WIENER BLUT

Einige Aktien der Wiener Börse haben es geschafft, auch im europäischen oder weltweiten Konzert tonangebend zu sein – gute Renditen für Anleger inklusive.

Auch wenn Wien nicht für jeden die Welt ist, setzen Wiener Unternehmen doch immer wieder wichtige Impulse für ebendiese – und zwar schon seit der Zeit, als Michael Thonet seine Produktion vom deutschen Boppard nach Wien verlagerte und seine ikonischen ­Sessel die Welt eroberten. Und so gibt es an der Wiener Börse (1771 als eine der ersten Wertpapierbörsen der Welt von Maria Theresia gegründet) immer ­wieder Unternehmen, die von der ehemaligen Reichs-, Haupt- und Residenzstadt aus ihren Siegeszug in die Welt antreten.

Eines davon ist die Wienerberger AG. Gegründet 1819 von Alois Miesbach und später von seinem Neffen Heinrich von Drasche-Wartinberg weitergeführt, nutzte man die reichen Vorkommen an tonhaltigen Lehmen am Südrand von Wien im Raum des Wienerbergs; schon im 19. Jahrhundert hatte das Unternehmen rund 10.000 Mitarbeiter. Die Gesellschaft konnte vom großen Bauboom der Gründerzeit profitieren und schüttete im Jahr 1887 insgesamt 490.000 Gulden an Dividende aus, was einem Gewinn­anteil von 12 % entsprach.

Heute macht ­Wienerberger mit 195 Produktionsstandorten in 30 ­Ländern und 16.596 Mitarbeitern rund 3,12 Milliarden € Umsatz pro Jahr. Das Unternehmen gehört zu den führenden Baustoffanbietern der Erde und hat immer wieder geschickte Expansionsschritte gesetzt. So nutzte man den Trend in den USA, Bauten aus festen Baustoffen zu ­errichten, der nicht zuletzt durch den Hurrikan Katrina im Jahr 2005 gesteigert wurde. Wiener­berger gelang es durch den Kauf der US-Tochter General Shale Brick, auch in den USA zur Nummer eins aufzusteigen. Schon 1986 ­hatte man unter der Leitung von Erhard Schaschl, Wolfgang Reithofer und Paul Tanos begonnen, ­internationale Standorte aufzubauen. Schnell wurde das Unternehmen, das erst kürzlich eine neue, architektonisch interessante und bereits prämierte Konzernzentrale bezog, dann Anfang der 2000er-Jahre zum Weltmarktführer auf dem Ziegelsektor und zur Nummer zwei bei Dachziegeln.

Der aktuelle CEO Heimo Scheuch will den Konzern verstärkt als Komplettanbieter von ­Bausystemen etablieren – eine Strategie, die durchaus ­erfolgversprechend wirkt. Wiener­berger nutzt die Chancen der Digitalisierung und entwickelt smarte Anwendungen für Neubau, Renovierung und Infrastruktur.

Die Wienerberger-Aktie ­gehört heute praktisch zu den Standard­investments eines auf die Baubranche setzenden Portfolios. Das Papier hat in den letzten fünf Jahren um rund 45 % zugelegt und notierte zuletzt bei rund 25 €. 2019 lag die Dividendenrendite in Zeiten des künstlichen Todes der Sparbuchzinsen bei beachtlichen 2,27 %. Ein KGV von rund 12 macht die Wienerberger-Aktie interessant. Die Konzernstrategie gefällt auch ­Analysten: So gab es zuletzt von den US-Investmentbankern bei Stifel ein Upgrade von „Hold“ auf „Buy“ und ein höheres Kursziel: 27,5 € – davor waren es nur 24,5 € gewesen.

Auch an der Wiener Börse – 1771 als eine der ersten Wertpapierbörsen gegründet – gibt es immer wieder Unternehmen, die ihren Siegeszug in die Welt antreten.

Ein anderes Unternehmen mit Wiener Wurzeln ist die Erste Group. Ihr Ursprung liegt in der 1819 in Vereinsform gegründeten Ersten österreichischen Spar-Casse, wie sie auch bis zum Jahr 1997 offiziell hieß. Sie wurde zwar seit 1993 als Aktiengesellschaft geführt, aber erst 1997 an die Börse gebracht – seinerzeit mit einem Volumen von umgerechnet 500 Millionen € die bis dahin ­größte Emission an der Wiener Börse. Mit den Sparkassen stellt die Erste Bank, die das Spitzeninstitut der österreichischen Sparkassengruppe ist, eine der größten Bankengruppen in Österreich dar. Mehr als 15.000 Mitarbeiter betreuen in rund 1.000 Filialen und über 180 Bankstellen mehr als 3,8 Millionen Kunden in der Alpenrepublik.

