Wieso Familienunternehmen an der Digitalisierung scheitern

Wer an Familienunternehmen denkt, denkt oft nicht an digitalen Wandel.

Viele Familienunternehmen in Deutschland, Österreich und Schweiz sind aktuell sehr gut aufgestellt. Schaut man allerdings auf die Breite digitaler Entwicklungen in der Wirtschaft und Gesellschaft, dann wird klar: viele Familienunternehmen haben immer noch digitalen Nachholbedarf. Familienunternehmen und Digitalisierung scheinen nicht zusammenzupassen. Was muss passieren?

Kundeninteraktion

Kundeninteraktionen sind bei vielen Familienunternehmen mit einem hohen Personalaufwand verbunden. Das ist berechtigt, wenn es um die Akquise geht, um erklärungsbedürftige Produkte oder Dienstleistungen. Dasselbe gilt für Produkte, die komplex oder serviceaufwändig sind – beispielsweise bestimmte Versicherungsverträge.

Die Idee, die Kundeninteraktion komplett zu digitalisieren, ist oft eine Sackgasse mit Bumerangeffekt. Richtig ist die goldene Mitte: Für repetitive Handlungen eignen sich digitale Lösungen. So haben Mitarbeiter mehr Zeit, sich um komplexe und differenzierte Themen zu kümmern.

Mitarbeiterentwicklung

Moderne Teams sind divers, arbeiten zeit- und ortsunabhängig, agil und stets digital. Das verlangt nicht nur einen flexiblen Arbeitsrahmen vom Unternehmen, sondern vor allem auch Flexibilität von den Mitarbeitern selbst. In der Mitarbeiterentwicklung geht es allerdings um mehr als nur Flexibilität – nämlich um den Erwerb von Zukunftskompetenzen. Tatsächlich nehmen viele Familienunternehmen die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter sehr ernst. Viele Angebote sind allerdings noch analog und nur für Führungskräfte gedacht.

Unternehmen sollten dagegen allen Mitarbeiter lebenslanges Lernen ermöglichen und dies fördern. Mitarbeiter lernen dann das, worauf es in zukunftsgerichteten Organisationen ankommt. Hilfreich und finanziell attraktiv sind Plattform-Lösungen mit passenden Webinaren.

Leadership

Familienunternehmen rekrutieren einen Teil ihres Managements oftmals aus der eigenen Familie. Die Zugehörigkeit sagt allerdings wenig aus über ihre Führungsfähigkeiten. Zudem braucht digitale Transformation verlangt eine neue Führungskultur. Schnelle Anpassungen an neue Entwicklungen, der Einsatz von Maschinen für repetitive Tätigkeiten und agiles Arbeiten in flexiblen Projekteinheiten – das verlangt vom Management anderes, als top-down die richtigen Entscheidungen an der Spitze zu treffen.

Angesichts der Unsicherheiten und Angst durch Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt gilt es heute, den Mitarbeiter mitzunehmen. Mehr noch: Es geht darum, ihn ernst zu nehmen und ihn persönlich, sozial und digital so stark zu machen, dass er Zukunft mitgestalten kann. Das verlangt von der Führungskraft transparentes teamorientiertes Arbeiten und das Selbstverständnis, Coach und verantwortungsvoller Förderer der Mitarbeiter zu sein. Und: life-long learning.

Umwelt verstehen

Viele Familienunternehmen vertrauen dem, was sie groß gemacht hat. Ein hochwertiges Produkt kann zum Erfolg führen. Diesen aber langfristig zu halten, ist schwieriger. Das Prinzip „never change a running system“ wird in der schnelllebigen, globalen, digitalen Realität von heute früher oder später schiefgehen.

Deshalb sollten auch Familienunternehmen, ihr Erfolgsrezept laufend hinterfragen und weite rentwickeln. Ihr Umfeld und ihre Kunden sollten sie analysieren, innovieren – um am Puls der Zeit bleiben. Also: auf dem bestehenden Erfolg nicht ausruhen, sondern auf diesen aufbauen.

Von Digitalunternehmen lernen

Viele Traditionelle Familienunternehmen und Digitalstartups können kaum unterschiedlicher sein. Gerade deshalb sollten sie voneinander lernen. Familienunternehmen haben oft langjährige Erfahrung. Und Digitalunternehmen wissen, worauf es für zukunftsfähige Unternehmen ankommt.

Lösungen für den Kundenservice, die KI mit Personaleinsatz mitarbeiterfreundlich ergänzen, intelligente HR-Programme für eine individuelle Mitarbeiterentwicklung, agile und partizipative Führungsstile, Management nach den Prinzipien der VUCA-Welt – all das sind Beispiele für Ansätze, die in Digitalunternehmen gelebt werden und von denen Familienunternehmen etwas mitnehmen sollten.

Über die Autorin

Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg ist eine der führenden Köpfe für digitale Zukunft – sozial engagierte Digitalunternehmerin, Beirätin, Autorin sowie Trend-, HR- und Leadership-Expertin. Sie ist neben anderen Gremientätigkeiten Verwaltungsrätin des BCCG, Vorständin des Bitkom AK Arbeit 4.0 und Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung flexible Arbeitswelt. Dazu engagiert sie sich in sozialen Organisationen, darunter als Kuratorin für PLAN.

Als CEO von GetYourWings entwickelt sie Tools zur Vermittlung von Digital- bzw. Zukunftskompetenzen. Anabel Ternès leitet das Institut für Nachhaltigkeitsmanagement, hält eine Professur für Internationale BWL und ist Director Future Strategy bei der SRH. Die Autorin von mehr als 50 Büchern schreibt u. a. für Focus, Impulse und Sales Excellence. Sie war mehrere Jahre in leitender Tätigkeit in internationalen Unternehmen, darunter Samsonite.

 

Gastkommentar: Prof. Dr. Anabel Ternès
Opinions expressed by Forbes Contributors are their own.

Fotos: beigestellt

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