EIN STÜCK METAVERSE

Dirk Lueth und seine Mitgründer wollten mit Upland Monopoly in einer virtuellen Immobilienwelt nach­­bauen – mit Erfolg: Das Unternehmen des gebürtigen Deutschen wurde unlängst mit mehr als 300 Mio. US-$ bewertet. Nicht nur Krypto- und Blockchain-Experten, sondern jeder sollte in der Lage sein, ein Stück Land im Metaverse zu kaufen.

Im April 2021 wurde das ikonische Rockefeller Center in New York City zu einem Rekordpreis verkauft. Die prestigeträchtige Adresse 45 Rockefeller Plaza in Midtown Manhattan liegt nicht nur zentral, sie erfreut sich auch internationaler Bekanntheit. Und das Beste daran: der Preis von nur 40.000 US-$. Der erfolgreiche Bieter bekam dafür jedoch nicht die Schlüssel zur physischen Immobilie, die im echten Leben dem Immobilienunternehmen Tishman gehört, vielmehr hatte er eine digitale Immobilie erworben, die nur im Metaverse Upland existiert.

Der Begriff Metaverse, dessen Ursprünge auf den Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson aus dem Jahr 1992 zurückgehen, bezieht sich auf eine simulierte digitale Realität. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um eine Computerwelt, in der Menschen mithilfe von Technologien wie virtueller Realität ein zweites Leben in einer alternativen Parallelwelt führen können. Die Beliebtheit dieses Orts ist in den letzten Monaten sprunghaft angestiegen, nachdem der Social-Media-Riese Facebook im Oktober 2021 verkündet hat, sich in „Meta“ umzubenennen; erst vor Kurzem führte das Unternehmen bereits 3D-Avatare für Messenger und Instagram ein. Auch Microsoft treibt mit dem Kauf des Spieleentwicklers Activision Blizzard (für 68,7 Mrd. US-$) seine Metaverse-Pläne voran.

Für Tech-Unternehmer wie Dirk Lueth ist das Metaverse weder ein Modewort noch ein Hype. „Ich bin schon lange genug in der Technologiebranche tätig, um zu wissen, dass manche Dinge gehypt und überbewertet werden“, sagt Lueth, der von seinem Haus in San Francisco per Video zugeschaltet ist. Seit 2018 hat der Mitbegründer von Upland eine Welt geschaffen, in der Nutzer (bekannt als Uplanders) weltweit Immobilien in einer digitalen Landschaft kaufen und verkaufen können, die dem echten Leben sehr ähnlich ist. Wenn Nutzer Upland betreten, suchen sie nach verfügbaren Immobilien, die mit realen Adressen verbunden sind, und kaufen sie als Non-Fungible Token (NFTs), die digitale Eigentumszertifikate sind. Lueth war davon überzeugt, dass er das beliebte Brettspiel Monopoly in eine Parallelwelt übertragen könnte: „Ich habe noch nie jemanden getroffen, der nicht weiß, was Monopoly ist.“

Das Geschäftsmodell funktioniert im Grunde so: Upland nimmt einen Anteil von 5 % für jede Transaktion zwischen Spielern. Abgesehen vom Rockefeller Center (dem bisher teuersten Verkauf in Upland) gibt es laut Lueth Tausende kleinerer Transaktionen, die ebenfalls für ein paar Dollar zu haben sind. Für jede Transaktion wird die Upland-Währung UPX verwendet, die mit Fiatgeld gekauft werden kann. Allein im Jahr 2021 erwirtschaftete Upland so mehr als 20 Mio. US-$. Erst kürzlich schloss das Unternehmen seine Series-A-Finanzierungsrunde in Höhe von 18 Mio. US-$ ab, die von der in Hongkong ansässigen VC-Firma Animoca Brands angeführt wurde. Der Risikokapitalgeber ist
in mehr als 150 ähnliche NFT-Projekte investiert. Inzwischen hat Upland eine Bewertung von über 300 Mio. US-$ und entwickelt sich schnell zu einer der größten Metaverse-Plattformen für virtuelle Immobilien.

„Ich bin schon lange genug in der Technologiebranche tätig, um zu wissen, dass manche Dinge gehypt und überbewertet werden.“
Dirk Lueth
 

Die Anzeichen für eine boomende Branche sind also bereits vorhanden. Das Vermögens­verwaltungsunternehmen Grayscale geht davon aus, dass sich die Marktchancen für Metaverse auf mehr als eine Billion US-$ an jährlichen Ein­nahmen belaufen könnten. Im November 2021 gab der Krypto-Investor „Tokens.com Corp.“ 2,43 Mio. US-$ für ein Grundstück im Decentraland-Metaverse aus – das war nur wenige Tage vor dem Investment von 4,3 Mio. US-$ für digitale Immobilien der Plattform Republic Realm auf Sandbox. Der amerikanische Rapper Snoop Dogg etwa baut ebenfalls eine virtuelle Villa auf der Sandbox-Plattform und entwickelt sein eigenes Metaverse namens Snoopverse.

