„Nicht für die Frauen, mit den Frauen!“

„Zweifeln Sie nie daran, dass eine kleine Gruppe aufmerksamer, engagierter Bürger die Welt verändern kann“, sagte Margaret Mead, US-amerikanische Anthropologin. In der österreichischen Frauenbewegung gab es viele solcher Bürgerinnen. Eine von ihnen, die mittlerweile verstorbene Johanna Dohnal, war nicht nur in der Politik
gegen Ungerechtigkeiten aktiv, sondern auch abseits davon.

„Die Frauen haben immer nur das ­erreicht, was sie sich selbst erkämpft haben“, so Johanna Dohnal (geborene Dietz), die oft als „Wiener Jeanne d’Arc“ oder „Kreiskys Jeanne d’Arc“ bezeichnet wird. Die Ikone im Kampf um die Rechte der Frauen und erste Frauenministerin Österreichs wurde 1939 in Wien geboren und 1945 eingeschult. Auch wenn sie nach dem Krieg nicht mehr mit ihrer Großmutter in den Keller rennen musste, weil kein Volksempfänger mehr „Kuckuckswarnungen“ ausstieß, waren die Zeiten alles andere als einfach, er­innerte sie sich einst zurück: Finanzielle Mittel, Bücher, Wärme, Sitzgelegenheiten – alles war knapp bemessen. Laut Dohnal-Biografin ­Susanne Feigl musste die kleine Dohnal mit einer Holzkiste und einem Stück Braunkohle zur ­Schule ­gehen, um einen Sitzplatz zu haben und in der Schule nicht zu ­frieren. Die ­Schule soll ein wichtiger Faktor für ihr Ideal gewesen sein, bei sozialer Un­gerechtigkeit nicht untätig zu bleiben.

Ihre ersten Schritte in der SPÖ machte Johanna Dohnal im Alter von 17 Jahren – gemeinsam mit ihrem späte­ren Ehemann Franz Dohnal. In der Ehe lief jedoch nicht alles glatt: Es gab grundlegende Differenzen über die ­Rolle der Frau in der Familie. Für Franz war es ganz klar, dass die Frau sich um den Haushalt kümmert – für Johanna, die mit anderen Rollenbildern kon­frontiert gewesen war, war dies keineswegs selbstverständlich. 1976 ließen sich die Eheleute scheiden; in den folgenden Jahren lernte Johanna ­Dohnal ­Annemarie Aufreiter kennen. Anfang 2010, kurz nachdem dies in Öster­reich möglich wurde, ließen sie eine ein­getragene Partnerschaft begründen.

1969 kandidierte Dohnal zum ersten Mal bei den Wiener Gemeinderatswahlen und wurde noch im selben Jahr Bezirksrätin in Penzing. Mit ­Bruno Kreisky als Bundeskanzler gelang Dohnal der parteiinterne Aufstieg – eine Zeit, die oft als die Blütezeit der österreichischen Sozialdemokratie bezeichnet wird. Als sie 1972 ihren ersten bezahlten Job in der politischen Arbeit (als Wiener Frauensekretärin in der SPÖ-Parteizentrale) antrat, lag der Frauenanteil in den sozialen, öffentlichen, persönlichen und hauswirtschaftlichen Diensten (laut Frauenbericht des Bundes­kanzleramts 1975) bei 22,6 %. Johanna Dohnals Engagement in der (Frauen-)Politik war damals in vollem Gange: insbesondere als stellvertretende Bundesparteivorsitzende der SPÖ in den 1980er-Jahren und Bundesministerin für Frauenfragen Anfang der 1990er Jahre.

Ich denke, es ist Zeit, daran zu erinnern: Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘, sie ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei
und Weiblichkeitswahn.

Johanna Dohnal

Mitte der 1990er-Jahre ­setzte jedoch eine konservative Wende in ­Österreich ein, Dohnals Wirken galt als immer umstrittener. 1995 wurde sie von Franz Vranitzky als Frauenministerin aus der Regierung entlassen.

Die engagierte ­Frauenrechtlerin Dohnal setzte sich für den Ausbau der ­sozialen Dienste und die Förderung der Sexual­erziehung in den Schulen ein, ent­wickelte ein Frauenförderungs­programm für den Bundesdienst und ergriff nachhaltige ­Initiativen im ­Familien-, Sexualstraf- und Sozialrecht. Das bleibt als ­Vermächtnis für ­künftige Generationen. Bis zu ihrem Tod am 20. Februar 2010 setzte sie sich unermüdlich öffentlich für Frauen­fragen, ­Menschenrechte und ­soziale ­Belange ein. „Aus tak­tischen Gründen leise zu treten hat sich noch immer als Fehler erwiesen“, sagte sie einst.

Foto: First Look / picturedesk.com

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