Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen Sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Seit Thomas Stoffmehl 2019 Verantwortung in der Vorwerk Gruppe übernommen hat, ist der Umsatz, den die Gruppe mit Thermomix® einnimmt, um fast ein Drittel gestiegen. Stoffmehl hat das mit einer klaren Strategie geschafft: die Anzahl der Beraterinnen und Berater erhöhen und diese stets zum Mittelpunkt aller Aktivitäten machen. In Österreich macht es ihm Daniela Rehm, General Managerin von Vorwerk Österreich, gleich – mit Erfolg: Vorwerk Österreich wurde 2024 „Market of the Year“.
Das Gebäude wirkt brandneu. Die Möbel und die Rezeption im Eingangsbereich sind blitzsauber, der Speisesaal, den Besucherinnen und Besucher von der Eingangslobby aus ebenfalls sehen, ist mit neuen Tischen, Bänken und einer langen Theke eingerichtet. Die Kletterpflanzen an der Außenfassade beginnen gerade erst, sich an der Hauswand hochzuschlängeln. Man sieht schnell: Vorwerk ist erst kürzlich hier eingezogen. Doch die Geschichte des Thermomix®-Erfinders in Wuppertal reicht bis ins Jahr 1883 zurück.
Heute ist das deutsche Familienunternehmen in etwa 60 Ländern aktiv. Die Anzahl aktiver „Beraterinnen und Berater“ – so nennt die Gruppe die Freelancer, die Vorwerk-Produkte verkaufen – schwankt über das Jahr, aber im Schnitt arbeiten über 100.000 Menschen für die Gruppe, die 2024 fast 3,2 Mrd. € Umsatz generierte. Über die Hälfte des Umsatzes wird mittlerweile mit dem Thermomix eingenommen, dem Küchengerät, mit dem Lebensmittel unter anderem leicht zerkleinert, erhitzt und angebraten werden können.
Aber die Produktfamilie umfasst auch die Kobold-Staubsauger (ein Viertel des Umsatzes) und die Produkte der akf-Gruppe, Vorwerks Finanzierungspartner für den deutschen Mittelstand (ein Fünftel des Umsatzes).
Seit 2021 leitet Thomas Stoffmehl als Sprecher des Vorstands die Vorwerk Gruppe. Der 54-Jährige ist bei unserem Termin gut aufgelegt: „Ja, ja. Schön langsam verstehe ich, wo Sie die Sonne haben wollen. Die kann ich leider nicht kontrollieren“, witzelt er, als unser Fotograf ihn bittet, sich ein paar Zentimeter auf die Seite zu bewegen.
Er hat guten Grund, gut gelaunt zu sein: In den letzten fünf Jahren, also seit Stoffmehl am Steuer sitzt, ist der Umsatz mit dem Thermomix um fast ein Drittel gestiegen. Die Anzahl an Beraterinnen und Beratern hat sich fast verdoppelt. „Wir steuern auf 140.000 Beraterinnen und Berater zu. Das ist eine gigantische Zahl – und auch die Grundlage für unseren Erfolg“, sagt Stoffmehl. Seit er in seiner aktuellen Rolle ist, setzt er stark auf die Salesforce – er sieht sie als Weg in die Zukunft.
Daniela Rehm teilt seine Meinung. Sie hält in Österreich als General Managerin von Vorwerk Österreich die Zügel in der Hand. Die Tochtergesellschaft gewann letztes Jahr „Market of the Year“, einen Preis, der jährlich von der Gruppe an die erfolgreichste Landesorganisation vergeben wird. Warum ist der Vorstandssprecher so überzeugt vom Menschen als Vertriebskanal? Und was bedeutet das für Vorwerk in Österreich?
Vorwerk wurde 1883 von den Brüdern Carl und Adolf Vorwerk gegründet. Das Unternehmen hieß damals Barmer Teppichfabrik Vorwerk & Co., und Teppiche waren auch, was produziert wurde. Carl Vorwerk jr., der Sohn des Gründers, starb wenige Monate, nachdem er den Betrieb übernommen hatte. Das Unternehmen ging an Carl Vorwerks Schwiegersohn August Mittelsten Scheid über – und somit an die Familie, die noch heute in der fünften Generation für Kontinuität in den Geschicken der Unternehmensgruppe sorgt.
Geleitet wird Vorwerk heute von einem dreiköpfigen Vorstand, bestehend aus Dr. Thomas Stoffmehl (Sprecher), Hauke Paasch und Dr. Thomas Rodemann. Unter der Führung der Unternehmerfamilie Mittelsten Scheid begann Vorwerk, unter anderem Motoren für Grammophone zu produzieren, die die Grundlage für die Motoren bildeten, die später in Kobold-Staubsaugern stecken sollten.
Den ersten Kobold erfand Vorwerk 1929. Wie damals üblich wurde der Staubsauger im Einzelhandel verkauft, doch die Verkaufszahlen waren enttäuschend. Kurze Zeit davor war Werner Mittelsten Scheid, ein Sohn des damaligen Eigentümers, in den USA auf ein neues Vertriebsmodell gestoßen: Kundenberaterinnen und -berater gingen von Tür zu Tür und präsentierten ihre Waren in Wohnzimmern und Küchen. Sie bauten persönliche Beziehungen zu den Kundinnen und Kunden auf, teilten ihre eigenen Erfahrungen mit den Produkten. Vorwerk stieg auf diese Verkaufsform um – und die Kobold-Verkaufszahlen schnellten in die Höhe. „Wir fahren diese Strategie bis heute. Sie hat sich in die Unternehmenskultur eingebrannt: Wir stellen in allen Aspekten den Menschen in den Mittelpunkt“, so Stoffmehl.