Aus der Erste Bank entsprang ­unter der Führung von Andreas Treichl die ­Erste Group, mit der man die Chancen, die die Öffnung Osteuropas Anfang der 90er-Jahre bot, erfolgreich nutzte. Nach mehreren Akquisitionen im In- und Ausland erfolgte 2008 die Abspaltung des Österreich-Geschäfts der Erste Bank der ­oesterreichischen Sparkassen AG von der neu gegründeten Holdinggesellschaft Erste Group Bank AG. Die neue Firmenstruktur war im Zuge der Expansion in Zentral- und Osteuropa notwendig geworden, wo man heute einer der größten Finanzdienstleister ist.

Sie führte zu einer klaren Aufgabenteilung zwischen der Erste Group Bank AG, die die Holdingfunktionen wahrnimmt, und den von ihr gehaltenen Tochterbanken, die mit 1.600 Nieder­lassungen in Tschechien, der Slowakei, Rumänien, Ungarn, Kroatien und Ser­bien insgesamt rund 16 Millionen Kunden betreuen. Und das Geschäft boomt – auch in Zeiten von Corona: Die Erste Group erwirtschaftete in den ersten neun Monaten 2020 einen Nettogewinn von satten 637,1 Millionen € bei einer um fast 10 % gestiegenen Bilanzsumme, die jetzt bei 272 Milliarden € liegt. Für 2021 rechnet man bei der Erste Group mit ­einer Erholung der Wirtschaft und günstigen Aussichten – das zeigt sich auch im Aktienkurs: Der ist im letzten Monat nach Abklingen des Coronaschocks und beflügelt von den Erwartungen bezüglich der Impfstoffe um mehr als 37 % gestiegen und lag zuletzt bei 25 €.

Eine Bardividende von 0,75 € pro Aktie für das Jahr 2019 ist zwar beschlossen worden, ihre Auszahlung hängt aber wie bei allen europäischen Finanzinstituten im Euroraum noch von der Zustimmung der Regulatoren ab. Mit dem Dividendenmoratorium will man den Bankenbereich vor einer mög­lichen Insolvenzwelle schützen. Die Ausschüttung ist für den 15. Februar 2021 geplant, sofern alle Voraussetzungen bis 8. ­Februar erfüllt sind. Der Kurs des Unternehmens findet auch Gefallen bei Anlageexperten: Die Ratings der letzten Monate lagen mehrheitlich bei „Buy“, kein einziges setzte die Erste Group auf „Sell“. So haben auch die Analysten von Goldman Sachs ihr Kursziel für die Aktien der Erste Group von 27 auf 27,7 € etwas angehoben. Das Anlagevotum der Expertenrunde um Omahan Jernej bleibt weiterhin bei „Buy“.

Der Kurs der OMV-Aktie legte nach dem „Corona-Dip“ ordentlich zu.

Ein weiterer Wiener Player mit internationaler Ausrichtung ist die OMV. 1956 als Österreichische Mineralöl­verwaltung Aktiengesellschaft gegründet, war das Unternehmen lange Zeit mit der Förderung und Verwertung der heimischen Ölvorräte im niederösterreichischen Marchfeld beschäftigt. 1960 erfolgte die Inbetriebnahme der Raffinerie in Schwechat; doch schon 1968 folgte mit dem ersten Erdgasliefervertrag mit der ehemaligen UdSSR der Schritt ins Ausland, der 1987 mit dem Kauf der ­Raffinerie im deutschen Burghausen fortgesetzt wurde.

Heute verfügt die OMV über eine starke Basis in Mittel- und Osteuropa sowie ein internationales Portfolio mit dem Nahen Osten und Afrika, der Nordsee, Russland und Asien-Pazifik als weiteren Kernregionen. Mit einem Konzernumsatz von 23 Milliarden € und einem Mitarbeiterstand von rund 20.000 im Jahr 2019 ist die OMV eines der größten börsennotierten Industrieunternehmen Österreichs.

Die Aktie hat den Rebound nach dem „Corona-Dip“ exzellent gemeistert und legte im letzten Monat um 48 % zu. Der Kurs stieg an einem einzigen Börsetag Anfang Dezember um mehr als 5 % und lag zuletzt bei knapp 32 €. Hintergrund war, dass die Analysten der Schweizer Credit Suisse die OMV-­Papiere deutlich hochgestuft hatten. Statt der bisherigen Verkaufsempfehlung „Underperform“ sprachen sie mit „Outperform“ nun eine Kaufempfehlung aus. Das Kursziel wurde gleich von 33 auf 40 € erhöht. Die Credit-Suisse-­Experten erwarten höhere Gewinne der OMV im Chemiebereich inklusive gestiegener Dividenden von Beteiligungen sowie niedrigere Investitionsausgaben. In den nächsten Jahren sehen sie ein Potenzial für ein jährliches Dividendenwachstum von 11 %.

Text: Reinhard Krémer
Illustration: Valentin Berger

Dieser Artikel erschien in unserer Forbes Daily "Wiener Wirtschaft".

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