mit Kontakten einen Vorsprung zu haben, sagt er.

Die Vorliebe fürs Netzwerken durchzieht Prosquills Karriere wie ein roter Faden – und hat großen Anteil daran, dass der ­Wiener die Kreativ­agentur Warda gegründet hat. ­Seinen ­Anfang nahm Prosquills Weg aber in den Bars und Clubs der Wiener Innenstadt: Im zarten ­Alter von 15 Jahren begann er, auf Jugend­veranstaltungen Fotos zu knipsen und sie im ­Internet zu verkaufen. Daher auch der Name: „Warda“ – „war da“. Zwischen den ­Zeilen steht ­geschrieben: „auf dem ­besten Event des Abends“. Kaum jemand aus dem Wiener Partyvolk dürfte sich nicht an die Fotoseite erinnern. „Ich war in einem Freundeskreis, der viel Hip-Hop gehört hat, und ich wollte mit zu Konzerten gehen“, erinnert sich Prosquill. Eintritt zahlen wollte er aber nicht – und kam auf die Idee, eine Kamera mitzunehmen und das Dokumentierte ins Internet zu stellen.

„Dass sich das dann als Geschäftsmodell ergibt, das war erst ein Nachgedanke“, so der spätere Agenturchef. Rund drei Millionen Partyfotos seien so über die Jahre entstanden. Menschen in Momenten abzubilden, in denen sie das Leben genießen – damit hat Prosquill schnell eine Marke aufgebaut, die begeistert aufgenommen wurde. Auch Agentur-Mitgründer Jakob Kattner hat er so kennengelernt, auf einem Konzert in der Pratersauna vor 15 Jahren.

In seiner Zeit als Event-Fotograf, bald unterstützt von freien Fotografen, knüpfte Prosquill nicht nur viele Kontakte; er wusste sie auch zu Beziehungen auszubauen. „Mit ­Personen in Kontakt zu bleiben kann Türen öffnen“, so Prosquill – mitunter Türen bis in die Vorstandsetagen öster­reichischer Großunternehmen. Kontakte sind Gold, in seinem Fall durchaus sprichwörtlich: Prosquill bewegt sich viel im Luxusbereich, sagt er. „Wir sind sehr gut in vermögenden Kreisen vernetzt – von Family Offices über Personen, die 20 bis 30 Firmen besitzen, bis hin zu Lobbyisten“, so Prosquill – „von Bandenchef bis Bankenchef“.

Bereits als sein Netzwerk noch deutlich kleiner war, drängte sich die Frage auf: Wie lassen sich die vielen Kontakte nutzen? Als Unter­nehmen in der Eventfotografie war die Nähe zur Jugendkultur das, was Warda charakterisierte. Also begannen Prosquill und Kattner, das Jugendmarketing für Projekte zu über­nehmen, organisierten Poolpartys, Fotoshootings und Werbeaktionen. Das machte damals sogar Energydrink-Hersteller Red Bull neugierig. Es war die Zeit vor der Allgegenwärtigkeit von Fotos, vor dem Facebook-Hype.

„Wir hatten einen guten Vorsprung und am Anfang ging es einfach darum, Kunden zu fragen, was sie brauchen – und das dann umzusetzen“, so Prosquill. Fasziniert hätten ihn immer ­„Macher“: Personen, die nicht hadern, sondern los­legen. Alexander Gänsdorfer zählt beispielsweise dazu, Gründer des Schokoriegel-Unternehmens Neoh, in das Warda investiert hat. Freundschaft und Geschäft ist bei Warda eher Symbiose als Widerspruch. Doch dazu später mehr.

Prosquill führt uns durch das Büro. Zum Zeitpunkt unseres Termins – ein später Freitagnachmittag – ist kaum mehr jemand da; Work-Life-­Balance liege ihm am Herzen, so der Agenturchef. Einmal im Jahr fährt das aktuell 14-köpfige Team gemeinsam weg, um den Zusammenhalt zu stärken – vor Kurzem ging es deshalb in die Berge. Prosquill ist Verfechter flacher Hier­archien, am liebsten kommuniziert er „schnell und direkt via WhatsApp“. „Die Kommunikation läuft so eng, da braucht es keine großen Freigabeprozesse“, sagt der Gründer.

Einige seiner Angestellten sind später selbst Unternehmer geworden, wie Prosquill nicht ohne Stolz erzählt: Mit acht, neun dieser ­Unternehmen arbeite die Kreativagentur heute zusammen, sagt er. Auch der Videograf von Bundespräsident Alexander Van der Bellen sei unter den ehemaligen Mitarbeitern.

Wir versuchen, die besten Leute in unser Netzwerk zu integrieren.

Eugen Prosquill

Prosquill selbst dürfte aber nicht viel Zeit in den Agentur-Räumlichkeiten verbringen. „Ich bin viel unterwegs und lasse mich aus jeder Ecke inspirieren, egal ob Kunst, Fashion, Start-ups, Technologie oder Sport“, sagt er. Er sieht sich als „Außenminister“ des Unternehmens – und in Verbindung mit seinem Geschäftspartner ­Kattner „ein bisschen wie Pinky und Brain“ (Anm.: Figuren einer US-Zeichentrick­serie). „Unser Anspruch mit der Agentur ist es, uns weiterzuentwickeln und neue Geschäftsfelder zu erschließen – auf längere Sicht wollen wir auch in neue Märkte expandieren und Zweigstellen er­öffnen; alles innerhalb unserer Holding-Struktur“, so Prosquill. Er meint damit ein Netzwerk, das ­eines Tages Medienhäuser und Süßigkeitenmarken genauso umfassen könnte wie alkoholfreie Weine und Mobilitätspartner.