Nach den Weltkriegen expandierte das Familienunternehmen in den Küchengeräte-Bereich, und 1971 kam der erste Thermomix auf den Markt. Dieser wird heute in Wuppertal und in Frankreich produziert. 1.200 Menschen arbeiten in der Produktion am deutschen Standort, wo wichtige Bestandteile wie die Motoren für Thermomix und Kobold-Staubsauger hergestellt werden. Vorwerk hat einiges in den Standort investiert: In den Bau von Testlaboren – etwa eine schallisolierte Kammer, in der getestet wird, wie laut die Geräte werden – flossen in den letzten Jahren Millionen. Vieles passiert hier automatisch, aber nicht alles: So wird etwa jedes Thermomix-Mixmesser von einem Menschen kontrolliert, bevor es die Fabrik verlässt.
Als Stoffmehl die Führung bei Vorwerk übernahm, hatte das Haus einige Herausforderungen zu lösen: Die Staubsauger-Verkäufe gingen zurück, Experimente wie die Teemaschine Temial floppten. Der neue Sprecher des Vorstands präsentierte 2019 seine „Strategie 2025“: Vorwerk sollte sich auf die Kernkompetenzen des Unternehmens konzentrieren. Er terminierte Temial und verkaufte den Kosmetik-Direktvertrieb Jafra und den Gebäudereiniger Hectas. Bei den Produktsparten Thermomix und Kobold setzte er auf den Vorwerk Direktvertrieb. „Ohne Beraterinnen und Berater kein Produktverkauf. Oder umgekehrt: Mehr Beraterinnen und Berater, mehr Verkauf“, fasst Stoffmehl zusammen.
Anfang dieses Jahres brachte Vorwerk den Thermomix TM7, die achte Generation der Küchenmaschine, auf den Markt. 173 Mio. € investierte die Gruppe in die Entwicklung des Geräts, der Launch wurde von einer PR-Welle begleitet. „Wir haben in kürzester Zeit über sechs Milliarden Pressekontakte generiert“, so Stoffmehl. Das Gerät schlug ein wie eine Bombe – es sei der erfolgreichste Launch in der Unternehmensgeschichte, rund 860.000 Geräte wurden in nur neun Monaten verkauft.
Auch in der Produktentwicklung arbeitet Vorwerk eng mit den Beraterinnen und Beratern zusammen: Neue KI-Funktionen von Cookidoo®, dem Rezeptportal von Thermomix, werden erst an den Direktvertrieb gespielt, bevor die restliche Welt sie zu sehen bekommt; vor der Entwicklung neuer Hardware wird Feedback der Beraterinnen und Berater gesammelt. Der Anforderungskatalog für neue Produkte sei das „Ergebnis eines wahnsinnig breit angelegten Austauschs“ zwischen Vorwerk und der Salesforce, so Stoffmehl. Österreich-Chefin Rehm fügt hinzu: „Wir stehen mit unserer gesamten Community über verschiedene Wege in ständigem Kontakt.“
Sie begründet damit gleichzeitig den Erfolg von Vorwerk Österreich. Für die „Market of the Year“-Auszeichnung zieht die Gruppe verschiedene Kennzahlen für das vergangene Jahr heran. „2023 fehlte uns nur ein Wimpernschlag – 2024 haben wir den Titel eindrucksvoll gewonnen“, so Rehm. „Was mich besonders stolz macht: Wir haben die Auszeichnung als Antrieb genutzt, um 2025 noch besser und noch erfolgreicher zu werden. Denn unser Anspruch ist eindeutig: Wir wollen den Titel halten.“
Mit relevanten Trainings, zielgerichteten Meetings und direktem Kontakt erreichen Rehm und ihr Team die österreichischen Beraterinnen und Berater regelmäßig. „Wir wollen natürlich, dass unsere Beraterinnen und Berater für die Produkte brennen – Kobold und Thermomix werden über Emotionen verkauft –, zugleich schaffen wir eine Struktur, die sie im Abschluss gezielt unterstützt“, erklärt sie. Operativ folgt Rehm der konzernweiten Linie von Stoffmehl: mehr Beraterinnen und Berater, mehr Verkauf. Entsprechend ist die österreichische Salesforce seit 2021 von knapp 3.000 auf über 5.000 gewachsen; der Umsatz legte zwischen 2021 und 2024 um mehr als ein Drittel zu.
„Mit diesem Ansatz bleibt unser Kurs klar: Wir wachsen durch kontinuierliche Organisationsentwicklung – getragen von Menschen. Erfolg wird von Menschen gemacht. Unsere Aufgabe ist es, ihnen die besten Produkte, die relevanten Ressourcen und verlässliche Unterstützung an die Hand zu geben. So stärken wir Fähigkeiten, erhöhen die Wirkung im Vertrieb und schaffen die Basis für nachhaltiges, skalierbares Wachstum“, führt Rehm weiter aus.
Stoffmehl und sein Team geben sich hungrig: Trotz der starken Performance des Thermomix in den letzten Jahren sei noch viel Potenzial nach oben da. In Portugal besäße etwa ein Viertel aller Haushalte einen Thermomix; die Haushaltspenetration ist in keinem anderen Land so hoch. In Deutschland steht das Unternehmen bei rund 10 %. Für ihn bedeutet das: In 90 % der Haushalte hat noch eine Kochmaschine Platz. Stoffmehl: „Dass jeder Haushalt einen Thermomix oder einen Kobold verdient hat – das würde ich sofort unterschreiben.“
Fotos: Robert Eikelpoth, Vorwerk