„Architekten entwerfen die Bürogebäude, Luxusvillen und Unterhaltungskomplexe wie etwa Einkaufszentren. Der große Unterschied zur realen Welt besteht aber darin, dass diese Gebäude jetzt von Programmierern und nicht mehr von Bauunternehmen gebaut werden“, sagt Jonathan Woloshin, Real Estate & Lodging Analyst Americas beim Chief Investment Office von UBS Global Wealth Management. Er warnt Investoren, sich zurückzuhalten, da das Meta­verse „noch Jahre entfernt“ sei. „Zahlreiche Unternehmen versuchen, ‚Metaverse-Prototypen‘ zu bauen. Der Wert des virtuellen Grundstücks könnte aber auf null sinken, wenn die Plattform kein nennenswertes Verbraucherinteresse findet und geschlossen wird“, so Woloshin.

Auf die Frage, wie alles begann, verweist Lueth auf sein Doktoratsstudium an der European Business School in Oestrich-Winkel, Deutschland. Hier schrieb er seine Dissertation über private und staatlich kontrollierte Währungen, was schließlich 2011 sein Interesse an Bitcoin und der Blockchain-Technologie weckte. Nach dem Studium legte er erste Grundsteine
zu seiner Karriere als Serial Entrepreneur: Zunächst beteiligte Lueth sich am Aufbau der Financial Times Deutschland; später dann baute er ein Softwareunternehmen auf, das vom multinationalen Konzern Sungard übernommen wurde (das Unternehmen beschäftigte 130 Mitarbeiter). 2018 gründete Lueth gemeinsam mit Mani Honigstein und Idan Zuckerman nach einem Monopoly-Spieleabend Uplandme, Inc.; zwei Jahre später gingen sie damit in den Betamodus. Lueth: „Ein Vorteil von Upland ist, dass wir mit der Arbeit daran begonnen haben, als das Metaversum noch nicht gehypt war.“

Das Versprechen dieser Parallelwelt ist jedenfalls verlockend. Lueths Ziel ist es, eine offene Marktwirtschaft zu erschaffen, die von den Kräften von Angebot und Nachfrage bestimmt wird und in der die Nutzer Anspruch auf „echtes Eigentum“ an der Blockchain haben. Lueth ist sich des spekulativen und riskanten Charakters des Kaufs virtueller Immobilien bewusst und versucht, dies auf verschiedene Weisen zu bekämpfen. Zum einen arbeitet die Plattform aufgrund ihrer Volatilität nicht mit Kryptowährungen, sondern setzt stattdessen auf ihren eigenen UPX-Token, der zu einem festen Wechselkurs an den US-Dollar gebunden ist. 1.000 UPX, die verdient werden, entsprechen einem Dollar. Dies steht im Gegensatz zu anderen Metaverses, die Immobilien verkaufen, wie z. B. Superworld, wo Nutzer den Eiffelturm für 100 Ethereum (ETH) oder den Taj Mahal für 50 ETH (etwa 100.000 € zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Magazins) erwerben können.

Darüber hinaus erhalten alle Eigentümer derzeit eine jährliche Rendite von 14,7 % auf ihre Immobilien in Upland (diese steigt – wie bei Monopoly – mit der Anzahl der erworbenen Immobilien). Ziel ist es, dass sich die Wirtschaft irgendwann „selbst trägt“, indem die Nutzer anfangen, eigene Geschäfte zu eröffnen und einander Produkte zu verkaufen. „Das sieht sehr nach einer echten Weltwirtschaft aus“, sagt Lueth. „Es war sehr wichtig für uns, es für die Menschen leicht verständlich zu gestalten.“

Bislang verkauft Upland Immobilien
in 18 Städten in den Vereinigten Staaten. Aber das Motto „Rebuild the World“ lässt vermuten, dass das Metaverse weiter wachsen und letztlich nach Europa und Asien expandieren wird. „Das Schöne an Upland ist, dass wir profitabel arbeiten. Wir haben unsere letzte Finanzierung noch nicht in Anspruch genommen. Wir stellen jetzt weltweit ein, weil wir wirklich international werden wollen“, sagt Lueth, der ein globales Team von rund 100 Mitarbeitern führt. Außerdem ist es sein Ziel, die breite Öffentlichkeit zusammenzubringen – nicht nur diejenigen, die sich für das Thema Blockchain interessieren. Lueth: „Wir konzentrieren uns viel mehr auf durchschnittliche Leute und Gamer und weniger auf Hardcore-Krypto-Leute.“ Daher sind die Anzahl der Nutzer und die breitere Akzeptanz und nicht die extremen Verkaufszahlen die wichtigsten Parameter. „Anfang 2021 hatten wir 5.000 täglich aktive Nutzer, im Dezember haben wir die Marke von 160.000 täglich aktiven Nutzern überschritten“, so Lueth.

Macht er sich Sorgen, dass das Metaverse eines Tages seinen Glanz verlieren könnte? „Ich mache mir keine so großen Sorgen, dass es einen großen Abschwung geben wird“, sagt Lueth. „Das Metaversum wird nicht verschwinden, die Frage ist nur: Ist es schon da oder nicht? Ich denke, wir stehen noch ganz am Anfang.“

Dirk Lueth wurde in Heidelberg geboren und hat an der European Business School in Wirtschaftswissenschaften promoviert. 2018 hat er Uplandme, Inc. in San Francisco mitgegründet. Das Unternehmen beschäftigt rund 100 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Jahres­umsatz von über 20 Mio. US-$.

Text: Olivia Chang
Fotos: Spencer Aldworth Brown

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 1–22 zum Thema „Ressourcen“.

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