Bereits jetzt ist Warda mehr als „nur“ eine Werbeagentur – als Warda Network ist sie Teil der Holding Warda Enterprise, die mehrere Beteiligungen umfasst und zu 80 Prozent Prosquill gehört. Warda Network wiederum beinhaltet auch das wachsende Geschäft mit Werbe­flächen an Hauswänden und das Online-­Magazin warda.at. Etwa 300.000 Leser besuchen die Webseite regelmäßig und liefern dem Unternehmen wertvolle Marketingdaten, sagt der Agenturchef.

Die Warda Digital vereint Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen und Investitionen in Immobilien, aber auch solche der Privat­person Prosquill. Die Kreativagentur spült allerdings den Großteil des Umsatzes in die Kassen: Es sind rund 2,7 Mio. € pro Jahr, laut Agenturchef legen die Erlöse jährlich üblicherweise um die 15 Prozent zu. „In einer angespannten wirtschaftlichen Lage ist das eher utopisch. Viel wichtiger, als das Betriebsergebnis zu skalieren, ist mir unsere Firmenkultur und Effizienz“, sagt er. Zwischen 20 und 25 Kunden betreut die Agentur gleichzeitig – manche für ein einzelnes Projekt, andere jahrelang. In den 17 Jahren seit ihrer Gründung kommen so etwa 500 Marken zusammen, schätzt Prosquill.

Zudem beteiligt sich Warda an mehreren Start-ups; auch hier machen sich Kontakte im wahrsten Sinne des Wortes bezahlt. „Es ist toll, wenn Firmen auf uns zukommen und wir ­ihnen dabei helfen können, von der ersten Seeding-Runde bis zur Series A zu gelangen“, sagt Prosquill. Als Geschäftszweig sei das nicht gedacht gewesen – „ich habe einfach immer wieder an die richtigen Personen geglaubt“, so der Unter­nehmer.

Er sieht sich als Pokerspieler: Risiken und ­potenzieller Gewinn müssen im richtigen Verhältnis zueinander stehen – und der Gewinn kommt mitunter genauso durch das Adressbuch der Geschäftspartner zustande wie durch ihr Produkt. Herausforderungen existieren in der bunten Warda-Welt trotzdem: Expansionspläne, Übernahmen, Konkurrenten – „das ist ganz normal, dem musst du dich einfach stellen“, so Prosquill. Vor allem in den Anfangsjahren betraf das die Liquidität des Unternehmens. Dennoch ist Warda organisch gewachsen, externe Kapitalgeber gab und gibt es keine. Die erste Investition, die Warda selbst tätigte, war der Riegel-Hersteller Neoh. Danach folgten unter anderem das Rad-Start-up Eddi Mobility, der Spirituosen-Produzent Hawara und „We Are Developers“, Europas größte Programmiererkonferenz. Prosquill sieht in der Konferenz mit Standort Berlin einen Hebel, um weitere Kontakte in Unternehmensvorstände und die deutsche Politik zu knüpfen.

Mit der Konferenz verbindet Prosquill aber auch Persönliches: Konferenz-Mitgründer Ben Ruschin zählt zu seinen engsten Freunden. Vergangenen Sommer hat Ruschin den Warda-Chef als Trauzeuge zum Altar geführt. Kennengelernt haben sich die Unternehmer als U30-­Listmaker von Forbes 2016. „Jeder in meinem Umfeld war extrem stolz auf mich“, erinnert sich Prosquill und ergänzt: „Es ist schon arg, was wegen Forbes passiert ist.“

Bald feiert Warda Network den elften Geburtstag. Ob Warda langsam erwachsen wird? „Wir nehmen uns nicht zu ernst“, sagt Prosquill. Nicht umsonst lautet der Agenturslogan „Madness meets genius“. Ihr „Chief of Everything“ fasst es so zusammen: „Absolut verrückt, hochprofessionell umgesetzt.“ Das honorieren immer wieder auch Preisrichter – Mitte Juni hat Warda es unter die Top Three bei den Cannes Lions geschafft, dem international renommierten Wettbewerb der Kreativbranche. Es wäre aber nicht Prosquill, wäre er nicht auch in Cannes ­gewesen, um neue Kontakte zu knüpfen: „Wir versuchen, die besten Leute in unser Netzwerk zu inte­grieren“, sagt er – dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit internationalen Regisseuren und Top-Fotografen.

„Unternehmerisch ist es natürlich toll, ­Umsätze zu skalieren und weiter zu expan­dieren. Aber viel wichtiger sind eine gesunde ­Rentabilität und die Zufriedenheit unserer Kunden und Mitarbeiter“, so Prosquill. Als Nächstes möchte Warda die Bestandskunden in Österreich vermehren und so schrittweise wachsen – vielleicht auch über die Landesgrenzen hinweg. „Als Kontaktmann Nummer eins fungiere ich als Schnittstelle zwischen verschiedenen Branchen, Genres und Tätigkeitsfeldern. Das möchte ich weiter ausbauen“, sagt der Warda-Chef. Schon jetzt erkundigen sich Kunden oft danach, welche Möglichkeiten sein Netzwerk abseits konkreter Projekte biete, erzählt Prosquill. Zum Abschied schlägt er eines vor: in Kontakt zu bleiben.

Eugen Prosquill ist Mitgründer und CEO der Wiener Kreativagentur Warda Network. Das Unternehmen bietet seinen Kunden eine 360-Grad-Betreuung von Konzeption über audiovisuelle Inhalte bis hin zu Veranstaltungen.

Fotos: Gianmaria Gava

Ines Erker

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