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Eva Haller produziert den einzigen Bio-Haferdrink Südtirols – mitten im Herzen der traditionellen Milchwirtschaft. Ihre Geschichte zeigt, wie die Region den Spagat zwischen Heimatverbundenheit und Zukunftsorientierung meistert.
Die Ironie ihrer Gründungsgeschichte ist Eva Haller durchaus bewusst: Ihr Vater ist Geschäftsführer einer der sieben großen Molkereigenossenschaften Südtirols; ein Betrieb mit über zehn Mio. € Jahresumsatz und 40 Mitarbeitern. Sie selbst verbrachte einen Großteil ihrer Zeit in der Molkerei, umgeben von Milch, Käse und allem, wofür die Region seit Generationen steht. Heute produziert sie ausgerechnet hier, im Herzen der alpinen Milchwirtschaft, Seite an Seite mit ihrem Vater eine pflanzliche Milchalternative.
„Als ich nach dem Studium aus Graz zurückkam, war ich ehrlich gesagt schockiert“, erinnert sich die 25-Jährige: „Niemand produziert Hafermilch?“ Was als Verwunderung begann, entwickelte sich zu einem Geschäftsmodell, das 2025 über 200.000 € Umsatz generieren wird. Haller verkauft Hafena, so heißt der Bio-Haferdrink, an die Hotellerie und Gastronomie in ganz Südtirol. Die pflanzliche Milch, so erzählt es Haller, ist nicht trotz, sondern wegen der traditionellen Strukturen entstanden.
Südtirol gilt vielen als Inbegriff von Tradition und Naturverbundenheit. Was dabei oft übersehen wird: Südtirol ist längst auch ein veritabler Innovations- und Wirtschaftsstandort, der internationale Unternehmen beheimatet und junge Gründer mit einer Infrastruktur unterstützt, die andernorts ihresgleichen sucht. Die Zahlen sprechen für sich: Rund 56.000 Unternehmen sind in Südtirol ansässig, viele davon in Hightech-Bereichen wie Mechatronik, Automatisierung oder Lebensmitteltechnologie. Gleichzeitig investiert die Region massiv in Forschung und Entwicklung – nicht zuletzt über Organisationen wie die IDM Südtirol, die Innovations-, Entwicklungs- und Marketingagentur der Provinz. „Die Netzwerke sind wirklich gut gestaltet“, bestätigt Haller. „Es gibt sehr gute Weiterbildungsangebote. Als Gründerin hat man viele Optionen.“ Besonders die IDM habe sie von Anfang an begleitet – von der Vermittlung der Bio-Bauern über Marketingworkshops bis hin zu einer landesweiten Innovationskampagne, in der sie als Protagonistin auftrat. „Videos auf allen Bildschirmen in den Bussen“, sagt sie und lacht. „Das war schon cool.“
Haller, die Umweltsystemwissenschaften mit BWL studiert hatte, wollte von Beginn an ein „von A bis Z nachhaltiges Produkt“ schaffen. Die erste Version des Haferdrinks wurde deshalb in Glasflaschen abgefüllt – schließlich gilt Glas als das nachhaltigere Material. Die Realität, musste Haller feststellen, sah anders aus: Die Reinigung verschlang Unmengen an Energie, das Pfandsystem funktionierte über Großhändler nur mäßig. „Am Ende war es einfach nicht so nachhaltig, wie wir es uns vorgestellt hatten“, so Haller. Heute verkauft sie ihr Produkt im Tetra Pak. Sie plant Produktionen so, dass Lastwagen voll ausgelastet werden, und informiert Kunden darüber, wie sie richtig recyceln. „Man kann nicht hundertprozentig nachhaltig leben“, sagt sie, „aber man kann Verschwendung, so gut es geht, vermeiden.“
Als ich nach dem Studium zurückkam, war ich ehrlich gesagt schockiert: Niemand produziert Hafermilch?
Eva Haller
Dieser Pragmatismus zieht sich durch das gesamte Geschäftsmodell von Hafena. Die UHT-Maschinen (Maschinen für die Ultrahocherhitzung) kosten mehrere Millionen Euro – eine Investition, die sich bei den aktuellen Produktionsmengen nicht rechnet. Also wird die Produktion ausgelagert. „Wenn man den Leuten das erklärt, dann verstehen sie das auch“, sagt Haller.
Die Zusammenarbeit mit ihrem Vater funktioniert besser als gedacht. „Er lässt Innovation zu, das ist wichtig“, sagt Haller. Die Hafermilch sieht sie nicht als Konkurrenz zur herkömmlichen Milchproduktion – tatsächlich profitiert der gesamte Betrieb von Hafena: Die Marke bringt Innovation ins Haus, spricht jüngere Zielgruppen an, schafft ein modernes Image. Gleichzeitig nutzt Hafena die bestehenden Strukturen: Vertrieb, Logistik, Know-how. Auch die Bauern profitieren: Fünf Bio-Höfe lieferten zu Beginn den Hafer, mittlerweile melden sich Landwirte von selbst bei ihr.
Die ersten Jahre als Gründerin waren nicht immer einfach: „Ich war oft bei Verhandlungen, wo vier erwachsene Männer vor mir saßen und ich, damals eine 23-Jährige, mich behaupten musste“, erzählt sie. „Man merkt schon: Männer haben es einfacher, ernst genommen zu werden“, so Haller. Ihre Strategie? Nicht unterkriegen lassen: „Ich nehme mich selbst ernst und mache trotzdem mein Ding“, sagt sie. Doch sie stößt als junge Gründerin auch auf viel positive Resonanz – in Südtirol ist sie mit anderen Gründerinnen vernetzt.
Mit einem veganen Haferjoghurt steht die nächste große Produkteinführung an. Zwei Jahre lang hat Haller das Produkt entwickelt, das ohne Konservierungs- und Farbstoffe auskommt. In den kommenden drei Jahren will Haller in weitere Märkte eintreten – Österreich, Deutschland, Süditalien. Die Regionalität soll dabei nicht auf der Strecke bleiben. „Wenn wir mehr Umsatz machen, können wir die Bauern bitten, mehr Hafer anzubauen, was für sie rentabel ist. Wir wollen miteinander wachsen“, so die Gründerin. Die Frage, wo der traditionelle Milchbetrieb in zehn Jahren steht, beschäftigt sie durchaus: „Man muss mit der Zukunft mitgehen und ein weiteres Standbein schaffen. Man weiß ja nie, was kommt“, sagt sie. Es ist diese pragmatische Zukunftsorientierung, die längst Teil der DNA Südtirols ist.
Text: Forbes-Redaktion
Foto: Hafena