Die Power-ära

Mit einer rekordverdächtigen Welttournee, der Macht, Volkswirtschaften zu bewegen, und einem Nettovermögen von 1,1 Mrd. US-$ ist Taylor Swift in die Top Ten unserer jährlichen Rangliste der mächtigsten Frauen der Welt aufgestiegen.

„Ihr gebt mir ein phänomenales ­Gefühl“, sagt Popstar Taylor Swift bei jedem Halt ihrer „Eras Tour“ zu den Fans im immer ausverkauften Stadion, bevor sie ihre feministische Hymne „The Man“ zum Besten gibt. Während sie sich im Applaus sonnt, lässt sie ihren Bizeps spielen und küsst den Muskel, was das Publikum noch mehr in Wallung bringt. „Ihr gebt mir das Gefühl“, sagt die 34-Jährige, während sich ein ­Lächeln auf ihrem Gesicht breitmacht, „mächtig zu sein!“

Das ist brillantes, großes Kino, aber die „Swiftie Nation“ weiß, dass die Sängerin die einzig wahre Quelle ihrer eigenen Macht ist und auch immer schon war. Allerdings: In den 17 Jahren ihrer bemerkenswerten Karriere hatte Taylor Swift noch nie so viel wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Einfluss wie heute. All das hat dazu geführt, dass sie in der Forbes-Rangliste der 100 mächtigsten Frauen der Welt von Platz 79 im Jahr 2022 auf Platz fünf in diesem Jahr aufgestiegen ist.

Dank des Rekorderfolgs der „Eras Tour“ wurde Swift im ­Oktober 2023 zur Milliardärin und gehört ­damit neben Jay-Z (­Nettovermögen: 2,5 Mrd. US-$) und Rihanna (1,4 Mrd. US-$) zu den wenigen Künstlern der Welt, die einen zehnstelligen Betrag erwirtschaftet haben.

Die Tournee, die eine dreieinhalbstündige ­Retrospektive ­ihrer Karriere darstellt, hat bei 63 Konzerten in den USA beinahe 850 Mio. US-$ eingespielt. Der erste Teil dieser Tour hat der ­Musikerin schätzungsweise 190 Mio. US-$ nach Steuern eingebracht, was ihr Nettovermögen auf 1,1 Mrd. US-$ erhöht. Die Show geht 2024 in ­Europa und Asien weiter.

Der sogenannte Taylor-Swift-­Effekt hat sich inzwischen auch US-Wirtschaft ­finanziell ausgewirkt: Zwei Abende ihrer Tournee in Denver ­trugen rund 140 Mio. US-$ zum BIP des US-Bundesstaates Colorado bei, da die Fans durch­schnittlich 1.300 US-$ pro Person in Hotels, Restaurants und Einzel­handels­geschäften ausgaben. Die Philadelphia Federal Reserve zitierte Swift sogar in ihrem „Beige Book“ (eine Zusammenfassung von Kommentaren der zwölf regionalen Zentral­banken der USA) vom Juni 2023 und stellte fest, dass der Mai – der Monat, in dem die aus Pennsylvania stammende Sängerin drei Nächte lang im Lincoln Financial Field in Philadelphia auftrat – der umsatzstärkste Monat für die ­Hotels der Stadt seit der Zeit vor der Pandemie war. Die U. S. Travel Association schätzt, dass der US-Teil der Tournee insgesamt mehr als fünf Mrd. US-$ in die Wirtschaft der Bundesstaaten gespült hat.

„Sie ist im Grunde wie ein ­großes Unternehmen, das in ­vielen Bereichen tätig ist“, sagt Carolyn Sloane, Arbeits­ökonomin und Professorin an der University of Chicago. „Ihr Publikum ist schon so lange so jung und so weiblich, dass die Leute vielleicht unterschätzt haben, wie groß diese Sache wirtschaftlich sein könnte. Ich glaube nicht, dass das heute noch jemand bezweifelt.“

Dieses überwiegend junge, weibliche Publikum folgte Swift 2023/24 auch an die Kinokassen. Auch hier ließ sie ihre unternehmerischen Muskeln spielen, indem sie die Hollywoodstudios umging und den Film „The Eras Tour“ im ­Oktober 2023 direkt mit AMC ­veröffentlichte, obwohl sie keinen traditionellen Marketingapparat im Rücken hatte – was aber genau gar nichts macht, weil Swift selbst die ultimative Marketingmaschine ist.

Stacy Jones, Gründerin der Marketingagentur Hollywood ­Branded, schätzt, dass die ­Sängerin in den letzten zwei Jahren mehr als 130 Mrd. US-$ an „earned ­media“ (laut Suxeedo gemeinsam mit „paid media“ und „owned media“ ein ­Marketingmodell zur Kommunikation von Inhalten) angehäuft hat – eine Zahl, mit der versucht wird, den Wert von kostenloser Werbung zu schätzen. Mundpropaganda und ein paar gut getimte Auftritte bei Footballspielen der Kansas City Chiefs waren mehr als genug, um die Fans in die Kinos zu locken: Der Film ließ allein am Eröffnungswochenende in den USA die Kinokassen in Höhe von 93 Mio. US-$ klingeln und hat weltweit mehr als 200 Mio. US-$ eingespielt.

Wie Swift eine Ära prägt: Der populären Musikerin und bekennenden Demokratin wird großer Einfluss besonders auf die jungen und weiblichen Wähler zugesprochen.

Wie bei der „Eras Tour“ und dem Film beruht ein Großteil von ­Taylor Swifts Macht auf ihrer direkten Kontrolle über ihr Geschäft. Beeindruckender (und lukrativer) ist die Art und Weise, wie sie das Eigentum an ihrem Songkatalog zurückerobert hat: Swift nahm all jene Alben neu auf, die Teil ­eines 300-Mio.-US-$-Verkaufs ­waren, von dem sie selbst behauptet, er sei hinter ihrem Rücken abge­wickelt worden. Bis jetzt hat sie vier der sechs Alben, die Teil dieses Verkaufs waren, neu aufgenommen und auch veröffentlicht. Das jüngste dieser ­Alben, „1989 (Taylor’s Version)“, stellte bei seiner Veröffentlichung Ende Oktober einen Spotify-­Rekord im Bereich „meistgestreamte Künstler an ­einem einzigen Tag“ auf. Mit 109 Millionen monatlichen Zuhörern ist sie nun die Nummer eins auf der Streamingplattform.

Forbes schätzt, dass Swifts Katalog 500 Mio. US-$ wert ist. Wenn man bedenkt, dass Katy Perry und Justin Bieber die Rechte an ­ihren jeweiligen Musikkatalogen im Jahr 2023 für jeweils mehr als 200 Mio. US-$ verkauft haben, erscheint die Entscheidung, „Taylor’s Versions“ zu ­machen, gleich noch meisterhafter.

So beeindruckend Taylor Swift als Künstlerin und ­Unternehmerin auch ist, so ist sie doch nicht die mächtigste Frau der Welt. Dieser ­Titel geht an die Präsidentin der ­Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, deren politische und haushaltspolitische Entscheidungen rund 450 Millionen Menschen in Europa betreffen. Diese Zahl könnte bald auf über 500 Millionen ansteigen: In ihrer jährlichen Rede zur Lage der Union im September 2023 bekräftigte von der Leyen ihre Absicht, die Ukraine und die ­Länder des westlichen Balkans zu EU-­Mitgliedern zu machen.

Auf Platz zwei liegt in diesem Jahr Christine Lagarde, die ­Präsidentin der Europäischen Zentralbank, die in einer Zeit hoher Inflation die Geldpolitik in Europa bestimmt. Ebenfalls vor Swift ­rangieren US-­Vizepräsidentin Kamala Harris (Platz drei) und die italienische Ministerpräsidentin Giorgia ­Meloni (Platz vier) – beide sind die ersten Frauen in ihren jeweiligen Ämtern, und Meloni macht ihren Einfluss geltend, indem sie Reformen der italienischen Verfassung vorschlägt, die eine Direktwahl des Ministerpräsidenten ermöglichen würden.

„All diese Frauen mit ­harter Macht sind wirklich mächtige Frauen“, sagt die ­Markenexpertin Stacy Jones, „aber sie werden die Welt nicht so verändern können wie Taylor Swift.“

Text: Maggie McGrath, Forbes US
Fotos: Matt Winkelmeyer, Getty Images; beigestellt

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